„Landesfürsten“ verstehen keine Taktik (2)

Es ist ein Jammer, da gewinnt das österreichische Nationalteam gegen starke Serben in einem hochklassigen Spiel 3:2. Da schafft es das ÖFB-Trainerteam die strukturelle und taktische Unterlegenheit gegen den Ball, aus dem Hinspiel in Belgrad, auszumerzen. Da wurden in der Abwesenheit von Alaba neue Rollen für Schlüsselspieler wie Florian Grillitsch, Marko Arnautovic oder Moritz Bauer geschaffen. Von Momo Akhondi

Es war sicher geplant! Wir haben auf ihr System reagiert. Rukavina spielt ja noch offensiver als Kolarov und Tadic und Gacinovic rücken dann gerne in die Mitte. Das war dann eben eine Reaktion: wie können wir gegen ihr System spielen? Das ist gut aufgegangen.

Marcel Koller auf Nachfrage von 90minuten.at

Auf die Frage von 90minuten.at, ob die Rolle von Kainz so beabsichtigt war oder ob sie eventuell nur zufällig entstanden ist, hatte Koller eine klare Antwort – und bestätigte im Nachhinein unsere Analyse zum Hinspiel:

 

Interessant war der Plan vor allem deshalb, weil Florian Grillitsch auf der Gegenseite eine komplett andere Rolle hatte als Florian Kainz. Grillitsch verfolgte seinen Gegenspieler Kolarov fast gar nicht und landete dementsprechend nie in der Abwehrreihe. Ganz im Gegenteil: er durfte seine Rolle als Rechtsaußen sehr individuell interpretieren und agierte eigentlich als eine Art Hybrid Zentrum/Flügelspieler. Auch hier handelt es sich um eine recht individuelle Rolle, die zu dem jeweiligen Spieler sehr gut passt.

 

Das war vor allem deshalb interessant, weil die Social-Media Kanäle des ÖFB vor dem Spielaber auch der ORF nach dem Spiel überhaupt nicht kapierten, welche Formation der Teamchef in seinem letzten Heimspiel aufgeboten hatte. Gegen den Ball spielten die Österreicher durch die angepassten Rollen von Grillitsch und Kainz oft in einem 5-3-2. Etwas, was in den Mainstream-Medien jedoch kaum bemerkt wurde.

Auch wenn die Österreicher am Ball waren, hatte Grillitsch eine bemerkenswerte Rolle und durfte immer wieder als klarer Zentrumsspieler agieren und seine rechte Seite komplett ignorieren. Somit spielten die Österreicher zwar nominell ein 4-4-2 mit Grillitsch und Kainz als Flügelzange und Arnautovic und Burgstaller als Doppelsturm, in Wirklichkeit war die rechte Seite jedoch fast nie besetzt. Das kam wiederum Moritz Bauer entgegen, der bei seinem Verein Rubin Kazan als rechter Flügelspieler in einem 3-4-3 spielt. Diese Rolle ist um einiges offensiver als die klassische Außenverteidiger-Rolle im Nationalteam. Durch das Fehlen von Grillitsch am Flügel durfte Bauer ohne Sorgen eine sehr offensive Rolle einnehmen, womit Koller mit seiner Aufstellung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erwischte.

 

 Die Rolle von Grillitsch war taktisch sehr gut gewählt, vor allem weil der Hoffenheim-Legionär im Zentrum – im Gegensatz zu David Alaba – enge Situationen stark lösen kann und dadurch im Mittelfeld von seinen Mitspielern auch unter großem Druck angespielt werden konnte. Grillitsch verstand es dann hervorragend, den Gegner anzulocken und den Ball genauso lange zu halten wie es notwendig ist, um einerseits den Gegner in seiner Formation zu destabilisieren, gleichzeitig aber noch die Möglichkeit zu haben den Ball zum Mitspieler weiterzupassen. Seine sehr entspannte und lockere Art mit Drucksituationen umzugehen, imponierte und dürfte nicht zuletzt auf das extrem anspruchsvolle Training von seinem Klub-Trainer Julian Nagelsmann zurückzuführen zu sein. Das wurde von Robert Zulj auch beschrieben.

 

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