Koller trotz guter Coaching-Leistung gegen Wales Sündenbock der Nation (3)
Das Scheitern von Marcel Koller am Spiel gegen Wales festzumachen, wäre falsch. Der Schweizer hat es jedoch verabsäumt, das Team gegen Mannschaften wie Serbien oder Irland richtig einzustellen. Eine Szenen-Analyse von Momo Akhondi.
Wales-Trainer Coleman reagierte auf die schwache Vorstellung seiner Mannschaft und wechselte zur zweiten Halbzeit Mittelfeldspieler King für Rechtsverteidiger Richards ein. Gunter rückte dadurch auf die rechte Seite und die Waliser verteidigten fortan mit einer Viererkette. An der Spieldynamik änderte das jedoch nur kurzzeitig etwas. Nach einer kurzen Findungsphase gelang es den Österreichern schnell wieder das Heft in die Hand zu nehmen und die Waliser im Spielaufbau ein ums andere Mal zu überspielen. Auch wenn die Formation der Waliser sich änderte, so blieb ihre Ausrichtung größtenteils raumorientiert und erleichterte den Österreichern dadurch weiterhin den Spielaufbau.
Alaba erlitt im zweiten Durchgang einen starken Leistungsabfall und verlor in (mehr oder wenigen) engen Situationen immer öfter den Ball. Dies lag jedoch in erster Linie weniger an den Umstellungen der Waliser, sondern daran, dass Alaba Situationen, die er in der ersten Halbzeit noch konservativ mit Rückpässen lösen konnte, jetzt offensiver lösen wollte – und dabei oft den Ball verlor. Außerdem wurde er von seinen Mitspielern immer öfter in kniffligen Situationen angespielt.
Die Waliser versuchten mit Fortdauer der Partie David Alaba weniger Platz zu lassen, das schien jedoch weniger eine Anweisung von Coleman zu sein, sondern schlichtweg eine Reaktion auf seine starken Aktionen aus der ersten Halbzeit. Teamchef Koller hätte hier durchaus reagieren und einen positionsgetreuen Wechsel vornehmen können, vielleicht sogar müssen. Die taktische Ausrichtung war jedoch auch gegen die Viererkette der Waliser nach wie vor passend, wie diese Szene aus der 66. Minute bewies.
Das 0:1 hatte sich schließlich weder angekündigt, noch war es die größte Chance der Waliser. In der ersten Halbzeit haben die Waliser größere Chancen liegen gelassen – man erinnere sich an den Fauxpas von Tormann Lindner – dies soll die Leistung der Österreicher jedoch nicht schmälern. Die Mannschaft von Teamchef Koller konnte einen sehr guten Gegner knapp 70 Minuten lang gut verteidigen und war offensiv überzeugend. Man konnte sich mehrere klare Chancen erarbeiten, zu denen sich zwei Szenen gesellten, in denen Martin Harnik alleine vor Tormann Hennessey auftaucht und im letzten Moment noch am Abschluss gehindert wurde. Was sich die österreichische Mannschaft jedoch vorwerfen lassen muss, ist es trotz klarer Überlegenheit nicht mehr Chancen herausgespielt zu haben und somit weniger anfällig auf erfolgreiche Gegenangriffe des Gegners zu sein.
Dadurch, dass man sich 75 Minuten lang kein Tor erarbeiten konnte, war das Tor von Woodburn ein Nackenschlag von dem sich das ÖFB-Team nicht mehr erholen konnte. Das Team von Marcel Koller zerfiel in der Schlussphase, was auch an den unverständlichen Wechseln des Schweizers lag. Die Hereinnahme von Gregoritsch und Janko zeugten von Verzweiflung, die Versetzungen von Alaba auf den rechten Flügel sorgte zurecht für viel Kopfschütteln. Die Österreicher gelang es in der Schlussphase nicht mehr auf den Ausgleich zu drängen, ganz im Gegenteil: man musste froh sein, dass die Waliser nicht sogar auf 2:0 erhöhten.
Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass dem ÖFB-Team Gegner, die unsere Mittelfeldspieler nicht konsequent manndecken, sehr entgegenkommen. Über große Strecken der Partie erinnerte die Leistung der Österreicher an die letzte EM-Qualifikation in der man nicht weniger als sechs Mal mit nur einem Tor Unterschied gewinnen konnte. Trotz sehr ähnlichem Spielverlauf konnten beide Spiele gegen Wales nicht gewonnen werde; statt sechs Punkten hatte man am Ende nur einen Punkt auf der Haben-Seite. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Russland hat man jedoch nicht in den Spielen gegen Wales verspielt, sondern in den Spielen gegen Serbien und vor allem Irland, welche beide mit sehr einfachen Mitteln die Stärken der Österreicher neutralisieren konnten.
Koller erkennt nicht, was das Team stark gemacht hat
Marcel Koller ist seit der misslungenen Europameisterschaft nicht in der Lage zu erkennen, was unser Team bei der letzten EM-Qualifikation stark gemacht hat und flüchtete sich immer öfter in Ausreden wie die mangelnde Form der Spieler. Außerdem beschränkte sich die öffentliche Analyse konsequent auf die Unzulänglichkeiten seiner Mannschaft im Pressing. Fast nie offenbarte Marcel Koller seine Überlegungen im Spielaufbau und die Arbeit bei eigenem Ballbesitz.
In seiner sechsjährigen Ära schaffte Koller nicht nur die Qualifikation für die Europameisterschaft in Frankreich ohne Niederalge und als Gruppensieger, sondern hob das Nationalteam auf ein taktisch hohes Niveau und entwickelte viele Spieler weiter. Zuletzt zeigte die Entwicklungskurve aber klar nach unten. Aus den oben genannten Gründen ist es sowohl für den ÖFB, als auch für Marcel Koller sinnvoll, sich nach der gescheiterten WM-Qualifikation voneinander zu trennen. Das Spiel gegen die Waliser sollte uns jedoch als eine der besseren Leistungen unseres „Wunderwuzzis“ in Erinnerung bleiben.
Über den Autor: Momo Akhondi
Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und arbeitet mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammen.