Rapids Probleme fangen im ersten Drittel an - Teil 2
Immer wieder werden Rapids Probleme im letzten Drittel vermutet, dabei liegt die Ursache ganz wo anders. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi
Ein tödlicher Pass jagt den nächsten
Denn beschließt die Mannschaft von Damir Canadi einmal das Zentrum zu bespielen, tut sie das gleich auf extrem riskante Art und Weise. Sobald die Dreierkette der Rapidler einmal die erste Pressinglinie des Gegners überspielen kann, statt sie nur über den Flügel zu umspielen, wird jeder weitere Ball auf Teufel komm raus steil gespielt. Ein „tödlicher“ Pass jagte den nächsten, stattdessen müssten die Grün-Weißen versuchen, ihren Ballbesitz in den höheren Spielfeldzonen zu sichern. Wenig überraschend und fast schon folgerichtig verliert Rapid immer wieder diese Bälle im Spielaufbau übers Zentrum. Die Zentrums-Angriffe gehen sozusagen fast schon zu schnell.
Nachdem die Rapidler durch einen Alar-Elfmeter ins Hintertreffen gerieten, bekam die Mannschaft von Cheftrainer Canadi noch mehr Ballbesitz zugesprochen – und konnte damit noch weniger anfangen. Die positionellen Rotationen im Mittelfeld wirkten immer planloser, fast schon verzweifelt und öffneten das Zentrum vor der ersten Aufbaulinie endgültig auf und schwächten das grün-weiße Aufbauspiel weiter.
Der Grund dafür war, dass Rapids Sechser Schwab und Auer immer wieder versuchten, sich aus dem Dunstkreis der Grazer Zentrumsspieler (Stürmer und Sechser) zu entfernen. In ihrem Bestreben Raum zu schaffen, ließ sich einer der beiden Rapid-Sechser zurückfallen, während der andere Sechser in die Spitze vorstieß. Meist war es Stephan Auer, welcher den vorstoßenden Lauf machte – Schwab versuchte durch Abkippen dem Druck der Sturm Graz Stürmer zu entgehen. Dabei rissen die beiden Ex-Admiraner aber erhebliche Lücken im Spielfeldzentrum auf (siehe Bild 2). Der umtriebige Schaub versuchte sich immer wieder anspielbar zu machen, fiel dabei aber folgerichtig den sehr schwachen Verbindungen im Spielaufbau zum Opfer.
Nicht immer waren die Staffelungen im Spielaufbau der Rapidler schlecht. Wenn das Zentrum jedoch einmal adäquat besetzt war, waren die Positionen sehr statisch ausgefüllt. Die Grazer mussten ihr klassisches 4-4-2 gegen den Ball kaum anpassen, um die Rapidler in Schach zu halten. Einfache Verschiebebewegungen in der Horizontalen reichten aus.
Eines der Grundprinzipien im Positionsspiel ist es den Gegner zu bewegen und nicht den Ball. Im Positionsspiel ist das primäre Ziel, den Gegner aus der Balance zu bringen und ihn dazu zu zwingen, in Zonen zu verteidigen, in denen er eigentlich nicht verteidigen will. Rapid ermöglichte es dem Gegner hingegen, genau diese Zonen zu kontrollieren, welche er sich im Vorfeld der Partie ausgesucht hatte.
„Flucht nach außen“
Die fast schon logische Konsequenz dieser schwachen Zentrumsbesetzung im Spielaufbau ist die „Flucht nach außen“. Der Raum auf der Außenbahn wird in der Regel vom Gegner freigelassen. Vor allem im ersten und zweiten Drittel ist dieser Raum vernachlässigbar, da der Gegner dadurch sehr weit vom eigenen Tor entfernt ist und aufgrund der Outlinie auch weniger Möglichkeiten hat, sich nach vorne zu kombinieren. Viele Mannschaften nutzen diese strategische Unterlegenheit des Gegners an der Seitenlinie, um ihr Pressing in diese Zonen zu lenken (sogenanntes Seitenlinienpressing).
Rapid visierte immer wieder ohne große Not diese Räume an und verlagerte den initialen Ballvortrag auf die Außenbahn. Über die Außen wurde der Ball dann langsam aber sicher nach vorne gebracht. Spätestens im letzten Drittel musste der Ball dann natürlich wieder vom Flügel ins Zentrum. Doch dadurch, dass im Spielaufbau zuvor ein solch großer Umweg eingebaut wird, brauchen die Rapidler zu lang, um ins letzte Drittel zu kommen. Logische Konsequenz: der Gegner hat sich bereits mit allen Spieler am eigenen Sechzehner verschanzen können.
Womit wir wieder beim Expected Goals Modell angelangt wären: Rapids Gegner können Angriffe durch die Mitte in der Regel sehr einfach neutralisieren. Rapid weicht im Spielaufbau auf die Außen aus und nimmt dadurch einen großen Umweg. Bis man endlich in die Zonen vordringen kann, in denen es für den Gegner brenzlig wird, hat der Gegner sich längst zurückgezogen und gibt keine Räume mehr her. Aus dieser Ausgangslage zu guten Torchancen zu kommen ist erheblich schwieriger, als wenn man den Gegner im Spielaufbau sauber überspielen kann (siehe http://www.impect.com/de/#idea).
Dies wirkt sich also nicht nur auf die wenigen Torchancen aus, sondern auch auf die vielzitierten „falschen Entscheidungen“ im letzten Drittel. Es ist schlichtweg schwieriger, die ideale Lösung zu finden, wenn man sich gegen einen formierten und numerisch stark überlegenen Gegner durchsetzen muss, als wenn man dies gegen eine entblößte Viererkette macht.