Oliver Egger über Homophobie: "Ohne Strafen wird man der Sache nicht Herr werden" [Exklusiv-Interview] (2)
Homophobie bleibt ein Problem in Österreichs Fußball. Kurz vor dem Wiener Derby hat 90minuten.at mit jemandem gesprochen, der das ändern möchte: Oliver Egger von der Ombudsstelle "Fußball für Alle".
90minuten.at: Ich habe auch bei der Wiener Austria nachgefragt, ob sie sich in ihrer Rolle als Gastgeber Pläne haben, wie sie mit homophoben Vorfällen rund um das Derby umgehen wollen. In der Antwort wurde darauf verwiesen, dass entsprechende Projekte "lautstark unterstützt" werden, auch mit den Fans finden Gespräche statt. Kurz gefragt: Reicht das? Man könnte sich als Verein wahrscheinlich noch klarer deklarieren.
Egger: Davor scheuen die Vereine leider zurück, dass sie das ganz konkret benennen und sagen: 'In unserem Stadion hat das nichts verloren'. Es gibt einmal im Jahr eine Aktionswoche - das ist gut so - aber die Arbeit sollte ganzjährig stattfinden. Wir werden die beiden Vereine zum Beispiel fragen, ob ein gemeinsames Statement möglich ist. Ich weiß, dass Konsequenzen und Strafen nicht gerne gesehen sind – bei rassistischen Sprechchören würde der Verein aber schnell belangt werden, bei Homophobie wird abgestuft. Wenn man das nicht auf die gleiche Ebene bekommt, werden es die Leute nicht wirklich kapieren.
UEFA und FIFA könnten Kampagnen organisieren, der ÖFB dann darauf aufbauen. Es gibt aber auch viele kleine Sachen, die man machen könnte: Durchsagen vor dem Spiel, Postings auf Social Media. Beim VfL Wolfsburg wird ganzjährig mit Regenbogen-Kapitänsbinde gespielt. Es ist aber auch innerhalb der Vereine noch ganz viel zu tun. Man könnte zum Beispiel in den Statuten festhalten, dass Homophobie und Transphobie keinen Platz hat. Das müsste man dann aber auch klar benennen. Man positioniert sich gerne gegen jegliche Form von Diskriminierung - in Interviews oder Aussendungen bringt dann aber keiner das Wort Homophobie über die Lippen. Auch das Stadionpersonal müsste geschult werden, das sind die Personen, an die ich mich wenden kann, wenn zwei Reihen vor mir jemand etwas Homophobes schreit. In England wird man dann aus der Menge herausgezogen und kann das Stadion verlassen. Was der Schritt davor sein muss: Zivilcourage. Es sollte Menschen im Stadion geben, die das sofort ansprechen.
90minuten.at: Nach dem Wiener Derby im Mai 2022 hast du auf Facebook geschrieben, dass sich trotz eines Vorfalls weder Austria-, noch Rapid-Verantwortliche bei dir gemeldet haben. Hat sich danach noch etwas getan? Wie gut funktioniert die Kommunikation sonst?
Egger: Es ist eine Art Sisyphus-Arbeit. Es ist schade, dass sich von den Vereinen – außer Sturm und dem FAC – eigentlich niemand meldet und fragt, was man aktiv tun könnte. Das Angebot wird hier nicht genützt. Es wird dieses Jahr wieder ein Gespräch mit der Bundesliga geben, die Frage ist, wie man bei - zum Beispiel - Sprechchören eine Handhabe bekommt und nicht ewig herumfackeln muss, bis Maßnahmen gesetzt werden. Hoffentlich kann zum Start der neuen Saison etwas Handfestes präsentiert werden.
90minuten.at: Das ist aber auch schon länger in Arbeit, oder?
Egger: Ja, durch die Pandemie hat sich alles ein bisschen verschoben. Das Zeitmanagement ist ein Problem, aber wir werden schauen, dass wir alle an einen Tisch bringen. Die Mühlen mahlen im Moment leider langsam.
90minuten.at: Du hast Sturm und den FAC als positive Beispiele genannt, es gibt auch noch den Wiener Sport-Club und die Vienna…
Egger: Der Sport-Club braucht mich gar nicht, das ist ein Selbstläufer. Wenn wir mehrere solche Vereine hätten, könnte ich jetzt auf der Couch liegen - dann wäre mein Job erledigt.
90minuten.at: Was macht ein Verein wie zum Beispiel Sturm Graz derzeit richtig?
Egger: Es liegt an den Verantwortlichen. Wenn das im Verein nicht komplett mitgetragen wird, ist es nur ein Feigenblatt und bring nachhaltig nichts. In der Fanarbeit gibt es den Dominik Neumann, der sehr gute Sachen macht und das sehr breit und divers aufgestellte Kuratorium. Auch die Fanclubs verzichten auf homophoben Sprechchöre. Da bin ich als Verein schon sehr weit, wenn ich mich nicht auch noch mit den eigenen Fans beschäftigen muss. Es braucht Verantwortliche, die vom Thema Bescheid wissen. Ich glaube, in Österreich sind viele bei queeren Themen komplett blank.
90minuten.at Es bleiben damit aber noch einige Vereine übrig - entwickelt sich dort auch etwas weiter, oder steckt das noch in den Kinderschuhen?
Egger: Das steckt wirklich noch in den Kinderschuhen, wir sind weit weg von deutschen oder englischen Vereinen.
90minuten.at: Im Interview mit 90minuten.at hat Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer erklärt, dass Spielunterbrechungen für ihn keine optimale Gegenmaßnahme sind. Repressive Maßnahmen könne man auch im Nachgang setzen, aber das Spiel selbst soll weiterlaufen. Was sollte deiner Meinung nach passieren, wenn wieder einmal ein homophober Sprechchor zu hören ist?
Egger: Idealerweise sollte er gar nicht vorkommen, aber das ist Wunschdenken. Das Unterbrechen ist immer schwierig, aber seitens des Schiedsrichters könnte es im Spielbericht vermerkt werden. Es könnte eine Durchsage vom Stadionsprecher geben, ich wünsche mir auch, dass es live von TV-Moderator:innen erwähnt und klar benannt wird - auch in den Interviews. Oft hört man es im Hintergrund der Übertragung, es läuft dann einfach so mit. Was man auch machen könnte ist, zu Strafen. Man kann den Verantwortlichen sagen: ‘Ihr müsst einen Workshop machen’ und beim nächsten Mal auch eine Geldstrafe fordern. Anders wird man der Sache nicht Herr werden, wenn Vereine nicht selbst etwas tun.
90minuten.at: Die entsprechenden Angebote für Workshops und ähnliches gibt es in Österreich?
Egger: Ja. Marco Schreuder (Anm.: Bundesrat, Die Grünen), die Initiative Fairplay und verschiedene Vereine in den Bundesländern bieten Workshops an. Das könnte man als Idee für die komplette Geschäftsstelle machen - sich einmal bei queeren Themen auf den neuesten Stand bringen.
90minuten.at: In einem anderen Interview hast du einmal erwähnt, dass dir die Bundesliga eine Auflistung aller Vorfälle schickt. Auf Nachfrage wusste die Liga dann aber nichts davon. Gibt es diese Listen bzw. sollte es sie geben?
Egger: Wir sind da wahrscheinlich auf dem gleichen Stand. Uns wurde versprochen, dass diese Vorfälle aufgeschrieben werden - seitdem ist an uns aber nichts mehr herangetragen worden.