Spitzen-Schiedsrichter aus Österreich: „Diese Zeiten sind vorbei“ [Interview] (2)
In der öffentlichen Wahrnehmung steht das Schiedsrichterwesen in Österreich nicht gut da. Im 90minuten.at-Exklusiv-Interview nimmt Schiriboss Robert Sedlacek ausführlich dazu Stellung.
Es ginge bei Profischiedsrichtern um unglaublich viele Dinge. Das beginnt bei steuerlichen Themen, da geht es um Arbeitsrecht, da geht es darum, dass ein Profi eine Absicherung braucht, wenn er verletzt oder krank ist und nicht pfeifen kann. Da geht es alles in allem nicht um ein bisschen mehr Geld, sondern um sehr viel mehr Geld.
Für die „Elite“-Kategorie haben wir momentan eben niemanden, obwohl einige knapp dran waren. Das ist so. Aber wie gesagt, wir sind kein Mutterland des Fußballs.
90minuten: Wie machen das Verbände, die Profischiedsrichter haben?
Sedlacek: Die Schiedsrichter sind Angestellte des Verbandes und das kostet sofort einmal pro Mann das Doppelte. Es gibt auch Länder wie Portugal, wo es eine Mischform gibt. Wer will, kann Profi werden, es pfeifen aber auch Leute, die Amateure sein wollen und hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nachgehen.
90minuten.at: Jetzt muss ich aber noch einmal nachhaken. Der ÖFB ist jetzt weder der kleinste noch der ärmste Verband des Landes. Man ist mittlerweile bereit, relativ stattliche Summen in Nationalteam und Profisport zu investieren. Wäre die Professionalisierung des Schiedsrichterwesens nicht nur ein Bruchteil dieser ganzen Summen?
Sedlacek: Das stimmt so nicht ganz. Es wäre ein Bruchteil der gesamten anderen Summen. Aber nicht ein Bruchteil der einzelnen Summen, die der Verband für unterschiedliche Bereiche aufwendet. Und die Bereitschaft, etwa für die Nationalmannschaft viel Geld aufzuwenden, ist bedeutend größer. Im Präsidium ist die Mehrheitsmeinung derzeit: Professionalisierung des Schiedsrichterwesens ja, aber innerhalb des aktuellen Amateurstatus.
90minuten.at: Sie sind im Präsidium, ist das auch Ihre Meinung?
Sedlacek: Ich kann aus dem Schiedsrichterwesen sagen, dass das aktuell auch der mehrheitliche Wunsch der Schiedsrichter selbst ist. Wir würden nicht genügend Schiedsrichter zusammenbringen, die überhaupt Profi werden wollen. Ein Schiedsrichter, der Profi wird, muss entweder die Möglichkeit haben, nach der Karriere in seinen alten Job zurückkehren zu können oder der Verband muss ihn weiterbeschäftigen. Das können große Verbände in Europa, wir können das nicht.
90minuten.at: Gut, Profischiedsrichter in Österreich sind offensichtlich in naher Zukunft kein Thema. Was kann man tun, um die Situation in den aktuellen Rahmenbedingungen zu verbessern?
Sedlacek: Wir haben im internationalen Vergleich keine schlechten Schiedsrichter, wir hören das auch immer wieder. Wie zum Beispiel jetzt gerade, wenn wir nach Griechenland eingeladen werden, um dort zu pfeifen, wo es ein bisschen rumort. Für die „Elite“-Kategorie haben wir momentan eben niemanden, obwohl einige knapp dran waren. Das ist so. Aber wie gesagt, wir sind kein Mutterland des Fußballs.
90minuten.at: Sie haben die Griechenland-Einladung angesprochen. Es gab dazu Medienberichte, Julian Weinberger und Harald Lechner wären für die Leitung des brisanten Derbys AEK gegen Panathinaikos eingeladen worden, Sie hätte das aber zunächst gar nicht beantwortet und dann aus Kapazitätsgründen abgelehnt.
Sedlacek: Beide Schiedsrichter wurden relativ knapp angefragt. Der eine hatte zu diesem Termin schon ein Europa League-Spiel fixiert. Und wir haben in Österreich derzeit eine Menge Spiele zu besetzen. Wir hatten also tatsächlich keine Kapazitäten an diesem Wochenende. Wir haben den griechischen Verband wissen lassen, wir besetzen gerne dort Spiele, wir müssten es nur zumindest zehn Tage im Voraus wissen. Inzwischen wurde bereits ein neuer Termin gefunden, wir schicken ein ganzes Team inklusive VAR zu einem Spiel in Griechenland.
90minuten.at: Es gibt immer wieder Kritik, dass es bei den Schiri-Kursen in Österreich wenig internationale Referenten gäbe und die Vernetzung fehle. Was sagen Sie dazu?
Sedlacek: Wir sind vernetzt. Nur haben wir seit Jahren die Problematik, dass die Schiedsrichter uns sagen: Wir haben auch noch eine Familie, der Urlaub ist schon aufgebraucht und es gibt andere Verpflichtungen. Was ergibt sich daraus? Wir müssen die Kurse und andere Termine wie Fitnesstests an den Bedürfnissen der Betroffenen ausrichten. Aktuelles Beispiel: Wir führen drei Fitnesstests durch, regional aufgegliedert in West, Mitte und Ost, jeweils am Nachmittag an drei aufeinanderfolgenden Tagen.
90minuten: Also nach der Arbeit?
Sedlacek: Genauso ist es. Und so ist es bei vielen anderen Themen auch. Es ist deshalb schwer, internationale Leute unter diesen Bedingungen zu holen. Wir haben bei den Frauen Bibiana Steinhaus vor kurzem zu Gast gehabt, die Managerin im englischen Verband für die Frauenprofiliga ist. Ein zweitägiges Seminar, das sehr gut angenommen wurde. Für den heurigen Winterkurs planen wir ebenfalls mit internationalen Gästen. Solche Leute regelmäßig zu bekommen, ist allerdings nicht so leicht, wie sich das viele vorstellen. Corona hat das alles in den letzten zwei Jahren noch zusätzlich erschwert.
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