Christian Ebenbauer: "Nur zwölf Frauenteams sind zu wenig" [Exklusiv-Interview] (2)
Das Fußballjahr 2022 war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches. 90minuten.at bat Bundesliga-Vorstandsvorsitzenden Christian Ebenbauer zum Interview über die wichtigsten Themen, egal ob erfreulich oder nicht.
Wir haben einerseits eine interne Gerichtsbarkeit, sind die Mutter, die auch auf die Finger klopft – andererseits sind wir Dienstleister und wollen die Marke nach vorne bringen.
90minuten.at: Kommen wir zu einem Kernthema der Liga: Das Jahr endet oftmals mit der Veröffentlichung der Finanzkennzahlen. Wie sehr sorgt die Bundesliga die Situation rund um Austria Wien?
Ebenbauer: (denkt nach) Ich persönlich hoffe, dass die Austria die Lizenzanforderungen erfüllt, und zwar schneller als letztes Jahr bzw. mit weniger Aufregung. Die Beobachtung durch den Senat 5 ist stetig gegeben, egal ob es die Kennzahlen oder sonstige Informationen sind. Ich bin auf dieser Grundlage relativ entspannt. Als Bundesliga-Geschäftsstelle würde man sich aber natürlich wünschen, dass es bei keinem Klub negatives Eigenkapital da ist, egal wie hoch. Aber die Hausaufgaben liegen beim Klub.
90minuten.at: Viele sehen drei Punkte Abzug, die mit dem Schuldenstand aber nichts zu tun haben, aber fragen sich dann schon, was da los ist. Muss man die Lizenzierung anders erklären oder damit leben, dass nicht jeder Mensch sich in Grundsätzen des Finanzgebarens einer AG auskennt?
Ebenbauer: Unsere Möglichkeiten, was wir kommunizieren dürfen, sind relativ beschränkt. Die Klubs können viel mehr ins Detail gehen und Themen richtigstellen. Natürlich ist es schlecht, wenn der Punkteabzug wegen Fristverzug beim Jahresabschluss mit den Schulden vermengt wird bzw. das in der Öffentlichkeit so wahr genommen wird. Wir haben versucht, das klar zu kommunizieren. Ich habe immer auf den Blau-Weiß Linz-Fall hingewiesen, dass es um Verspätung geht, nicht um den Inhalt. Aber ja, mehr Klarheit wäre von Vorteil.
90minuten.at: Auch die andere violette Austria schreibt ein Minus – so lange aber irgendwer die Rechnungen zahlt, ist das Minus egal?
Ebenbauer: Was ist die Lizenzierung? Es ist ein Prozess, der helfen soll, dass ein Klub für eine Saison nachweist, die Voraussetzungen, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich, etc. zu erfüllen. Der Zeitraum ist eine Saison und das in allen Belangen. Wenn man sich Klagenfurt ansieht, gibt es definitiv dahinterstehende Sicherheiten und Garantien. Sonst wäre es problematisch, aber das muss der Klub kommunizieren. Es muss hinsichtlich der wirtschaftlichen Kriterien abgesichert sein, von Budget über Wirtschaftsprüfung bis zur Forstbestandsprognose. Wir haben einerseits eine interne Gerichtsbarkeit, sind die Mutter, die auch auf die Finger klopft – andererseits sind wir Dienstleister und wollen die Marke nach vorne bringen. Wir haben in beiden Belangen das Interesse, dass nachhaltig gewirtschaftet wird. Das sind zwei Aufgaben, die oftmals schwierig miteinander kombinierbar sind. Mir wäre am liebsten, alle würden positiv bilanzieren und wir freuen uns, kommunizieren zu können: „Wir sind Top 10 in der UEFA-Fünfjahreswertung und die Marke Bundesliga ist geil.“ Das geht eben nicht immer.
90minuten.at: Auffällig ist, dass außer Admira, Vienna und Liefering alle 2. Liga-Klubs rote Zahlen schreiben. Sechs davon sechsstellig, Kapfenberg in der Nähe der Million. Muss man das Geschäftsmodell 2. Liga überdenken?
Ebenbauer: Im Detail lässt sich vieles erklären. Allerdings ist es im Großen und Ganzen nicht erfreulich. Wir reden ja schon lange über die 2. Liga, sie ist eben der Flaschenhals. Die Begründung für die 16er-Liga war, dass wir die Lizenzanforderung auf Zulassungsbestimmungen runterfahren und nur 30 Runden stattfinden. So kann etwa auch mit Amateuren gespielt werden und nicht gezwungenermaßen mit einem Profibetrieb, der bei den Lizenzvoraussetzungen unter 2,5 Millionen Euro kaum finanzierbar war. Mit den Zulassungskriterien wurden Voraussetzungen geschaffen, dass man weit darunter budgetieren kann. In den letzten Jahren ist der sportliche Wettbewerb gestiegen und die Entwicklung geht wieder in Richtung Ausgliederung und Vollprofibetrieb. Der größte Posten ist und bleibt der Personalaufwand. Das ist die Stellschraube.. Umgekehrt kommt es derzeit auch vermehrt dazu, dass die Klubs ab einer gewissen Größe von den Finanzbehörden aufgefordert werden, auf jeden Fall auszugliedern. Es ist ein Entwicklungsprozess, der derzeit die falsche Kurve nimmt. Es hat sich der Personalaufwand gegenüber den letzten Jahre erhöht.
90minuten.at: Braucht es noch mehr Solidarität in Form von Zahlungen durch die Bundesliga? Immerhin profitieren aktuell drei, mit Liefering vier, Bundesligaklubs von einer möglichst starken 2. Liga.
Ebenbauer: Die Bundesliga hat mit dieser Saison den Bewerbszuschuss an die 2. Liga um 600.000 Eruo auf 3,4 Millionen jährlich erhöht. Dazu kommen rund eine halbe Million Euro mehr als bisher durch den gemeinsamen Verkauf von Betting-Data-Rechten. Insgesamt bekommt die 2. Liga also rund 1,1 Millionen Euro mehr als in der vergangenen Saison. Durch neue Regelungen (Anm.: Verringerung der Zuwendungen für Klubs mit vielen Kooperationsspielern) bleibt für den durchschnittlichen Zweitligaklub noch einmal mehr übrig. Natürlich geht immer mehr. Aber man darf nicht vergessen, dass die Budgetunterschiede in der Bundesliga auch schon groß sind. Das können wir über die Zentralvermarktung nicht annähernd ausgleichen, auch wenn sich diese sehr gut entwickelt. Im Gesamtverhältnis leisten die Bundesligaklubs sehr viel.
90minuten.at: In den letzten Jahren kam wenig von den Regionalligen rauf, aus verschiedenen Gründen. Es wurde auch angedacht, unter Bundesliga-Mitarbeit die dritte Leistungsstufe zu reformieren. Wie ist der Stand in der Sache?
Ebenbauer: Die letzten wesentlichen Gespräche waren vor der Ligareform, als wir gesagt haben, dass zwei Ab- bzw. Aufsteiger aus bzw. in einer Zehnerliga nicht funktionieren. Es gab keine Zustimmung seitens der Landesverbände zu unserem Anliegen, also wurde reformiert. Alles, was seitdem passierte, ist, dass wir gerne den Aufbau der österreichischen Fußballpyramide unterstützen. Da geht es aber nicht nur um die Aufstiegsthematik zwischen zweiter und dritter Leistungsstufe, die haben wir in den unteren Spielklassen ja auch. Mir ist lieber, ein Klub sagt, dass es sich nicht ausgeht bzw. langfristig keinen Sinn macht aufzusteigen als einer, der auf jeden Fall aufsteigen will, es sich aber vor allem langfristig finanziell nicht ausgeht. Früher wurden oft die Distanzen in der 2. Liga kritisiert, wir haben das durchgerechnet und mittlerweile überwiegen die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der zweiten Leistungsstufe, weswegen meines Erachtens auch mehr Klubs rauf wollen. Es gab im Sommer vom oberösterreichischen Verband einen Vorschlag (Anm.: Oberösterreich wollte laut Krone die RLM auflösen und mit Salzburg eine vierte Regionalliga eröffnen), aber diskutiert wurde das bis jetzt nicht. Wir sind für vieles offen, inhaltlich betrifft es uns vor allem bei Auf- und Abstieg – aber spruchreif ist derzeit nichts.