[Interview] Ortlechner und Barisic: "Wir fischen im selben Teich" (3)
Am Sonntag ist wieder Wiener Derby und im Vorfeld hat 90minuten.at es geschafft, beide Sportdirektoren an einen Tisch zu bekommen. Am Ufer der Donau gaben Manuel Ortlechner und sein Gegenüber Zoran Barisic Auskunft und Einblick in die aktuellen und zukünftigen Welten in violett und grün.
Wir gehen jetzt diesen Weg mit den jungen Leuten, aber wenn du nicht erfolgreich bist, kriegst du eine auf den Zylinder und wirst nur kritisiert von allen Richtungen. Wir haben uns entschieden das zu machen, aber glaubt mir, dieser Weg ist sehr steinig. Der tut weh
Die Fans schimpfen, wieso habt ihr den nicht verlängert, du streckst dich eh schon in alle Richtungen, irgendwann ist aber ein Schlussstrich zu ziehen. Du hast einen Kuchen, von dem du Stücke aufteilen kannst. Du kannst ein Riesenstück für einen opfern, aber der Kuchen insgesamt wird nicht größer.
90minuten.at: Wir kehren zu sportlichen Themen zurück. Ein Diskussionsthema der letzten Wochen in der Liga war die Punkteteilung nach 22 Runden. Wie beurteilt ihr nach ein paar Saisonen Praxis das neue Format?
Barisic: Ich war immer dagegen. Wenn wir uns als Ausbildungsland sehen, was wir sollten, dann ist dieses Ligaformat nicht gut. Es geht unten nur um Existenzen und oben ist die erwartete erhöhte Spannung nicht wirklich eingetreten. Es geht nur darum, dass sich die hinter Red Bull um die Europacupplätze raufen. Dazu kommt die Frage, wie mutig ist ein Verein unter diesen Umständen noch, junge Spieler einzusetzen und auszubilden? Wen lässt du spielen, wenn du verantwortlich bist? Arrivierte Spieler oder einen Jungen? Es geht um deinen Kopf. Außerdem: Wie schön ist der Fußball anzusehen? Katastrophal für mich. Nur Spiel gegen den Ball. Pressing, Gegenpressing, umschalten. Attraktive Fußballspiele sind sehr überschaubar. Wieder das gleiche: wie lässt du als Trainer spielen, wenn es um deinen Job geht? Attraktiv nach vorne oder gut verteidigen und umschalten? Ich weiß nicht, wo diese Entwicklung hinführt. Ich war dagegen, ich bin immer noch dagegen. Diese Beurteilung zielt auf die sportliche Entwicklung, für die Vermarktung und Spannung bei den Fans hat das Format aber auch Vorteile gebracht.
90minuten.at: Aber ist es nur eine Frage des Ligaformats, wie Vereine sich verhalten, welche Spielweise angewendet wird und ob junge Leute eine Chance bekommen? Oder geht es da nicht auch um eine grundsätzliche Positionierung eines jeden Klubs?
Barisic: Wir gehen jetzt diesen Weg mit den jungen Leuten, aber wenn du nicht erfolgreich bist, kriegst du eine auf den Zylinder und wirst nur kritisiert von allen Richtungen. Wir haben uns entschieden das zu machen, aber glaubt mir, dieser Weg ist sehr steinig. Der tut weh.
90minuten.at: Aber ihr würdet den Weg weitergehen, wenn ihr in der unteren Tabellenhälfte gelandet wärt?
Barisic: Ja, genau. Wir wären ihn gegangen. Aber dann vielleicht auch im Abstiegsstrudel gelandet. Dann kommt vielleicht ein Corona-Cluster. Viele Ausfälle. Du verlierst. Dann verlierst du das nächste. Die Spieler werden nicht gesund, es müssen andere spielen. Und dann fangen die Füßchen an zu zittern. Das soll mir einer erklären, was da so spannend ist.
90minuten.at: Die Mehrheit der Klubs präferiert aber offenbar dieses Format. Wie sieht man das bei der Austria?
Ortlechner: Ich war damals noch nicht dabei, als es beschlossen wurde. Ich war insofern im Thema, weil ich bei Sky gearbeitet habe und dazu gefragt wurde. Ich habe das größere Problem mit der Punkteteilung. Du sammelst etwas, was später nur mehr die Hälfte wert ist.
90minuten.at: Nächstes Streitthema ist der Videoschiedsrichter. Was kann man dazu sagen? Hat er den Fußball fairer gemacht?
Barisic: Der sollte für mehr Gerechtigkeit sorgen. Momentan schaut einiges aber nicht sehr glücklich aus, was die Entscheidungsfindungen betrifft. Ich nehme jetzt nur das Beispiel des Elfmeters gegen uns im Spiel gegen Sturm. Der Schiedsrichter lässt weiterspielen und bekommt aber die Information, er soll sich das anschauen. Vorher war ein Eckball für Rapid, wo Robert Ljubicic gefoult wurde, wo man genauso einen Elfmeter geben hätte können. Da kam nichts vom VAR. Bei WAC gegen Austria Klagenfurt wird ein Tor gegeben, das niemals zu geben war. Wie das nach einem intensiven Videostudium möglich ist, das muss mir jemand erklären.
Ortlechner: Ich glaube, wir erleben gerade das, was auch die anderen Ligen in Jahr eins mit dem Videoschiedsrichter erlebt haben. Spannend wird es ab der nächsten Saison. Vor allem müssen die Entscheidungen schneller werden. Momentan entsteht sehr viel Unruhe, weil es so lange dauert. Man tut den Schiedsrichtern mit der Art der Entscheidungsfindung auch keinen gefallen. Wenn sie vor dem Bildschirm stehen müssen und von der Tribüne geschimpft werden.
Barisic: Weniger wäre mehr, aus meiner Sicht. Weniger einmischen, mehr laufen lassen.
90minuten.at: Die Saison neigt sich dem Ende zu. Die nächste Transferperiode steht an. Was ist bei den Wiener Klubs in diesen Wochen und Monaten zu erwarten?
Barisic: Wir haben in allen Mannschaftsteilen Bedarf. Bei Rapid wird es einen großen Umbruch geben. Es wird einige Spieler geben, mit denen wir nicht verlängern werden, es gibt einige, wo wir es wollen, aber nicht wissen ob wir es schaffen und es gibt Leute, die wir holen werden. Nicht zuletzt gibt es begehrte Spieler, die wir gerne hätten aber nicht wissen, ob wir sie verpflichten können. Man sieht, es gibt sehr viele Fragezeichen. Aber wir haben gewissenhaft und seriös gewirtschaftet und haben einen gewissen Rahmen, in dem wir uns bewegen können.
Ortlechner: Bei uns ist es ähnlich. Sehr viele Fragezeichen. Man darf nicht vergessen, dass gerade erst eine Entscheidung gefallen ist, die eine Riesenauswirkung auf die Planung hat. Bis zur Lizenzerteilung waren quasi alle Gespräche on hold. Ein Spieler wartet natürlich auf diese Entscheidung, bevor er unterschreibt oder überhaupt darüber redet. Bei uns beenden zudem routinierte Spieler ihre Karriere. Wir wollen zwar jung bleiben, aber den einen oder anderen, der einen professionellen Lifestyle vorleben kann, müssen wir dazu holen. Dazu sind wir gerade in Gesprächen. Verlängerungen planen wir einige, aber da ist wie bei Rapid da oder dort der Ausgang offen.
Barisic: Ist das Kuchenstück für Zlatko Junuzovic so groß?
Ortlechner: Der hat schon so viel Kuchen gegessen.
Barisic: Sag ihm, er braucht nur mehr die Sahne.
90minuten.at: Wir wollten eigentlich nicht nach konkreten Namen fragen. Aber wenn es schon aufkommt: Gibt es Gespräche mit Junuzovic?
Ortlechner: Nein, das kam gerade von meinem Kollegen hier. Ich habe gestern zufällig auch mit Michael Liendl geredet. Das ist nichts Verwerfliches, sich ab und zu mit alten Weggefährten zu unterhalten.
90minuten.at: Kommt darauf an, über was.
Ortlechner: Richtig. Das ist der Punkt. Wir kennen uns eine Ewigkeit. Wir passen aber bei solchen Gesprächen sehr auf, dass uns niemand zusammenstehen sieht, weil sonst sofort alle möglichen Spekulationen entstehen. Aber konkret: Junuzovic hat natürlich viele Optionen für sein Leben, genauso wie Michael Liendl, wo ich überhaupt sagen muss: es ist unfassbar wie der noch Fußball spielt. Ich schaue ihm so gern zu. Beide Spieler müssen sich aber jetzt zunächst einmal entscheiden, ob sie die Karriere überhaupt noch fortsetzen wollen.
Barisic: Ich sag euch, die holen beide.
Ortlechner: Ich habe Junuzovic damals spaßhalber geschrieben, er solle doch zu uns kommen. Er hat dann tatsächlich nicht ablehnend reagiert. Aber es hängen so viele Faktoren dran. Er hat Familie, zwei Kinder, er muss sich überlegen, wo er nach der Karriere leben will und so weiter. Fakt ist: Bis jetzt hat es nicht einmal ein Erstgespräch gegeben.
90minuten.at: Aber Zlatko Junuzovic wäre genau so eine Routine, über die wir vorher gesprochen haben.
Ortlechner: Ja, weil das wäre kein Spieler, der sagt: Ich lasse jetzt meine Karriere gemütlich ausklingen. Der würde performen, der spielt so gerne Fußball. Das gilt für Liendl gleichermaßen. Das sind Spieler, die gewisse Dinge vorleben, die brauchst du zu den Kids dazu.