[Interview] Ortlechner und Barisic: "Wir fischen im selben Teich" (2)
Am Sonntag ist wieder Wiener Derby und im Vorfeld hat 90minuten.at es geschafft, beide Sportdirektoren an einen Tisch zu bekommen. Am Ufer der Donau gaben Manuel Ortlechner und sein Gegenüber Zoran Barisic Auskunft und Einblick in die aktuellen und zukünftigen Welten in violett und grün.
Seit wir in der Akademie wirklich eine Perspektive bieten, spüre ich schon einen gewissen Trend bei den Kindern, sie nicht immer aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen. Es folgt nicht mehr jeder dem Ruf in die großen Ligen, etwa nach Hoffenheim oder Stuttgart, die in Österreich immer sehr aktiv sind.
Wenn mir in diesem Fall jemand was von der sportlichen Weiterentwicklung erzählt, ok, bitte schön. Das lasse ich jetzt einfach einmal so stehen. Fakt ist: Greiml hat vor seiner Verletzung ein lukratives Vertragsangebot von uns bekommen, als einer der ersten, mitten in einer Pandemie.
90minuten.at: Thema Nachwuchs: Ihr habt es beide vorher angesprochen: Rapid und Austria fischen im selben Teich, wenn es um die Talente geht. Wenn ihr eure jeweiligen Nachwuchsstrategien beschreibt, wie sehen die aus? Wie überzeugt ihr junge Kicker zu euch zu kommen? Und auch hier: wie positioniert man sich gegen das übermächtige Red Bull?
Barisic: Wir können ein Lied davon singen. Aus der U14 sind uns gerade zwei Spieler von Red Bull herausgefischt worden. Aber beide Vereine, Rapid und Austria, können dokumentieren, dass es einen Durchfluss aus dem Nachwuchs in die erste Mannschaft gibt. Viele junge Spieler bekommen Einsatzzeit und die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln. Ich glaube, das ist die beste Werbung für die Nachwuchsarbeit eines Vereins. Ich bin jetzt nicht sicher, wie viele Nachwuchsspieler aus der Red Bull-Akademie es dann tatsächlich schaffen, in der Bundesliga zu spielen. Ich glaube aber jedenfalls, nicht so viele wie bei uns oder der Austria.
Ortlechner: Seit wir in der Akademie wirklich eine Perspektive bieten, spüre ich schon einen gewissen Trend bei den Kindern, sie nicht immer aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen. Es folgt nicht mehr jeder dem Ruf in die großen Ligen, etwa nach Hoffenheim oder Stuttgart, die in Österreich immer sehr aktiv sind. Und die Eltern und die Berater sehen auch die Statistiken: Wie viele schaffen es am Ende zum Beispiel bei Red Bull denn wirklich in einen Champions League-Kader? Die haben die besten Talente nicht nur aus Österreich, sondern mittlerweile aus Resteuropa und darüber hinaus. Da bleiben nur ganz wenige Österreicher übrig. Aber wenn Red Bull einen unbedingt haben will, die Familie durchs Trainingszentrum geführt wird, dann ist es für uns schon schwer.
90minuten.at: Bleibt Rapid und Austria genug übrig, um die angesprochene Durchgängigkeit weiterhin gewährleisten zu können?
Barisic: In den letzten Jahren sind einige Nachwuchsspieler zu einem deutschen Bundesligisten gewechselt, die teilweise nicht einmal eine zweite Mannschaft haben. Die werden jetzt uns angeboten, sie wollen wieder zurückkommen. Die Denkweise dieser Spieler und ihrer Eltern oder Berater ist: Wenn ich es in Deutschland nicht schaffe, nach Österreich kann ich immer zurückkommen. Da sind sie bei mir aber am Holzweg. Das ist nicht der richtige Weg für einen jungen Spieler. Wenn sie es bei Austria oder Rapid nicht schaffen, schaffen sie es ohnehin nicht in eine Top-Liga.
90minuten.at: Ist das eine Nebenerscheinung der aktuellen Medienwelt? Überall sind die großen Ligen zu sehen. Die 13-15-Jährigen wollen dann nur noch dorthin.
Ortlechner: Natürlich werden die ein wenig geblendet. Die großen Klubs, die Logos und die Wappen, das macht Eindruck. Aber bevor einer in Italien in der Primavera spielt, ist es für ihn besser, er kickt auf dem guten Niveau in der zweiten Liga in Österreich. Mit 18 oder 19 ist es besser, wenn er sich als Stürmer zum Beispiel in Amstetten gegen einen Marco Stark beweisen muss. Das bringt den Jungs viel mehr, als in der Primavera gegen Gleichaltrige zu spielen. Ich spüre, wie gesagt, das kommt langsam bei einigen an. Und wenn einer partout nicht bleiben will, das gilt auch für die erste Mannschaft, dann will ich ihn auch nicht mit ein paar Euro mehr überreden. Dann ist er nicht der richtige für den Verein und unseren Weg. Musterbeispiele sind wichtig. Je länger die Durchgängigkeitsliste ist, die wir vorweisen können, desto leichter können wir die Talente überzeugen, zu bleiben – unabhängig vom Geld.
90minuten.at: Ist Nachwuchsausbildung, Entwicklung und späterer Weiterverkauf Teil der Budgetstrategie?
Barisic: Bei uns ist das definitiv eines der Geschäftsfelder, von denen wir leben.
Ortlechner: Es gibt im Prinzip bei uns nur zwei Hebel, wie wir wirklich extra Geld lukrieren können. Eine Gruppenphase in einem europäischen Bewerb oder Transfers.
Barisic: Ich möchte bei Rapid von drei Geschäftsfeldern reden. Neben den erwähnten beiden und den Sponsoren, kommen noch Ticketing, Merchandising, Mitgliederbeiträge und Hospitality dazu, das bringt uns sehr viel Geld.
90minuten.at: Wie weh tut dann ein Abgang wie Leo Greiml, wo der Vertrag einfach ausläuft und man nichts mehr bekommt?
Barisic: Natürlich tut das weh. Man kann immer Dinge anders machen und mich für alles Mögliche kritisieren. Aber ich denke nicht, dass der Fehler hier bei uns gelegen ist. Wenn mir in diesem Fall jemand was von der sportlichen Weiterentwicklung erzählt, ok, bitte schön. Das lasse ich jetzt einfach einmal so stehen. Fakt ist: Greiml hat vor seiner Verletzung ein lukratives Vertragsangebot von uns bekommen, als einer der ersten, mitten in einer Pandemie. Dann kam die Verletzung, ich habe ihn im Krankenhaus angerufen, habe betont, wie stehen zu ihm, er bekommt alle Zeit für das Comeback und das Angebot bleibt aufrecht. Wir haben sogar noch einmal nachgebessert. Er hat sich trotzdem gegen uns entschieden. Ist so. Das ist zu akzeptieren. Weh tut in so einem Fall aber nicht nur das Geld, es schmerzt auch menschlich. Greiml war eine Identifikationsfigur für unsere Fans. Das alles ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Die Fluktuation wird in allen Bereichen immer größer.
Ortlechner: Irgendwann sind die Argumente von Klubs enden wollend. Die Fans schimpfen, wieso habt ihr den nicht verlängert, du streckst dich eh schon in alle Richtungen, irgendwann ist aber ein Schlussstrich zu ziehen. Du hast einen Kuchen, von dem du Stücke aufteilen kannst. Du kannst ein Riesenstück für einen opfern, aber der Kuchen insgesamt wird nicht größer.
90minuten.at: Kommen wir zur bereits angekündigten Fanthematik. Beim letzten Wiener Derby zum Beispiel waren wieder vielfach Hassbotschaften sehen…
Barisic: ... sind wir beide dagegen.
90minuten.at: Gut. Es besteht also der Wunsch nach einer wertschätzenderen Rivalität. Wie kann man das erreichen?
Ortlechner: Mir wäre am liebsten, der Support würde sich ausschließlich auf die eigene Mannschaft konzentrieren.
Barisic: Ja, aber welcher Klub schafft denn das? Sportclub? Wer noch? Klar wäre mir lieber, es würde sich auch unser Block auf Rapid konzentrieren. Ich würde auch gern durch die Austriafans zu meinem Auto gehen können und normal vom Parkplatz wegfahren. Kann ich leider nicht. Ist nicht leiwand.
90minuten.at: Also unlösbares Problem, wie es aussieht.
Barisic: Für mich ist wichtig, dass das Fußballstadion kein rechtsfreier Raum ist. Man muss sich im Rahmen benehmen. Bei aller Emotion, die dabei ist. Ich kann nicht auf der Straße ein Feuerzeug auf Passanten werfen. Im Stadion genauso nicht.
Ortlechner: Es gibt eine Hausordnung. Hüben wie drüben.
90minuten.at: Wie soll man mit einer Gruppierung wie „Unsterblich“ umgehen, die der Austria schon so lange Probleme bereitet?
Ortlechner: Wir haben Möglichkeiten, wenn sie zu uns kommen. Wenn sie aber zum Nachbarn gehen, dann sind wir auf die enge Zusammenarbeit mit allen anderen Beteiligten angewiesen. Wir hatten das letztens bei der Admira und mussten viel Kritik einstecken. Wir brauchen einen Schulterschluss mit dem Bundesministerium für Inneres, der Exekutive, der Bundesliga und allen Vereinen. Wir können dieses gesellschaftliche Problem nur gemeinsam in den Griff bekommen. Für die erwähnten Leute in der Südstadt wurden bereits bundesweite Stadionverbote beantragt.
Barisic: Das erste und wichtigste, was du als Klub tun musst, ist sich von Rechtsextremismus zu distanzieren. Das hat die Austria getan, das tun wir natürlich auch. Recht viel mehr, als diese Leute vom eigenen Stadion fernzuhalten, kann der Verein nicht tun. Und je mehr Fans wo hinkommen, desto größer ist die Chance, dass ein paar Dodln dabei sind.
90minuten.at: Speziell in Richtung Rapid gefragt. Der Einfluss der Fans ist recht groß. Ist er zu groß?
Barisic: Wo nehmen die Einfluss? Ins Tagesgeschäft? Vereinspolitisch? Gibt es da ein Beispiel?
90minuten.at: Das heißt, dass die Ultras Rapid Einfluss auf die Geschäftsstelle haben, ist eine aufgebauschte Geschichte der Medien?
Barisic: Sie haben definitiv keinen Einfluss auf die Geschäftsstelle. Das wäre mir ganz neu. Damit kann ich überhaupt nichts anfangen.