Günter Kreissl: “Die ersten Wochen war viel Schmerz da” (2)

Viele Wochen war es still um Günter Kreissl. Wider erwarten ist er nicht zu Sturm zurückgekehrt und hat seine Pause unfreiwillig verlängert. Jetzt ist er wieder bereit für neue Aufgaben und erzählt, wie der Abschied von Sturm für ihn war.

1994 war ich als Profi das erste Mal in Graz und habe bis ich 2016 zu Sturm gekommen bin, mich immer wieder als Gast dafür begeistert, was für eine Stimmung in Graz ist. Das war auch einer der Haupttreiber für mich, zu sagen, diese Chance will ich unbedingt nützen und das will ich machen. Sturm hat einen sehr rauen Charme, aber mit einer unglaublichen Energie dahinter.

Günter Kreissl

90minuten.at: Aus Ihrer Sicht war das also nicht unbedingt ein Abschied, der sein hätte müssen?

Kreissl: Ich war bereit, ich war gut erholt. Man muss schon ehrlich sein. Die ersten Wochen im Frühsommer war viel Schmerz da. Weil ich für diesen Verein immer das Optimum erreichen wollte und ich weiß, dass die letzten beiden Jahre weit vom Optimum entfernt waren. Das hat weh getan. Der Start war wunderschön und ich war wild entschlossen, wieder auf dieses Level mit Sturm zu kommen. 

 

90minuten.at: Ist der Schmerz eher darin begründet, dass es zu Ende ging, oder, dass es keine Chance mehr gibt, wieder mit Sturm Erfolge zu feiern?

Kreissl: Für mich wäre es natürlich besser, die Jahre in Graz wären umgedreht. Für das “Wie” beim Verlassen eines Klubs wäre es schöner gewesen, mit einem Cupsieg aufzuhören. Aber es ist wie es ist. Ich bin Sturm emotional sehr verbunden und ich verfolge den Klub immer noch intensiv. Sturm ist mir einfach sehr ans Herz gewachsen und ich schaue nahezu jedes Spiel. Kontakt nach Graz zu handelnden Personen habe ich allerdings kaum. Ich suche keine Nähe, ich freue mich aber mit. Sturm ist einfach ein ganz spezieller und außergewöhnlicher Verein.

 

90minuten.at: Ist es enttäuschend, wie wenig Wertschätzung, medial und vom Umfeld, am Ende Ihrer Zeit in Graz nur noch übrig war?

Kreissl: Bei einem Klub wie Sturm, der für österreichische Verhältnisse ein sehr großer Klub hinsichtlich des medialen Interesses ist, liegt das ein wenig in der Natur der Sache. Da sind einfach viele da, die ihre Meinung dazu abgeben. Sehr lange ist es gut gegangen, am Ende hat es mir Energie entzogen. Ich habe deswegen aufgehört Artikel dazu zu lesen. Soziale Medien sowieso. Ich weiß also wenig, was in der Nachbetrachtung darüber geschrieben wurde. Das, was ich weiß, weiß ich nur vom Hörensagen. Das war ein Selbstschutz. Was einem ans Herz gewachsen ist, soll man in schöner Erinnerung behalten. Ich will mir das nicht durch Medienberichte oder soziale Medien verderben lassen. 

 

90minuten.at: Aber ist Sturm wirklich so ein Spezialfall, wie Sie es beschreiben? Sind diese Dinge nicht bei allen einigermaßen publikumswirksamen Vereinen ähnlich gelagert?

Kreissl: Ich würde diese Frage zum Spezialfall mit “ja” beantworten. Damit meine ich vor allem die Energie, die der Verein hat. Und da ganz besonders die Kurve. 1994 war ich als Profi das erste Mal in Graz und habe bis ich 2016 zu Sturm gekommen bin, mich immer wieder als Gast dafür begeistert, was für eine Stimmung in Graz ist. Das war auch einer der Haupttreiber für mich, zu sagen, diese Chance will ich unbedingt nützen und das will ich machen. Sturm hat einen sehr rauen Charme, aber mit einer unglaublichen Energie dahinter. Medial mag das Umfeld auch mit anderen vergleichbar sein. Ich habe als eines der ersten Dinge bei Sturm die Öffnung gegenüber den Medien betrieben. Das waren teilweise fast diktatorische Verhältnisse, die ich vorgefunden habe. Trotzdem werde ich bis heute bei manchen Medien in Graz nicht schlau, wieso sie agiert haben, wie sie eben agiert haben und was das mit irgendwelchen Seilschaften zu tun hat. In persönlichen Treffen war es ein wertschätzender Austausch, geschrieben wurde dann aber oft ganz anders.

90minuten.at: Würden Sie sich selbst eine gewisse Mitschuld geben, dass die öffentliche Stimmung ein wenig gekippt ist?

Kreissl: Wenn man in der Verantwortung ist, ist man immer Teil des Erfolgs und Teil des Misserfolgs. Rückblickend sind aber für mich die meisten Entscheidungen, wie ich sie zum jeweiligen Zeitpunkt getroffen habe argumentierbar und nachvollziehbar. Die eine oder andere Personalentscheidung, wobei ich jetzt keine Namen nennen möchte, kann man sicher diskutieren. Wobei ich auch hier nicht viele sehe. 

 

90minuten.at: Ich habe eher die emotionale Seite der Geschichte gemeint. Waren der Umgangston und vor allem die Fähigkeit, gelassen mit Kritik umzugehen, nicht vielleicht ausbaufähig?

Kreissl: Es stimmt sicher, dass ich sehr offen, authentisch und auch mitlebend agiert habe. Es gibt viele in dem Geschäft, die du kaum treffen kannst, an denen alles abprallt. Die können sich aber zugleich auch nicht so intensiv freuen oder sie leiden bei Misserfolgen nicht so sehr mit. Zu denen habe ich nicht gehört. Ich habe dementsprechend jedenfalls auch gegenüber Medienvertretern persönlicher auf Dinge reagiert, die ich nicht in Ordnung gefunden habe. Ich finde das aber ehrlicher, als das aalglatte, wo neun von zehn Leuten ohnehin immer das gleiche sagen. Das hat mich am Ende aber auch viel Kraft gekostet. Deshalb wusste ich im Sommer 2019: Das wird jetzt das letzte Jahr in dieser Funktion, sonst kippe ich irgendwann. Ich war wild entschlossen, dass es ein gutes Jahr wird, das hat leider nicht funktioniert. 

 

90minuten.at: Was nehmen Sie diesbezüglich in eine nächste Aufgabe aus Graz mit? Was muss sicher anders werden, damit es weniger Energie kostet?

Kreissl: Definitiv mehr Ausgleich. In meinen bisherigen acht Jahren als Sportdirektor bei Wiener Neustadt und Sturm, hat es für mich nur Arbeit und ein bisschen Familie gegeben. Für mich selbst ist keine Zeit geblieben. Es muss Zeit für Dinge bleiben, die ich jetzt in der Pause machen kann. Regelmäßig Sport machen, auf die Ernährung achten, hin und wieder ein Buch lesen. Wenn man selbst ausgeglichener ist, gelingt es sicher auch besser, mit mehr Gelassenheit auf gewisse Dinge zu reagieren. Aber ich will der Günter Kreissl bleiben, der ich bin und nicht irgendein NLP-Typ werden. Nichtsdestotrotz muss ich aus der Erfahrung lernen. Dazu gehört sicher auch, die eigenen Emotionen, gerade im medialen Rampenlicht, besser zu kontrollieren.

 

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