Martin Bruckner: „Wir lassen uns von Geldgebern nicht irgendwelche Sachen erklären“

Martin Bruckner will neuer Rapid-Präsident werden. Im ausführlichen 90minuten.at-Interview spricht er über die Unterschiede zu Roland Schmid, wie er die Hütteldorfer sportlich nach vorne bringen will, sein Verhältnis zu den Fans und über die Positionierung seines Klubs im österreichischen Fußball.

Das Präsidium kann beraten und hat aber auch die verdammte Aufgabe, bei potenziellen Fehlentwicklungen etwas zu ändern. Aber wir müssen Barisic nicht erklären, wie es funktioniert.

Martin Bruckner

Das Leitbild ist ein unglaublich mächtiges und sinnstiftendes Instrument. Das muss man künftig auch leben.

Martin Bruckner

Die Meinungsfreiheit im Stadion gilt für alle.

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90minuten.at: In der Vergangenheit hatte man bei der Bestellung der Sportdirektoren den Eindruck, dem Präsidium fehlt die sportliche Kompetenz. Können Sie dem etwas abgewinnen und wenn ja, wie kann das neue Präsidium hier gegensteuern?

Bruckner: Es ist definitiv so, dass wir im alten Präsidium keinen Sportler hatten. Es wurden aber immer wieder externe Personen zugezogen, mit denen wir uns ausgetauscht haben. Die Bestellungen haben wir nicht freihändig getroffen. Jetzt ist es anders, jetzt sind zwei dabei. Personen, die im Sport tätig waren oder tätig sind. Mit Gerald Willfurth haben wir eine Legende dabei, die sehr erfolgreich war als Spieler. Eine Person, die immer dem Verein verbunden war und ein starker Verfechter des im Leitbild verankerten Spielphilosophie ist. Mit Michi Dorfmeister haben wir eine Person, die in einer anderen Sportart Weltklasse war, die alles gewonnen hat, was man gewinnen kann und die uns auch helfen soll. Fußball ist zwar ein Mannschaftssport, aber alle elf Spieler sind auch Einzelsportler. Wenn diese elf individuell besser werden, wird auch das Team besser. Die Entwicklung des Fußballs ist dramatisch, das hat mit dem aus den 80er-Jahren nichts mehr zu tun. Da ist nur noch der Ball der Gleiche und selbst der ist aus einem anderen Material. Der Sport ist athletischer geworden, von Taktik geprägt, die Spieler wissen, welche Laufwege sie gehen müssen. Die Spieler werden auch individuell betreut, das hat es früher alles nicht gegeben. Das geht alles stark in Richtung Individualisierung.

90minuten.at: Und wie sollen Willfurth oder Dorfmeister konkret dem sportlichen Bereich helfen?

Bruckner: Da muss ich ausholen: Im Jahr 2012 und 2013 wurde mit der Reformkommission das Präsidium beauftragt, eine sportlich und wirtschaftliche unabhängige Führung zu installieren, die sich vollzeitlich mit diesen Themen auseinandersetzt. Das war eine richtige Entscheidung. Jetzt haben wir die SK Rapid GmbH mit den zwei Geschäftsführern Barisic und Peschek, die 150 Mitarbeitern vorstehen. Das ist ein großes Unternehmen. Ich würde mir als Geschäftsführer einen Aufsichtsrat wünschen, der nicht bei jeder Entscheidung mitredet. Zuständigkeit,  Entscheidungsbefugnis und Verantwortung fallen zusammen. Unser Präsidium ist eines, das einem Aufsichtsrat ähnlich ist, das die strategischen Leitplanken sicherstellt und die Spielphilosophie, die vom Sportdirektor erstellt wird, absegnet. Die Durchführung liegt dann in den Händen des Sportdirektors. Das Präsidium kann dabei beraten und hat aber auch die verdammte Aufgabe, bei potenziellen Fehlentwicklungen etwas zu ändern. Aber wir müssen Barisic nicht erklären, wie es funktioniert. Barisic hat ein großes Team an UEFA Pro-Lizenz Trainern Sportwissenschaftler, Taktik-Freaks, Scouts, Analysten, etc. – die sind alle gut ausgebildet, die Pro-Lizenz-Ausbildung hat ein akademisches Fundament.

 

90minuten.at: Und in welchen Gebieten sehen Sie das künftige Präsidium mit einem Durchgriffsrecht?

Bruckner: Wie in jedem Unternehmen gibt es gewisse Themen, die Präsidiumspflichtig sind. Das ist die Bestellung der Geschäftsführung, des Trainers, Investitionen über einen gewissen Betrag der Fall. Das steht in der Geschäftsordnung, da haben wir auch eine Verantwortung zu tragen.

 

90minuten.at: Michael Dorfmeister meinte zuletzt: “Auch beim ÖSV waren viele schon betriebsblind.” Ist man bei Rapid betriebsblind geworden?

Bruckner: Das impliziert, dass es immer gut ist, einen Anstoß von außen zu bekommen, um gewisse Themen neu zu denken. Ich stelle bei Rapid sehr oft die Warum-Frage. Das Thema des Warums ist wichtig. Dieses „Challengen“ von außen ist für mich auch sehr wichtig. Ich muss auch immer wieder neue Wege gehen.

 

90minuten.at: Dazu passt ja meiner Meinung nach auch der Marketing-Spruch von Rapid „Wir sind Rapid und wer seid ihr?“. Hat man das – Stichwort Betriebsblindheit - in der Vergangenheit in der eigenen Blase ein bisschen zu sehr gelebt?

Bruckner: Immer dann, wenn es um Themen geht, wo wir unseren Standpunkt vertreten, widererwarten vielleicht ein wenig konsequenter als erwartet wie zum Beispiel bei den Verhandlungen zum TV-Vertrag, wird uns das als Arroganz vorgeworfen oder dass wir nicht an das große Ganze denken. Ich bin da sehr jesuitisch: Freundlich im Ton, aber hart in der Sache. Wenn es um Interessen von Rapid geht, gibt es keinen Grund, dies nicht zu tun. Nur weil es Kritik dazu gibt, werden wir das jetzt nicht anders machen. Wir wissen aber, dass wir gemeinsam in einer Liga spielen und nehmen unseren Anteil dort auch aktiv wahr. Aber ich bin nicht bereit, Kompromisse zu Lasten von Rapid einzugehen. Beim TV-Vertrag sind wir der Quotenbringer, daher haben wir auch den uns zustehenden Teil vom Kuchen bekommen …

 

90minuten.at: .. das heißt, Sie sehen keinen Grund, von diesem Weg abzugehen? Es geht ja dabei auch um das Standing von Rapid?

Bruckner: Wir sind in der Liga ja nicht isoliert. Das sind ja Gerüchte, die gestreut werden …

 

90minuten.at: .. da muss ich einhaken: Im Aufsichtsrat der Liga ist Rapid nicht mehr vertreten. Das kann ja nicht das Ziel von Rapid sein?

Bruckner: Das mag sein. Wir sind Demokraten bei Rapid, wir lassen auch zwei Listen zur Wahl zu. Wir müssen nicht immer und überall dabei sein.

 

90minuten.at: Aber es wäre gut, wenn Rapid im Aufsichtsrat der Liga dabei wäre, oder?

Bruckner: Ich bin da völlig wertfrei. Wenn man uns nicht in den Aufsichtsrat wählt, und meint, es gibt andere, die das besser machen, sind wir eben nicht dabei.

90minuten.at: Ja, aber aus Sicht von Rapid: Wäre es nicht das Ziel, hier wieder eine wichtigere Rolle zu spielen. Schließlich werden im Aufsichtsrat strategische Zielsetzungen formuliert, etc.?

Bruckner: Eine Rotation ist vielleicht gar nicht schlecht. Zudem gibt es die Klubkonferenz, das Gremium ist viel wichtiger, wir sind auch in den Arbeitsgruppen mit dabei. Man muss die Kirche im Dorf lassen, wir müssen nicht auf jeder Hochzeit mittanzen. Dann wird in China auch kein Rad umfallen.

 

90minuten.at: Das Leitbild ist Ihrer Liste sehr wichtig. Das ganze Konzept basiert auf diesem. Es soll vom Präsidenten bis zum Platzwart verinnerlicht werden. Offensichtlich gab es hier Defizite?

Bruckner: Nein, es gab keine Defizite. Das Leitbild wurde von uns allen gemeinsam aber erst vor wenigen Jahren entwickelt. Es ist ein unglaublich mächtiges und sinnstiftendes Instrument. Das muss man künftig auch leben. Ich kenne viele Firmen, die so etwas gerne hätten, wo sich alle dahinter stellen. Das ist großartig, das macht uns auch stark.

 

90minuten.at: Dh., schön, dass es das Leitbild gibt, aber jetzt muss es auch gelebt werden?

Bruckner: In dieser Intensität müssen wir es angehen.

 

90minuten.at: Vielleicht ist da auch ein aktuelles Beispiel in Bezug zum Leitbild gut, um zu verstehen, ob es da auch greifen soll: Andy Marek war in den Medien, weil er den gegnerischen Trainer mit “Hoit die Pappn” beschimpfte. Zudem ist wenige Tage danach Geschäftsführer Christoph Peschek ausgerückt, um das Verhalten von Marek auf Punkt und Beistrich zu verteidigen. Im Leitbild liest man auch von Respekt. Hat dieser Respekt hier gefehlt?

Bruckner: Ich verstehe den Punkt. Wir stehen in guten wie schlechten Zeiten zusammen und dieser Sager von Marek wurde aus dem Kontext gerissen. Es hat keiner gefragt, was der Struber gesagt hat. Von dem fordere ich den Respekt genauso ein. Fußball ist nun Mal Emotion, wir sind auch nicht beim Ellmayer. Das finde ich zu tiefst unfair, dass man Marek damit an den Pranger stellt aber Struber davonkommen lässt.

 

90minuten.at: Aber die Kamera hat halt Marek zufällig dabei gefilmt, daher reden wir hier über Marek. Und Sie sind ja ein Vertreter von Rapid und nicht vom WAC …

Bruckner: Ich fordere aber auch Respekt gegenüber Andy Marek ein. Und was wäre passiert, wenn man Struber dabei gefilmt hätte. Hätte man ihn dann auch hingerichtet für seine  nicht druckreifen Sätze? Es ist nur deswegen, weil wir Rapid sind, weil wir viel Medienmusik machen, daher ist das so. Aber wir haben all diese Dinge gelöst, die Person ausgeforscht. Die Person wird Stadionverbot bekommen. Ich werde mich aber nicht hinstellen und sagen, Andy Marek darf so etwas nicht passieren. Das kommt ja auch nicht von ungefähr, dass die Sportler auf dem Platz die Hand vor dem Mund haben, damit sie nicht mehr dabei gefilmt werden, was sie sagen, weil man buchstäblich alles von den Lippen ablesen möchte.

 

90minuten.at: Es ging mir ja nicht um die Emotion direkt auf dem Platz, sondern wie geht man als Rapid zwei, drei Tage danach damit um.

Bruckner: Das ganze muss im Gesamtkontext gesehen werden. Es ist passiert, aber die ganze Geschichte ist nicht dazu geeignet, Andy Marek zu skandalisieren.

 

90minuten.at: In Ihrem Konzept wird auch über das zum Teil schwierige Verhältnis zwischen Spieler und Fans geschrieben. Welche Herausforderungen sehen Sie hier?

Bruckner: Wir wollen wieder eine Einheit bilden. Es ist ganz wichtig, dass wir gemäß des Leitbildes alle miteinander hinter dem Wappen stehen. Die Art und Weise wie wir miteinander umgehen ist gut, aber es muss noch besser werden.

 

90minuten.at: Aber welche konkreten Verbesserungen fallen Ihnen ein. Es gab zum Teil massiven Druck der Fans auf die Spieler, der zu Verunsicherung geführt hat ..

Bruckner: Ich glaube diese Zeit ist zum Glück vorbei. Da ist sehr viel Gutes passiert, da ist viel weitergegangen im Dialog.

 

90minuten.at: Die Rapid-Fans polarisieren. Sie sorgen für die einzigartige Stimmung, aber auch vereinzelt für unschöne Szenen. Wie würden Sie das Verhältnis Fans zum Klub beschreiben und muss sich an der Fanarbeit etwas ändern?

Bruckner: Wir sind ein Verein, der über eine einzigartige Fanbasis verfügt, um die uns ganz Österreich beneidet. Das Stadionerlebnis ist bei uns ganz besonders, nicht nur im Block, sondern auch die Längsseite, etc. Wir brauchen uns auch international nicht zu verstecken. Diese Fans sind genauso ein Teil von Rapid wie alle anderen. Wir haben in den letzten Jahren mit den Fans einen Modus Operandi gefunden, der für alle ok ist. Wir kommunizieren immer wieder laufend mit den Fans, mit der aktiven Szene. Wir haben rote Linien gezogen, was geht und was nicht geht. Man kann nicht nicht kommunizieren. Das passiert nämlich gerade in einem anderen Teil von Wien. Am Dialog führt kein Weg vorbei.

90minuten.at: Sie haben die roten Linien angesprochen. Jetzt gab es den Vorfall rund um das Transparent in der Tojner-Loge. Wurde hier eine rote Linie überschritten?

Bruckner: Wir haben das intern geklärt. Wir haben die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und in der Form war es schwierig für uns, weil wir noch nie so etwas hatten, dass der VIP-Bereich Transparente aufhängt. Das war sicher nicht ok, dass die Personen in die Loge gegangen sind und das Transparent entfernt haben.

 

90minuten.at: Aber wurde hier eine rote Linie überschritten?

Bruckner: Da hätte keiner rübergehen dürfen. Dieses Spruchband war für sich ein Statement, es war nicht zulässig, das zu entfernen. Es hätte nicht passieren dürfen, Punkt.

 

90minuten.at: Welche Konsequenzen zieht man daraus?

Bruckner: Es wurde intern besprochen und das Thema ist für uns erledigt. Ich muss nicht alle Themen über die Medien besprechen. Aber die Meinungsfreiheit im Stadion gilt für alle.

 

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