Christopher Trimmel: "Von Salzburg kamen nie so viele Fans" (2)

Im Alter von 32 Jahren hat der Burgenländer fast alles erreicht, was man als österreichischer Kicker erreichen kann. Im Interview mit 90minuten.at blickt er zurück - und freilich auch nach vorne.

90minuten.at: Vielleicht können Sie uns da einen Einblick geben, wie das ist, wenn die Jungen in die Einsermannschaft kommen? In Österreich gab es ja zuletzt einige Aufdeckungen zu Skandalen in der Ausbildung. Früher gab es grausliche Rituale, heutzutage werden die Jungen wohl nur die Bälle nach dem Training einsammeln.

Trimmel: Bei uns ist das ganz normal. Wenn neue Spieler kommen, nicht nur junge, müssen die bei uns auch singen. Das machen viele und es ist recht witzig. Wenn man dann Abendessen ist, müssen sie auf den Sessel klettern und ein schönes Lied singen. Aber die Hierarchie ist die gleiche wie früher, es ist selbstverständlich, dass die Jungen sich um das Material kümmern. Ich glaube, dass es in einer Entwicklung wichtig ist, dass Spieler Respekt und diese Hierarchie kennen lernen. Am Ende des Trainings gibt es zudem auch oft Spiele, da muss der Verlierer dann die Sachen wegräumen. Ich mag das ganz gern. Das kitzelt den Ehrgeiz. Ein junger, talentierter Spieler, der vielliecht von einem besseren Verein geholt wird und einen Megavertrag hat, hat er trotzdem gegenüber den Älteren Respekt zu zeigen. Das geht über das Spielfeld hinaus. Die, die glauben, sie müssen sich alleine beweisen, haben in einem Teamsport eigentlich nichts verloren. Leider sieht man das immer wieder.

 

90minuten.at: Da wird der Klub schon auch drauf achten, dass man die nicht holt.

Trimmel: Ich muss ehrlich sagen, dass es bei den Traditionsvereinen Rapid und Union immer so war, dass man schon bei den Transfers gesehen hat, dass auf den Charakter geachtet wird. Es wird selten ein „Problemkind“ verpflichtet. Es waren immer Typen, die super zum Klub gepasst haben. Bei Rapid gab es schon auch Spieler, die eine Austria-Vergangenheit hatten, das war immer ein bisschen problematisch mit den Fans. Aber intern war es kein Thema. Da hat man versucht, die Probleme mit den Fans zu lösen. Die Kabine war immer stärker als ein einzelner. Für mich war es auch vor der letzten Saison wichtig, dass Spieler, die nicht spielen oder im Kader stehen, sich nicht zusammen gruppieren und schlechte Stimmung rein bringen. Das Gegenteil war der Fall. Die, die nicht im Kader waren, waren die ersten, die uns gratuliert haben oder uns aufgebaut haben, wenn es nicht so gelaufen ist. Wenn man das hinkriegt, hat man viel richtig gemacht. Aber ich bin auch der Meinung, dass man solche Dinge intern machen sollte. Wenn der Trainer einen Spieler suspendieren muss, dann ist es etwas ganz schlimmes passiert. Wenn der Trainer mitkriegt, dass einer schlechte Stimmung rein bringt, dann ist schon in der Kabine schlecht gearbeitet worden. Andere sehen das vielleicht anders.

 

90minuten.at: Union ist ja ein bisserl ein österreichischer Außenposten, Robert Zulj war letzte Saison bei Ihnen, Michael Gspruning ist Torwarttrainer, Florian Flecker kommt aus Hartberg. Wie ist mittlerweile das Standing der Österreicher in Deutschland? Glasner, Rose, Lainer, Schlager und Co. Sind ja auch von hier nach Deutschland gewechselt.

Trimmel: Für mich ist das ganz einfach. Wenn man sich als österreichischer Spieler in Deutschland durchsetzt, ist das natürlich ein Zeichen, dass in Österreich gut gearbeitet wird. Wenn ein, zwei Spieler in die Bundesliga wechseln, kommt das vor, aber wir sind sehr viele. Es wird also meiner Meinung nach sehr viel richtig gemacht, sonst gebe es diese Entwicklung nicht. Als ich vor fünf Jahren zu Union Berlin wechselte, bin ich einerseits kritisiert worden, dass ich von Rapid weggehe, weil die international spielen und Union nicht. Ich war aber davon überzeugt, dass es der richtige Schritt ist. Auch in Deutschland habe ich Kritik geerntet. Ich hatte noch nicht einmal ein Training gemacht und mein damaliger Konkurrent hat ein Interview gegeben, dass er keine Angst vor mir hat, mich überhaut nicht kennt und dann hat er gefragt, wie viele Österreicher sich in Deutschland durchgesetzt haben. So hat mein Abenteuer begonnen. Da war das sicher noch ein bisschen anders. Damals war man noch überzeugt, dass die Ausbildung in Deutschland besser ist als in Österreich. Ich finde schon, dass wir locker mithalten können. Wenn man sieht, wie viele Spieler mittlerweile hier spielen, ist das ein gutes Zeichen und es braucht sich keiner verstecken. Wir können locker mithalten, auch was die Trainingsintensität betrifft. Es hieß ja eine Zeit lang, dass in Deutschland mehr und intensiver traininert wird. Das war vielleicht früher so. Ich bin ständig im Austausch mit den neuen Spielern und Florian Flecker steckt jede Trainingseinheit locker weg. Er ist perfekt ausgebildet, kommt her und hat punkto Fitness und Trainingsintensität keine Probleme.

 

90minunten.at: Der Fußball in Österreich hat sich ja entwickelt. Mittlerweile holen deutsche Bundesligisten Spieler nicht nur von Salzburg oder Rapid, sondern eben auch vom LASK oder Hartberg. Woran liegt das?

Trimmel: Deutschland schaut auf jede Mannschaft in Österreich. Die Zeiten sind vorbei, als nur die ersten drei beobachtet wurden. Ich bin auch der Meinung, dass es früher härter war. Bei Rapid wurde ich zwei Saisonen lang zum besten Rechtsverteidiger gewählt worden, ich war beim Nationalteam und dann glaubt man schon auch, dass jetzt die Megaangebote kommen. Es war aber nicht so, es war schwieriger. Damals dachte man im Ausland wohl, dass wir eine schwache Liga haben, es für Red Bull und Rapid einfach ist. International hat man es nie über die Gruppenphase hinaus geschafft. Natürlich kann man es so auch sehen. Aber wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre ansieht, wie sich die Spieler durchsetzen und zu großen Vereinen wechseln, ist das gut. Ein Beispiel ist auch Lukas Hinterseer. Der ist von Wacker nach Deutschland gegangen und hat zum HSV gewechselt, der wurde auch in Innsbruck ausgebildet. Das ist schon ein Zeichen, dass viel richtig gemacht wird.

Man hat in Deutschland schon eine Rivaltität mit RBL, weil der Verein aufgrund der fehlenden Tradition nicht richtig akzeptiert wird. Es prickelt ganz schön. Das gibt es in Salzburg so nicht, weil wenn die Fanbase fehlt: Was willst du da machen?

Christopher Trimmel

90minuten.at: Vielleicht komisch formuliert, aber die anderen großen Ligen hängen Deutschland zusehends ab, kann es sein, dass sich nicht nur Österreich nach vorn, aber auch Deutschland etwas nach hinten entwickelt hat?

Trimmel: Das ist schwierig zu sagen, dafür bin ich zu lange weg. Am Anfang wurde ich schon gefragt, ob die zweite deutsche Liga besser ist oder die erste österreichische. Aber das kann man nicht vergleichen. Damals, als ich wegging, habe ich gesagt, dass die ersten vier Vereine auch in der deutschen Bundesliga mithalten können. Die Herausforderung ist ja, dass die Liga insgesamt konstant ist. Das ist das Erstaunliche in der zweiten deutschen Liga. Ich habe fünf Jahre dort gespielt, es ist brutal eng und konstant. Da gewinnt der Letzte gegen den Ersten, dann der gegen den. Für mich ist das ein Zeichen, wie hochwertig diese Liga ist. Wenn man sieht, dass eine Liga so ausgeglichen ist, zeugt das von Qualität. Mit dem neuen System in Österreich ist das jetzt schwierig zu beurteilen. Das kann man wohl erst nach der kommenden. Aber Österreich hat gegenüber der zweiten deutschen Bundesliga immer den Vorteil, dass die Vereine international spielen können. Ich kann nur jedem jungen Spieler in Österreich empfehlen, das abzuwägen und nicht so schnell wie möglich ins Ausland in eine zweite Liga zu gehen. Wenn man die Chance hat, sich in Österreich noch zu entwickeln und international zu spielen, soll man das machen. Der Europacup ist eben die große Bühne, da sind die Scouts unterwegs und man kann sich zeigen. Das ist mehr wert. Ich wollte auch nicht zu früh irgendwohin gehen, wo ich vielleicht mehr Geld bekommen hätte, aber sportlich wäre es nicht sinnvoll gewesen. Für mich war wichtig, dass ich den richtigen Zeitpunkt erwische, weil ich recht spät Profi wurde. Ich hatte ja keine Zeit zu verlieren.

 

90minuten.at: Der Bundesligaauftakt am 17. August ist gleich gegen RB Leipzig. Ist das so wie Rapid gegen Salzburg?

Trimmel: Es ist noch besonderer. Es ist auch ein Ostderby, das spürt man bei den Fans. Man hat in Deutschland schon eine Rivaltität mit RBL, weil der Verein aufgrund der fehlenden Tradition nicht richtig akzeptiert wird. Es prickelt ganz schön. In Östererich ist das anders, weil Salzburg nicht so viele Fans wie Leipzig hat. RBL hat viele, da knistert es mehr. Sportlich ist Rapid gegen Salzburg schon eine Herausforderung, aber von ihnen kamen nie so viele Fans.

 

90minuten.at: Aber Rapid fasst sich wie Union ja als Antithese zu Red Bull auf.

Trimmel: Das auf jeden Fall. Das kann man so vergleichen. Ich meine nur, dass es eben noch dazu ein Ostderby ist und RBL mehr Fans hat. Da ist noch mehr Rivalität vonseiten der Anhänger da. Das gibt es in Salzburg so nicht, weil wenn die Fanbase fehlt: Was willst du da machen? (lächelt). Da knistert es nicht so, medial kann man es pushen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der RBS-Block in Wien voll mit Ultras von denen ist.

 

90minuten.at: Bei Rapid durchgesetzt, Wechsel nach Deutschland, Aufstieg in die Bundesliga. Bleibt nur noch die Nationalteamrückkehr als großes Ziel übrig, oder?

Trimmel: Mit Sicherheit. Ich war auf Abruf, also bin im Fokus des Teamchefs und im Fußball kann es schnell gehen. Jetzt bin ich in der Bundesliga, aber ich muss vorrangig im Verein meine Leistung bringen. Ich finde es schön, dass ich es in den erweiterten Kreis geschafft habe. Jetzt will man dann schon mehr, aber ich bin realistsch. Die Jungs rechts hinten – Lazaro und Lainer – machen das super.