Thomas Letsch: "In drei Jahren werden wir uns über mindestens einen Austria-Titel unterhalten" (2)

17 Punkte, ein Tor pro Runde - nach dem großen Umbruch im Sommer ist Austria Wien noch nicht dort, wo Trainer Thomas Letsch sein möchte. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die Gründe und verspricht einen Titel in den nächsten drei Jahren.

90minuten.at: Ich habe mir das Spiel gegen den LASK live im Stadion angesehen und da hat man schon in einigen Situationen gemerkt, dass die länger zusammen spielen. Bei der Austria ist das noch nicht so der Fall.

Letsch: James Holland hat es nach dem Spiel gut zusammen gefasst: Der LASK ist uns zweieinhalb Jahre voraus. Oliver Glasner ist schon länger dabei, hat eine klare Spielidee. Die Mannschaft spielt das zweite Jahr das 3-4-3. Da greift ein Rädchen ins andere, das kann bei uns noch nicht so sein. Diesen Faktor Zeit möchte ich aber gar nicht mehr bemühen. Wir hatten jetzt 13 Pflichtspiele, das darf jetzt keine Ausrede mehr sein.

 

90minuten.at: Würden Sie das nun so als Ausrede anführen, müsste ich sagen: Der WAC hat einen neuen Trainer, viele neue Spieler und ist in ähnlichen Gefilden unterwegs.

Letsch: Man muss anmerken, dass wir anders beäugt und bewertet als andere Vereine. Wenn ein LASK in Innsbruck verliert, ist das nun einmal so. Wenn wir in Innsbruck verlieren, ist das die Austria. Das ist aber so in Ordnung. Der WAC ist in ähnlichen Gefilden, aber auch nicht weiter oben.

 

90minuten.at: Sie sind ja schon länger in Österreich und kennen den Reformprozess. Woran liegt es, dass sich die kleineren Klubs mit der reformierten 12er-Liga leichter tun?

Letsch: Da gibt es mehrere Faktoren. Zunächst bringt der neue Modus den Cut nach 22 Spielen mit und für alle geht es darum, oben rein zu kommen. Die vermeintlich kleineren Teams sagen, dass sie rein wollen, wenn es nicht klappt, geht aber die Welt nicht unter. Es werden ja auch die Punkte halbiert, es geht bei ihnen auch nicht um den Klassenerhalt. Es hat sich auch verändert, dass sie gut verteidigen, oft mit Fünferkette. Sie verlegen sich aufs Kontern, auch das machen sie gut. Das können wir als Austria nicht machen. Das passt nicht zu uns und ist nicht unser Anspruch. Es ist eben verdammt schwer, Tore zu schießen. Selbst Salzburg tut sich schwer. Darum ist alles recht eng. Wir stehen trotzdem auf Platz vier und nicht sieben oder acht. Vier Punkte Vorsprung sind kein sicherer Polster, aber nicht katastrophal.

 

90minuten.at: Ist es ein Thema, dass es so eng ist, sich die Meistergruppe vielleicht nicht ausgehen könnte?

Letsch: Gar nicht. Für mich ist es nur ein Thema, so schnell wie möglich an St. Pölten und den LASK anzuschließen.

Mir ist es vom Prinzip her lieber, wir spielen fünf Mal rein und vier Mal kommt er nicht an, als wir spielen quer.

Thomas Letsch

90minuten.at: Es gibt eben Probleme mit dem Toreschießen, ein Tor pro Spiel ist nicht der Anspruch der Austria. Woran hakt es im Offensivspiel? Nur am tiefstehenden Gegner liegt es ja nicht.

Letsch: Auch das ist mehrschichtig. Wir hatten Spiele mit sehr viel Ballbesitz, sind aber nicht vorne rein gekommen. Da haben uns die Läufe in die Tiefe gefehlt, wir haben falsche Entscheidungen getroffen. Dann hatten wir Spiele, da gab es Torchancen, aber keine Tore. Wenn der Gegner dann tief steht, dann haben Spielertypen wie Monschein, Friesenbichler, Edomwonyi oder Venuto dort nicht unbedingt ihre Vorteile. Spieler wie Turgeman, Prokop, vielleicht Fitz sind Spieler, die da Lösungen haben. Ich will das Verletzungspech nicht zwingend anführen, aber mit Alex Grünwald fällt uns jetzt der beste Torschütze und Scorer aus. Das macht es nicht einfacher. Wir haben eine große Auswahl, etwas zu verändern. Das größte Manko – und daran arbeiten wir intensiv – dass wir mehr vorne reinkommen, mit mehr Risiko spielen. Mir ist es vom Prinzip her lieber, wir spielen fünf Mal rein und vier Mal kommt er nicht an, als wir spielen quer. Ich fordere Risiko ein. Es geht dann auch um Kaltschnäuzigkeit und das Selbstvertrauen der Stürmer. Wir haben kaum einen Stürmer, der regelmäßig gespielt hat. Stümer sind sehr sensibel und wenn einer mal fünf Tore gemacht hat, dann macht er den sechsten Treffer ganz selbstverständlich.

 

90minuten.at: Wie sehen Sie das Verhalten im letzten Drittel? Geht es Ihnen da um Qualität oder Quantität?

Letsch: Es wäre schön, qualitativ hochwertige Torchancen heraus zu spielen. Wenn das nicht gelingt, ist es mir eben lieber, den Ball zwei Mal in die Schnittstelle durchzustecken und ich komme dann nicht hin. Wir müssen richtig rein kommen, um vor dem Tor eine gute Besetzung zu haben. Wenn wir in diesen Bereich gekommen sind, sind zu wenige Spieler rein gekommen. Roger Schmidt hat immer gesagt: Wenn ich nicht aufs Tor schieße, werde ich keines erzielen. Irgendwann muss es zum Abschluss kommen. Gegen Sturm dribbelt Dominik Prokop quer, könnte schießen, sucht aber noch einmal eine andere Lösung. Wenn ich schieße, wird er vielleicht abgefälscht und geht rein. Ich wünsche mir mehr Entschlossenheit und Zug zum Tor.

 

90minuten.at: Statt einer Flanke den schwierigen Pass probieren?

Letsch: Genau. Flanken sind bei uns schwierig. Wir haben nicht unbedingt Hühnen vorne drinnen. Den wollten wir vor der Saison, haben ihn aber aktuell nicht.

 

90minuten.at:Wobei es bei mehr Breite nicht immer um die hohe Flanke geht.

Letsch: Für uns ist es wichtiger, einen Stanglpass oder Rückpass zu machen.

 

90minuten.at: Suchen die Spieler die Mitte von sich heraus?

Letsch: Prokop oder Grünwald, selbst wenn sie außen spielen, ziehen eher nach innen. Umso wichtiger ist es dann, dass der Außenverteidiger mitkommt und die Breite besetzt. Max Sax oder Venuto und Ewandro könnten die Außen doppelt besetzen. Aber wir haben viele zentrale Spieler und wir wollen sie auch dort einsetzen, wo sie am wertvollsten sind. Unser Ziel ist es, und diese Automatismen haben wir noch nicht, dass, wenn Grünwald nach innen zieht, der Außenverteiger die Breite besetzt. Die brauchen wir, wenn der Gegner tief steht.

 

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