Markus Schopp: „Der Verein hat zu definieren, wie man spielen will.“ (3)

Hartberg-Trainer Markus Schopp spricht im Interview mit 90minuten.at über seine Entwicklung als Trainer, seine Zeit mit Pep Guardiola und seinen Weg beim TSV Hartberg.

90minuten.at: In Interviews sagen Sie oft Dinge wie „Leidenschaft“. Der ehemalige Rapid-Sportdirektor Helmut Schulte nannte Taktik neuerlich „überbewertet“. Stimmt das?

Schopp: Bevor wir über die Taktik reden, muss man über die Bereiche reden, die dafür die Voraussetzungen sind. Was ist Qualität überhaupt? Ich wollte, schon im Jugendbereich, Qualität erkennen. Über die Jahre hinweg steht nun der Aspekt Mentalität darüber: Bin ich bereit, Dinge zu tun, die der andere nicht bereit ist zu tun? Ich habe mich oft in der Definition von Potential von Spielern verloren. Da habe ich Dinge auf der technisch-taktischen Seite erfahren, die am Ende nicht relevant waren, ob er den Sprung in den Profibereich schafft oder nicht. In den meisten Fällen haben Mentalität, Beharrlichkeit und Mut, Dinge durchzuziehen, sie zu denen gemacht, die sie sind. Darum sind das Dinge, die sich bei mir oft in Interviews finden.

 

90minuten.at. ... ich muss unterbrechen: Das ist was Individuelles.

Schopp: Ja, aber das geht auch auf die Mannschaft über. Ein Beispiel: In St. Pölten gab es sehr bald einen Ausschluss, wir waren hinten. Wenn ich mir die Reaktion der Mannschaft ansehe, sehe ich, dass sie dran glauben und die richtige Mentalität haben. Da muss man auch taktisch etwas verändern, aber die Voraussetzung sind die Themen Mut, Leidenschaft, Hingabe, damit das umgesetzt werden kann. Die komme bei mir extrem oft vor, weil ich als Aktiver das selbst kennen gelernt habe. Ich bin sehr viel gelaufen, aber vielleicht nicht die richtigen Meter, eventuell ist mir Taktik jetzt auch deshalb so wichtig, damit meine Spieler nicht so viel laufen müssen, sondern die richtigen Meter. Meine größten Schritte habe ich gemacht, als ich mir zudem 'nix g'schissen' habe. Neben technisch-taktischen Aspekten ist mir das für die Kaderzusammenstellung wichtig. Bei den technisch-taktischen Elementen sehe ich es so: Jeder Spieler in der Bundesliga hat seine Qualitäten. Ich kann das erkennen und fördern oder vielen anderen Dingen unterordnen. Es braucht etwas Übergeordnetes, aber das soll kein Zwang sein. Ich kann nicht nur gegen den Ball sprinten, wenn ich die Spieler nicht dazu habe.Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass, sobald ich mich diesen Dingen unterordnen musste, extrem viel von meiner Qualität abhanden gekommen ist. Ich will auf meine Spieler eingehen, sie abholen, wo sie sind und sie weiter entwickeln. Jetzt kann man einwenden, dass man Kompromisse eingehen muss. Aber nur so kann eine Mannschaft wachsen, wenn man beim einen auf die Stärken eingeht, beim anderen auf die Schwächen. Das erkennen die Spieler. Und wenn das zu funktionieren anfängt, habe ich extrem viel geschaffen, ohne über ein System nachzudenken. Das ist nur die Konsequenz daraus, wie ich die Spieler in Verbindung bringen kann. Daraus entwickle ich dann die Spielanlage und entwickle sie mit den Spielern weiter. Wäre ich nach Hartberg gekommen und hätte gesagt, dass ich es so und so machen will, dann hätte das ziemlich sicher nicht funktioniert. 

Wenn man unser Spiel jetzt her nimmt, haben wir schon Ideen im Ballbesitz, von der Spieleröffnung bis ins letzte Drittel und letztlich den Toren. Wir haben Momente, da lassen wir im Umschaltspiel erkennen, dass wir das wollen.

Markus Schopp

90minuten.at: Würden Sie es anders sehen, hätten sie einen größeren Spielerpool oder mehr Transferbudget?

Schopp: Was mir in Hartberg ein großes Anliegen war, ist der Aspekt der finalen Entwicklung. Ich bin der Meinung – das wieder auf Basis meiner Erfahrungen als Aktiver – dass man es mit den richtigen Inputs auch schafft, dass der 30-Jährige Hunger hat, sich weiter zu entwickeln, um da dabei sein zu können. Ich glaube schon, dass es ein wichtiger Punkt ist, wenn man seine Spielidee definiert, was es im Ballbesitz, in der Arbeit gegen den Ball oder im Umschaltspiel gibt. Die Gewichtung hängt von den zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Wenn ich Ballbesitz spielen lassen will, aber auf einigen Positionen Probleme habe, die richtigen Spieler zu haben, ist es nicht realistisch. Das muss ich als Trainer erkennen können und nichts einfordere, was die Mannschaft nicht kann. Ich hatte früher auch sehr konkrete Ideen, aber in Wahrheit ist es eine Mixtur, die Frage ist, in welche Richtung du die Mannschaft lenkst und sie dich.

 

90minuten.at: Würden Sie sich trauen, Rapid oder Salzburg zu trainieren? Um zwei eher gegensätzliche Ansätze zu erwähnen.

Schopp: Wenn man unser Spiel jetzt her nimmt, haben wir schon Ideen im Ballbesitz, von der Spieleröffnung bis ins letzte Drittel und letztlich den Toren. Wir haben Momente, da lassen wir im Umschaltspiel erkennen, dass wir das wollen. Ich will aber nicht nur das eine, etwa der Mannschaft aufzwingen, dass sie immer von hinten flach raus spielt. Die Entscheidung treffen die Spieler im Moment. Ich kann über Übungsformen Lösungen anbieten. Wenn ich erkenne, dass das funktioniert, wird es von mir auch nie einen Vorwurf geben, wenn Fehler passieren. Salzburg ist natürlich in der Arbeit gegen den Ball monströs. Unter Marco Rose haben sie sich im Ballbesitz weiter entwickelt. Rapid liebt den Ballbesitz. Aber das sind Dinge, wo der Verein für mich die Aufgabe hat zu definieren, wie man spielen will und dafür gibt es den Trainer, der das weiter entwickeln kann. Das ist für mich der einzig richtige Zugang.

 

90minuten.at: Wofür stehen Sie?

Schopp: Das richtet sich schon danach, was mit dem Personal machbar ist. Ich will ein gutes Umschaltspiel haben, mehr Vertikalität im Ballbesitz haben. Ich versuche auch sehr ganzheitlich zu trainieren.

 

90minuten.at: Was würden Sie nun machen, wenn Hartberg nach 22 Runden unter den Top6 ist?

Schopp: Das ist rechnerisch nicht unmöglich. Man kann aufgrund der bisher gezeigten Leistungen sagen, dass man das – vor allem von Medienseite her – zum Thema machen kann. Aber wir können uns einschätzen, unser Ziel ist es, in der Liga zu bleiben. Ich kann sagen, dass wir in der Liga angekommen sind, wir kennen bis auf Rapid jeden Gegner. Uns beschäftigt die Kadergröße, wir waren bis dato der Underdog. In der Rückrunde werden die Gegner viel besser vorbereitet sein und darauf müssen wir Antworten finden.

 

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