Peter Schöttel: "Andi Herzog wurde durch meine Bestellung die Chance genommen" (3)

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel im 90minuten-Interview über sein Konzept, Verhaberung im österreichischen Fußball, sein Verhältnis zu Vorgänger Willi Ruttensteiner, warum der Salzburger Erfolgscoach Marco Rose kein Teamchef-Kandidat war und er wenigen Österreichern die Nachfolge von Marcel Koller zugetraut hat.

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Ich bin offensichtlich falsch informiert worden, wie es bei euch zugeht.

Peter Schöttel über ÖFB-Präsidiumssitzungen

Mit dieser Mannschaft muss es möglich sein, noch einige Jahre auf einem hohen Niveau zu spielen.

Peter Schöttel

Sie dachten, weil sie gute Kicker waren, sind sie automatisch auch gute Trainer. Nach dem Motto: Mir kann keiner etwas sagen.

Peter Schöttel

90minuten.at: Es war ja kurz angedacht, einen Sportdirektor für das A-Team zu installieren und einen technischen Direktor für die restlichen Aufgaben.

Peter Schöttel: Ich möchte die Abteilungen selbstständig arbeiten lassen und dann drüber schauen. Willi Ruttensteiner legte beispielsweise Wert darauf, die Trainerausbildung zu leiten. Das wollte ich gar nicht.

 

90minuten.at: Gab es eine Amtsübergabe mit ihrem Vorgänger Willi Ruttensteiner?

Schöttel: Nein, gar nicht. Wir hatten das letzte Telefonat nach meinem ersten gewonnenen U19-Qualifikationsspiel gegen Kosovo. Das Gespräch war eher kurz und nicht so gut. Aber ich habe und hatte nie ein Problem mit ihm.

 

90minuten.at: Er hat Sie als Nachwuchstrainer zum ÖFB geholt. War es unangenehm, dass Sie sich dann als sein Gegenkandidat positionierten?

Schöttel: Ich habe es nicht als ein „Gegen ihn antreten“ gesehen.

 

90minuten.at: Aber inszeniert wurde es so.

Schöttel: Es ist dann in diese Richtung gegangen. Ich wurde gefragt, ob mich diese Position interessieren würde, falls es den Willi in dieser Funktion nicht mehr geben sollte. So war die Formulierung der Frage. Ich war ja mit meinem Posten sehr zufrieden. U19-Teamchef ist ein toller Job. Aber dann habe ich natürlich überlegt, ob ich das machen will. Und ich dachte mir: Wenn ich jetzt absage, wird es ein anderer machen. Aber Sie haben schon recht: Es hat dann diese Eigendynamik bekommen, als wäre es ein Duell. Man kommt ins Grübeln, weil ich mit dem Willi immer gut war und er mich auch zum ÖFB geholt hat. Aber andererseits: Vielleicht ärgert man sich dann auch ein Leben lang über die verpasste Chance. Wenn man mir aber zu Beginn gesagt hätte: Es gibt eine Kampfabstimmung zwischen dem Willi Ruttensteiner und mir; ich glaube nicht, dass ich das gemacht hätte.

 

90minuten.at: Aber es wurde ja so angekündigt: Beide halten eine Präsentation und dann wird entschieden. Also: Kampfabstimmung.

Schöttel: Das wurde erst kurz davor kommuniziert.

 

90minuten.at: Sie hätten ja noch sagen können: Stopp, das mache ich nicht.

Schöttel: Ja stimmt, das hätte ich theoretisch noch tun können. Aber in dieser Phase dachte ich: Wenn der Job zu haben ist, stelle ich mich zur Wahl.

 

90minuten.at: Ein Landespräsident meinte: Auf der Sportdirektor-Position wollen wir weg von der Wissenschaft. Wie geht es Ihnen mit dieser Aussage?

Schöttel: Fußball ist keine Wissenschaft, aber braucht die Wissenschaft. Wir wissen schon, dass wir mit der Zeit gehen müssen und setzen auch Schritte in diese Richtung.

90minuten.at: Zwischen ihrem Vorgänger und den Landespräsidenten gab es „Kommunikationsschwierigkeiten“. Wie ist ihr Verhältnis?

Schöttel: Ich sehe mich als verbindendes Element im ÖFB. Eines habe ich immer zusammengebracht: Dass die Leute miteinander reden. Vielleicht spielte das auch mit, als man sich über mich erkundigt hat. Die Außendarstellung war damals eine schlechte und ich hoffe schon, dass alle ihre Lehren daraus gezogen haben. Wir haben zum Teil zu Recht Watschen kassiert, weil wir uns in manchen Dingen ungeschickt angestellt haben. Ich habe aber jetzt mehrere Sitzungen im Präsidium erlebt und gehe jedes Mal mit den Worten hinaus: Eigentlich ist es sehr harmonisch bei euch. Ich bin da offensichtlich falsch informiert worden, wie es bei euch zugeht.

 

90minuten.at: Die Bundesliga hat für Sie und für Franco Foda gestimmt. Kann daraus eine Begehrlichkeit entstehen, dass künftig mehr Spieler aus der heimischen Liga gefordert werden?

Schöttel: Von der Liga hat niemand interveniert, dass mehr Spieler aus der österreichischen Liga einberufen werden sollen. In meiner ganzen Karriere hat noch niemand versucht, auf meine Aufstellung oder Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Nicht einmal der Christian Haas in Grödig.

 

90minuten.at: Sollten mehr Spieler aus der Bundesliga ihre Chance bekommen?

Schöttel: Ich finde, dass es wichtig ist, interessante Spieler zu holen. Marcel Koller war halt überzeugt davon, dass die Spieler in ausländischen Ligen durch das Tempo und den Wettbewerb weiter sind, als unsere.

 

90minuten.at: Sind Sie der gleichen Meinung?

Schöttel: Man sieht ja an Red Bull Salzburg, dass es funktioniert. Natürlich ist das Tempo nicht in jedem Spiel so hoch wie in Spitzenligen. Aber das Potential erkennt man auch bei den Spielern im eigenen Land. Franco Foda kennt naturgemäß die Spieler von Sturm Graz wirklich sehr gut, und die haben eine tolle Entwicklung gemacht.

Österreich hat so viele gute Spieler wie lange nicht mehr. Muss man sich für das nächste große Turnier qualifizieren?

Ich glaube schon, dass es möglich ist. Bei der Europameisterschaft sollten wir definitiv dabei sein. Die Chance ist groß, mit unserem Potential und den vielen Spielern, die in Topligen angekommen sind. Mit dem Stamm der Mannschaft muss es möglich sein, noch einige Jahre auf einem hohen Niveau zu spielen.

 

Die Trainerausbildung soll reformiert werden. Künftig will man den Nicht-Profis gegenüber den Profi-Spielern bessere Aufnahmechancen geben.

Es geht um eine Veränderung der Aufnahmekriterien. Es gibt da eine Punktevergabe: Bis jetzt wurde die Spielerlaufbahn punktemäßig sehr hoch bewertet, die Trainerlaufbahn wurde ähnlich hoch bewertet, das Zeugnis war entscheidend und der psychologische Test. Unser Gedanke ist jetzt: Ehemalige Spieler sind unten aufgrund ihrer Verdienste leichter in die Kurse gekommen, deshalb wollen wir ihre Karriere bei der höchsten Trainerlizenz nicht mehr so hoch bewerten, sondern verstärkt ihre bisherige Trainerlaufbahn. Uns geht es darum, die besten Trainer nach oben zu bringen und nicht die besten Kicker unter den Trainern.

 

Die Spielerkarriere nicht mehr so hoch zu bewerten heißt: Es werden dann alle gleich bewertet oder gibt es noch einen kleinen Vorteil, wenn man Profispieler war?

Für mich ist es trotzdem wichtig, dass der Profispieler, der bis 35 Fußball gespielt hat, nicht ausgeschlossen wird. Denn: Der eine spielt bis 35 und der 20-Jährige sammelt in dieser Zeit schon jahrelang Trainererfahrung. Beim Deutschen Julian Nagelsmann war das so. Der Mittelweg wird sein: Denen, die von unten fleißig, dynamisch arbeiten, den Weg nach oben schneller ermöglichen, ohne, dass wir denen, die bis 38 Jahren Fußball spielen, die Perspektive nehmen. Der Vorwurf ist zum Teil durchaus berechtigt, dass die Spielerkarriere zu hoch bewertet wird.

90minuten.at: Die Deutschen produzieren junge, dynamische Trainer wie am Fließband. Bei den österreichischen Trainern hat man den Eindruck, sie können keine tief stehenden Mannschaften ausspielen, sondern eher nur selbst tief stehen und schnell umschalten. Wo kann man bei den Inhalten ansetzen?

Schöttel: Das ist sicher etwas, womit sich der Dominik Thalhammer beschäftigen wird. Aber ich finde schon wichtig, dass jeder Trainer für etwas Eigenes steht. Und einen gewissen Freiraum sollte man jedem lassen.

 

90minuten.at: Was würden Sie gerne inhaltlich an Veränderung sehen?

Schöttel: Ich will Toptrainer ausbilden, um auch Topspieler zu haben.

 

90minuten.at: Wie kann man Toptrainer ausbilden?

Schöttel: Ich bin bewusst nicht Leiter der Trainerausbildung, sondern habe Topleute eingesetzt, die das machen werden. Ich glaube, dass einige aus früheren Generationen den nachfolgenden Ex-Kickern keinen guten Dienst erwiesen haben. Sie dachten, weil sie gute Kicker waren, sind sie automatisch auch gute Trainer. Nach dem Motto: Mir kann keiner etwas sagen. Da haben sich viele einen Bärendienst erwiesen. Heute geht das nicht mehr: Nur weil du ein guter Kicker warst, wirst du nicht nach oben durch geschoben. Du musst Leistung bringen, du wirst genauer beobachtet. Wenn du einen bekannten Namen hast, öffnen sich die Türen noch immer leichter. Aber du musst dann auch abliefern, sonst bist du sofort wieder weg.

Danke für das Gespräch!