Nikola Staritz von Fairplay: "Es wird wenig über Homophobie gesprochen" (2)

Die Initiative Fairplay will Diskriminierungen im Sport bekämpfen. Nikola Staritz arbeitet für die Initiative und forscht zum Thema "Homophobie". Im Interview mit 90minuten.at spricht sie über die jüngsten Ereignisse, meint, dass es "gut" wäre, dass diese passiert wären und erklärt die Hintergründe zum Thema.

90minuten.at: Sie haben sicherlich beobachtet, wie mit der eingangs erwähnten Causa umgegangen wird. Wie zufrieden sind Sie mit den Reaktionen?

Staritz: Ich bin ehrlich etwas enttäuscht. Wir arbeiten mit den Vereinen und der Bundesliga seit Jahren am Thema Diskriminierung und beziehen auch das Thema Homophobie mit ein. Wir versuchen, ein Bewusstsein zu schaffen. Zuallererst hat aktiv niemand auf die Vorfälle reagiert, das fanden wir schade. Erst auf Nachfrage hat man sich zu Statements durchgerungen und da wurden die Statuten vorgelesen. Nona – man hatte bei keinem Verein das Gefühl, dass es aus Überzeugung kommt.

 

90minuten.at: Die Admira hat dann sogar ein Video produziert...

Staritz: Es gibt eben auch super Sachen. Das Video wurde vor dem letzten Spiel produziert. Das ist nicht sehr schwer, aber es ist großartig und sehr selten, wenn man sich hinstellt und die Spieler sagen, dass sie Homophobie ablehnen. Man kann nicht alle Vereine über einen Kamm scheren. Es gibt in Wien auch in der Regionalliga Klubs wie den Sportclub, die da aktiv drauf schauen. Auch Sturm Graz ist sehr offen und macht immer wieder etwas. Generell gibt es aber wohl noch eine Berührungsangst, a la: Wenn wir nicht müssen, sprechen wir es nicht an. Gerade nach dem Derby habe ich es nicht verstanden, dass es niemanden gab. Es muss ja auch den einen oder anderen geben, den das stört.

(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)

Offen ist, ob wir jemals an den Punkt kommen, an dem wir beim Rassismus sind. Es gibt Leute, die behaupten, dass Homophobie viel schwieriger anzugehen ist als Rassismus.

90minuten.at: Bei rassistischen Vorfällen wird schnell gestraft, wie etwa bei Union Gurten. Die UEFA hat die Bayern nach einem Match gegen Arsenal auch gestraft, es folgte eine Sektorensprerre. Was müsste nun passieren? Muss man Homophobie wie Rassismus behandeln? Kein Verein wird es sich gefallen lassen wollen, wenn hunderte Fans rassistische Gesänge singen, bei Homophobie eher schon.

Staritz: Zwischen Rassismus und Homophobie wird ein Unterschied gemacht. Da war die Bewusstseinsbildung erfolgreich. Offen ist, ob wir jemals an den Punkt kommen, an dem wir beim Rassismus sind. Es gibt Leute, die behaupten, dass Homophobie viel schwieriger anzugehen ist als Rassismus. Wir müssen aber trotzdem versuchen, mehr Bewusstsein in die Köpfe zu bekommen. Wenn ich dann Kollektivstrafen habe, diesen Weg gehe, dann muss ich konsequent sein. Auf Nachfrage bestätigen ja alle Vereine, dass Homophobie Diskriminierung ist. Wir haben auch gemeinsam mit ÖFB und Bundesliga eine Broschüre gemacht und da sind alle ganz stolz drauf. Wenn man dann konsequent ist, muss man Homophobie genau so bestrafen wie Rassismus. Aber ich glaube, dass Kollektivstrafen und Strafen überhaupt nicht die beste Lösungen sind. Es löst komische Gegenreaktionen aus, weil bei Kollektivstrafen löst es dann manchmal absurde Solidaritäten aus. Das tut dem Thema nicht gut, wenn eine kleine Gruppe homophob ist und dann die Kurve gesperrt wird, werden alle Gegenmaßnahmen setzen. Manchmal hat das gegenteilige Effekte. Durch Strafen ändert sich die Denke nicht. Kampagnen, Arbeit mit Jugendlichen, Sozialarbeit, Fanarbeit; Workshops, Veranstaltungen, Diskussionen – das dauert lange Zeit, ist aber sinnvoller. Der Fußball darf sich aber nicht darauf hinaus reden, dass er nur ein Spiegel der Gesellschaft sei. Es ist eine Tatsache, dass massive und offensichtliche homophobe Vorfälle sehr, sehr oft im Fußball passieren.

 

90minuten.at: Ich habe gerade beim Fußball oft das Gefühl, dass man auf den Weltstar, der sich outet wartet. Ist das so einfach, braucht es „nur“ den Real-, Barcelona- oder United-Star, damit sich etwas ändert?

Staritz: Ich finde es immer schwierig, wenn sich die mediale Debatte darauf verkürzt, dass wir alle auf den Superstar, der sich outet, warten. Das gibt dem schwulen Kicker die Schuld: Jetzt oute dich doch endlich! Wir müssen aber viel eher Verhältnisse und Strukturen schaffen, in denen das kein Thema ist. Da müssen alle daran arbeiten, damit wir toleranter werden. Wenn wir das haben, werden das keine großen Outings. Dann ist das halt so. Ich weiß auch nicht, was passieren würde, wenn sich beispielsweise Cristiano Ronaldo outen würde. Ich kann mir alle möglichen Szenarien vorstellen. Eines ist, dass es kein großes Thema ist, dass es viel Beifall gibt. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass es negativen Druck erzeugt.

Danke für das Gespräch!

 

Themenschwerpunkt Schwuler Fußball!?