Fritz Stuchlik: "Der Video-Beweis braucht nicht den vollen Zuspruch einer Ikone wie Buffon“ (2)

Kein Thema erhitzte im vergangenen Herbst die Gemüter so, wie die Diskussion um die Einführung des Video-Assistenten (VAR). Für ÖFB-Schiedsrichter-Manager Fritz Stuchlik ist die Einführung dennoch wünschenswert. Außerdem spricht er im großen 90minuten.at-Interview über Morddrohungen gegen Schiedsrichter, Regeländerungen und den Traum vom Elite-Schiedsrichter.

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90minuten.at: Eine große Änderung ist die Einführung des Video-Schiedsrichters. Macht dieser den Fußball wirklich gerechter?

Stuchlik: Zunächst einmal ist für mich jede technische Möglichkeit, die dem Schiedsrichter nützt um richtige Entscheidungen zu treffen, durchaus wünschenswert.

 

90minuten.at: Die Einführung war bisher kein großer Erfolg.

Stuchlik: In den meisten Ländern in denen der Video-Assistent eingeführt wurde, klappt es meines Wissens ganz gut. Mir sind weder aus Holland, noch Italien negative Meldungen bekannt. Aber natürlich, wir nehmen sehr viel aus Deutschland wahr und dort lief es wirklich etwas holprig.

 

90minuten.at: Auch in Italien ist er umstritten. Gianluigi Buffon hat die Einführung beispielsweise kritisiert. 

Stuchlik: Ich kann mir schon vorstellen, dass es für jemanden der viele Jahre ohne technische Hilfsmittel Fußball gespielt hat schwieriger ist sich an gewisse Dinge zu gewöhnen. Aber Sie werden auch viele Leute auf der Straße treffen, die es schrecklich finden, dass wir durch die Technik so mit dem Internet konfrontiert sind. Ich denke, der Videobeweis braucht nicht die vollständige Zustimmung einer Ikone wie Buffon.

 

Die derzeitige Situation ist nicht in Stein gemeißelt. Es ist durchaus möglich, dass man nach dieser Probezeit vieles ändert.

Stuchlik über den Status Quo beim Videoschiri

90minuten.at: Der Videobeweis wird sich also durchsetzen? 

Stuchlik: Das kann ich nicht sagen. Im Moment ist das Ganze ja nur ein Testlauf. Dazu braucht es einfach Echttests und das geht nur während einer Meisterschaft. Eines muss aber dazu noch gesagt werden.

 

90minuten.at: Nämlich?

Stuchlik: Die Erwartungshaltung muss ein wenig gebremst werden. Derjenige, der dort vor den Monitoren sitzt, greift nämlich nur dann ein, wenn eine Entscheidung klar unrichtig war. Es werden also künftig auch weiterhin 70:30-Entscheidungen vorkommen.

 

90minuten.at: Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Stuchlik: Ein einfaches Beispiel wäre wenn ein Spieler Gelb-Rot bekommt. Würde der Video-Assistent eingreifen und die Gelb-Rote Karte überprüfen, müsste er die erste Gelbe Karte genauso überprüfen wie alle Vergehen, die nicht mit Gelb geahndet wurden. Sonst gibt es ja keinen Vergleichswert. Es wird gerechter werden, ja, aber es wird keine absolute Gerechtigkeit geben.

 

90minuten.at: Zuletzt wurde in der deutschen Liga ein Elfmeter erst 50 Sekunden später gepfiffen. Soll Fußball künftig so aussehen?

Stuchlik: Der Video-Schiedsrichter sitzt vor einer Vielzahl von Monitoren. Wenn er aber einen Verdacht hat, muss das Spiel natürlich weiterlaufen während er diesen überprüft und überlegt welche Kamera-Einstellung er dem Feld-Schiedsrichter zur Verfügung stellt.

 

90minuten.at: Die Kamera-Entscheidung trifft also auch der Video-Assistent?

Stuchlik: Genau. Dann kann der Schiedsrichter unter Umständen eine zweite Einstellung fordern. Video-Assistent ist eine hochkonzentrierte Tätigkeit, und die dauert ganz einfach. Es wäre auch nicht hilfreich, wenn bei jedem Verdacht gleich etwas gemeldet werden würde.

 

90minuten.at: Gibt es eine Regelung wie lange eine Entscheidung des VAR dauern darf? 

Stuchlik: Nein, die gibt’s nicht.

 

90minuten.at: Gar nicht?

Stuchlik: Grundsätzlich kann der Schiedsrichter seine Entscheidung solange abändern, solange das Spiel nicht anders fortgesetzt wurde.

 

90minuten.at: Das bedeutet?

Stuchlik: Das bedeutet, auch wenn der Ball beispielsweise bereits über zwei Minuten noch im Spiel bleibt und ich komme darauf, dass da vorher etwas übersehen wurde, dann könnte ich noch immer unterbrechen und die Entscheidung revidieren. Auch wenn das sicherlich nicht die Wunschvorstellung der Zuschauer trifft.

 

90minuten.at: Stichwort Zuschauer: Häufig wird kritisiert, dass man sich im Stadion nicht mehr über ein Tor freuen kann. Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein oder?

Stuchlik: Ja gut, im Moment ist es Vorgabe, dass strittigen Szenen nicht im Stadion auf der Vidiwall wiederholt werden. Aber noch einmal, die derzeitige Situation ist nicht in Stein gemeißelt. Es ist durchaus möglich, dass man nach dieser Probezeit vieles ändert.

 

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