Sturm-Präsident Christian Jauk: "Wir haben die Besten immer verloren“ (2)

Sturm-Präsident Christian Jauk spricht bei 90minuten.at exklusiv über die vielen Abgänge, die sein Verein hinnehmen musste und warum das zugleich eine Chance sein kann.

90minuten.at: Sie haben vorher die gute Abo-Entwicklung angesprochen, die auch den Erfolgen der letzten Saison geschuldet sei. Außerdem haben Sie den hohen Grad an Identifikation der Fans mit dem Verein angesprochen. Trotzdem waren im Schnitt weniger Leute im Stadion als in den Jahren davor, trotz einer der erfolgreichsten Spielzeiten in den letzten zehn Jahren.

Jauk: Die gesamte Liga ist im Zuschauerschnitt gesunken. Die Entwicklung ist zudem nicht neu, das ist ein seit Jahren anhaltender Trend. Den müssen wir stoppen, das kann Sturm Graz aber nicht alleine tun. Die Relationen bleiben zudem stabil, zu Rapid kommen die meisten Fans, zu uns die zweitmeisten. Dass sich unsere erfolgreiche letzte Saison nicht in den Zuschauerzahlen widergespiegelt hat, freut uns natürlich nicht, aber wir haben uns die Gründe angesehen. Wir hatten viele Spitzenspiele im Winter, und das Stadionthema ist immer noch relevant.

 

90minuten.at: Aber das ist doch ein alter Hut. Das Stadion mag eine kleine Rolle spielen, das hat mit dem Trend aber nichts zu tun. Sie sagen, Sturm kann das nicht alleine angehen, was muss die Liga gemeinsam tun, um entgegenzuwirken?

Jauk: Ja, das Stadion ist nur ein Thema. Die Attraktivität der Liga insgesamt ist ein weiteres. Da passiert heuer mit dem neuen Modus bereits ein erster Schritt. Wir werden sehen, wie das ankommt. Die Meisterschaft und der Abstiegskampf bleiben hoffentlich länger spannend. In den letzten Jahren war die Erwartungshaltung bei uns gegen die sogenannten kleinen Klubs zu hoch. Wenn man sich gegen St. Pölten schwergetan hat, dann war die Enttäuschung gleich sehr groß und diese Spiele werden dann nicht mehr so angenommen. Unsere Spitzenspiele sind ausverkauft. Dort wo es emotionale Highlights gibt, wo die Stimmung passt, ist es anders.

Alle werden nie an einem Strang ziehen, weil die Egoismen des Fußballs viel zu groß sind. Es geht um kleine gemeinsame Nenner.

Jauk über Zusammenhalt

90minuten.at: Aber das gilt, aus der Sicht des SK Sturm, ja nur für Rapid. Nicht einmal gegen Red Bull, die stärkste Mannschaft der Liga, ist das Stadion voll. Wenn nur Duelle zwischen Sturm und Rapid wirklich mobilisieren, wie soll die Liga als Ganzes das Thema gemeinsam angehen, wenn fast alle anderen Klubs dazu nicht in der Lage sind?

Jauk: Es braucht als erstes eine anständige Infrastruktur und hier gibt es in Österreich Fortschritte. Als zweites sind die Traditionsvereine wichtig. Es müssen wieder mehr in die höchste Liga. Je mehr Vereine, die emotionalisieren, umso besser kann man das Thema bespielen. Natürlich verdient sich auch der „kleine“ Klub, der sportlich erfolgreich ist, den Platz in der Bundesliga. Fakt ist aber, wir brauchen die größeren Vereine, die ein geeignetes Umfeld haben. Und es gilt am Image der Liga insgesamt zu arbeiten. Das ist bei uns schlechter als die tatsächliche Qualität.

 

90minuten.at: Das mag sein. Aber ist nicht die Aufbereitung im Pay-TV ohnehin schon am Limit? Das sieht teilweise, im Vergleich zur Realität, fast „geschönt“ aus.

Jauk: Die Qualität von Sky ist hervorragend. Wir müssen aber auch den Stadionbesuch bewerben, der ein komplett anderes Erlebnis ist, als vor dem Fernseher zu sitzen.

 

90minuten.at: Aber jetzt weiß ich noch immer nicht, was eine Maßnahme wäre, die die Liga gemeinsam angehen könnte, um die Situation in den Stadien zu verbessern.

Jauk: Wir werden sehen, was der neue Modus bringt. Bislang war im März oft schon mehr oder weniger alles entschieden. Und wir müssen den Stellenwert des Fußballs insgesamt aufwerten. Es braucht alles zusammen. Wir müssen weg vom 'himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt'-Modus. Die Wirtschaft muss stärker ins Boot geholt werden. Wir haben in Österreich sehr viele Sponsoren aus dem halb-öffentlichen Bereich, da müssten viel mehr Private dazu.

90minuen.at: Sie sind seit neuestem im Aufsichtsrat der Bundesliga vertreten. Haben sie bei den Sitzungen den Eindruck, dass alle Vereine diesbezüglich tatsächlich an einem Strang ziehen, um für die Liga das Beste zu erreichen?

Jauk: Alle werden nie an einem Strang ziehen, weil die Egoismen des Fußballs viel zu groß sind. Es geht um kleine gemeinsame Nenner, die angestrebt werden müssen. Die sehe ich und das war nicht immer so. Das Interesse an einer insgesamt positiven Entwicklung verbindet alle Klubs. Ich werde versuchen meinen Beitrag dazu zu leisten.

 

90minuten.at Michael Krammer von Rapid hat sich aber zuletzt ausnehmend kritisch zur Zusammenarbeit in der Liga geäußert. Er wurde auch nicht in den Aufsichtsrat gewählt. Das klingt schon ein wenig nach Baustelle.

Jauk: Dass kein Wiener Verein im Aufsichtsrat vertreten ist, halte ich für kontraproduktiv. Es muss gelingen Austria und Rapid so gut als möglich einzubinden. Wir müssen in den nächsten Monaten proaktiv Schritte setzen, sonst wird alles was ich ausgeführt habe sehr schwer zu erreichen sein.

 

90minuten.at: Aber verstehen Sie den Kollegen Krammer, der zum Beispiel gar keine Freude damit hat, dass es kein ORF-Livespiel am Sonntag mehr gibt?
Jauk: Ich werde jetzt sicher nicht anfangen die Haltungen anderer Vereine zu beurteilen.

 

90minuten.at: Dann anders gefragt: Hätten Sie gerne weiterhin ein Spiel pro Woche im Free-TV gesehen?

Jauk: Natürlich ist so ein Wunsch nachvollziehbar. Beim TV-Vertrag haben Sturm und Rapid sehr ähnliche Interessen vertreten. Warum? Weil wir Nummer eins und zwei im Zuschauerranking sind und viel für den heimischen Fußball einbringen. Wer mehr für den Fußball tut, sollte bei den Fernsehgeldern mehr bekommen. Es gibt, siehe Talenteförderung und Österreichertopf, aktuell einen Mix über den sich manche mehr und manche weniger freuen. Zudem entwickelt sich der Fernsehmarkt in Österreich von einem Free-TV-zu einem Pay-TV-Markt, das muss man akzeptieren. So oder so, der Beschluss zum TV-Vertrag ist jetzt gefasst und das ist gut so.

 

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