Das Seelenleben von Pep Guardiola
Der spanische Autor Martí Perarnau wollte in seinem neuen Buch „Herr Guardiola: Das erste Jahr mit Bayern München" das Seelenleben des spanischen Spitzentrainers offenlegen. In Passagen ist ihm das auch durchaus gelungen. Davor, dazwischen und danach kann
Pep Guardiola ist kein Fußballtrainer wie jeder andere. Der Katalane gleicht vielmehr einer Gottheit am Spielfeldrand. Er ist Motivator, Präsentator und Stratege in ballesterischer Dreifaltigkeit. Einer, der wochenlang, 25 Stunden am Tag nach dem entscheidenden Schlüssel suchen kann, um die Abwehr seiner Gegner auseinanderzunehmen, dabei noch sympathisch rüber kommt, stets formvollendet gekleidet ist und unter Frauen ebenso wie unter Taktik-Aficionados und Stammtischbrüdern Anerkennung findet. Mit seiner Aura und seinem Auftreten überstrahlt er selbst so leuchtende Topclubs wie den FC Barcelona und den FC Bayern und dabei lässt er nie, nie, nie auch nur leiseste Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, Menschenführung und strategischen Gabe.
Umso bitterer ist es, dass es dem spanischen Journalisten und Schriftsteller Martí Perarnau in seinem neuen Buch „Herr Guardiola: Das erste Jahr mit Bayern München" nur sehr selten gelingt, hinter diese pepsche Kulisse zu blicken. Zwar gewährte der kleine Trainer-Katalane dem größeren Journalisten-Katalanen für das Porträt seiner ersten Bayern-Saison sensationelle Einblicke wie wohl keinem anderen vor ihm, Perarnau lässt diese Großchance aber links liegen und verliert sich zwischen Geheimtrainings, Kabinenansprachen, Spieler-Interviews und persönlichen Gesprächen in viel zu vielen Wiederholungen und Trainer-Überhöhungen.
Nicht, dass die vielen intimen Einblicke in Guardiolas Denke, Strategie und Arbeit uninteressant wären – ganz im Gegenteil! – aber derart unaufgeregt erzählt, bleibt viel Klasse auf der Strecke. So verkommt Guardiolas Absage an das „Tiki-Taka" zur beinahe langweiligen Zwischensequenz und der taktische Fehlgriff beim 0:4 gegen Real Madrid im Rückspiel des Champions League-Halbfinales rangiert auf derselben Aufregungs-Stufe wie die ersten Freundschaftsspiele vor Saisonbeginn. Die Entscheidung Philipp Lahm von der rechten Verteidigerposition ins defensive Zentrum zu ziehen wird dafür gefühlte hundert Mal bejubelt und von quasi allen im Buch vorkommenden Protagonisten als göttliche Eingebung des Übertrainers gehuldigt.
Zurück zum Irdischen, das leider auch einige Fehler aufweist: So bezeichnet Perarnau den SC Freiburg konsequent als FC Freiburg und unterschlägt der Autor dem Champions-League-Finale 2011 im Londoner Wembley Stadion ein Tor und lässt es nur mit einem 2:1-Sieg Barcelonas gegen Manchester United enden.
Diese Schlampigkeiten tun gerade bei einem Werk, dass sich der Perfektion eines Pep Guardiola nähern will, doppelt und dreifach weh und nehmen ihm beinahe jede Kaufempfehlung. Mit einer Einschränkung: Eingefleischte Guardiola-Jünger werden um das Buch nämlich trotz seiner Schwächen nicht umhin kommen, offenbart es doch dank Perarnaus exklusiver Zugänge immer wieder Einblicke in das Seelenleben und die Arbeit des Zauber-Trainers, die man so bislang noch nirgendwo lesen konnte. Ein wenig mehr Erzählfreude, Genauigkeit und Kompaktheit im Werk vorausgesetzt, wäre da aber noch viel, viel mehr möglich gewesen.
Martí Perarnau, „Herr Guardiola: Das erste Jahr mit Bayern München", Kunstmann Verlag, 320 Seiten.