Vienna-Fan schreibt für Vienna-Fans

„Fans schreiben für Fans“. Frei nach diesem Motto ist in den vergangenen Jahren eine als Bibliothek des Deutschen Fußballs bezeichnete Buchreihe entstanden, die nun ihre Fortsetzung auch in Österreich findet – Teil 1 beschäftigt sich mit dem First Vienna FC.

Gelesen von Jürgen Zacharias

 

Was denken Fans über ihren Lieblingsverein? Welche Aspekte der Teamhistorie sind ihnen besonders wichtig? Welche Facetten kritisieren und hinterfragen sie? Und: Wie leben sie die Verbundenheit zu ihrem Herzensverein im Alltag? Fragen über Fragen, die am besten Fans selbst beantworten und genau dafür wurde vor einigen Jahren mit der „Bibliothek des Deutschen Fußballs“ der entsprechende Rahmen geschaffen. In der Buchreihe bereits erschienen sind Fußballfibeln etwa zu Hansa Rostock und Union Berlin, aber auch zum 1. FC Köln, zum 1. FC Nürnberg und zu Branchengrößen wie Borussia Mönchengladbach, dem FC Bayern und vielen anderen deutschen Vereinen.

Gemeinsam mit Thomas Pöltl von der Ersten Österreichischen Fußballbibliothek der Büchereien Wien hat Herausgeber Frank Willmann das Konzept nun auch nach Österreich gebracht und kürzlich vier österreichische Fußballfibeln rund um die Vienna, den Wiener Sport-Club, Austria und Rapid auf den Markt geworfen.

Für erstere – Teil 1 der Serie – zeichnet Alexander Juraske verantwortlich. Eh klar wird nun wohl der eine oder andere denken, der 1974 als Enkel eines ehemaligen Vienna-Profis geborene blau-gelbe Anhänger gilt schließlich als so etwas wie der schreiberische Hansdampf in allen Gassen der Vienna und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Publikationen rund um seinen Lieblingsverein verfasst – unter anderem die 2017 erschiene (übrigens sehr interessant zu lesende) Vereinsgeschichte „Blau-Gelb ist mein Herz“. Eine rund 40-seitige Zusammenfassung der Vienna-Historie stellt Juraske auch seiner Fußballfibel voran. Im Anschluss daran gibt er kurze Einblicke zum sportlichen Status Quo und in die Fanszene der Vienna, bevor er direkt zum Herzstück seiner Fibel überleitet: In zehn Interviews lässt er Szenevertreter unterschiedlichster Generationen zu Wort kommen und über besondere Erlebnisse, ihre Fanbindung, die Gründung von Fanklubs und vielem mehr erzählen.

Karin berichtet in einem der Interviews beispielsweise von der Organisation der Auswärtsreisen in den 1980er-Jahren und der Fahrt mit Fiakern zum Cupfinale 1997. Der 70-jährige Leo erinnert sich an den Meistertitel 1955 und sein erstes Spiel auf der Hohen Warte – ein 3:2-Sieg gegen den 1. Simmeringer SC im Meisterjahr. Weniger nett ist die Episode, von der Fan Erwin von seinem Vater zu berichten weiß, der in den 1920er-Jahren in der Vienna-Reserve gespielt hatte. „Bei einem Match ist er vom Bruder vom Josef Uridil in die Spielfeldbegrenzung aus Holz geschmissen worden. Dabei hat er sich eine schwere Kieferverletzung zugezogen und musste mit dem Kicken aufhören.“ Dudelsack-„Vorspieler“ Edi wiederum erzählt von seinen Anfängen als Fantribünen-Musikant und wie er zu seinem Spitznamen „Regenjacken-Edi“ kam. Thomas sieht neben dem Fußball auch in der Musik ein bindendes Element für die blau-gelbe Fanszene und der Südtiroler Ale klärt als Gründungsmitglied der Vienna Wanderers über die organisierte Anhängerschaft auf der Hohen Warte auf.

So entsteht über die Seiten ein Sammelsurium an Eindrücken, Informationen und subjektiven Sichtweisen, die die Vienna-Fibel auch für Fans anderer Vereine interessant machen – und die einen tiefen Einblick in die Faszination des ältesten österreichischen Fußballvereins geben. Oder wie Annika und Jan, die sich auf der Hohen Warte kennen und lieben lernten, im Doppelinterview zu Protokoll geben: „Die Hohe Warte ist ein Ort, an dem man sich in den Fußball verlieben kann.“ Aber eben auch ineinander.