Rapidler schreibt für Rapidler

„Fans schreiben für Fans“. Frei nach diesem Motto ist in den vergangenen Jahren eine als Bibliothek des Deutschen Fußballs bezeichnete Buchreihe entstanden, die nun ihre Fortsetzung auch in Österreich findet – Teil 2 beschäftigt sich mit dem SK Rapid Wien.

Gelesen von Jürgen Zacharias

 

Die Sicherheitsvorkehrungen im Horr-Stadion beim Wiener Derby Austria gegen Rapid am 22. Oktober 2005 waren so hoch wie sonst nur bei einem Europacupmatch im ausverkauften Ernst-Happel-Oval. Dennoch gelang es Fans der grün-weißen Mannschaft, Feuerwerkskörper in ihren Sektor zu schmuggeln. Ein Raketenregen verzögerte den Spielbeginn um 30 Minuten, was Peter Jedelsky, Fanbetreuer der Polizei, allerdings nicht überbewerten wollte. ,Es hat schlimmer ausgeschaut, als es tatsächlich war.’ Überrascht war Jedelsky allerdings davon, dass sich nicht nur die kleine Gruppe der bekannten radikalen Fans an den Aktionen gegen Austria-Tormann Joey Didulica beteiligten. Didulica stand zum ersten Mal nach seinem schweren Foul gegen Rapid-Stürmer Axel Lawaree wieder bei einem Derby am Platz. ,Das war Hass von 2.000 Leuten.’“

Warum wir dieser Buchbesprechung einen Derby-Nachbericht der Austria Presse Agentur (APA) von vor 14 Jahren voranstellen? Weil der 22. Oktober 2005 auch in der neuen Rapid-Fußballfibel eine wichtige Rolle spielt. Autor Thomas Lanz – der über viele Jahre hinweg die Choreographien der Ultras Rapid im Block West plante und nicht nur deshalb als absoluter Insider der grün-weißen Fanszene gilt – beschreibt in Form eines Spieltagtagebuchs Geschichten, Fakten und Anekdoten rund um den österreichischen Rekordmeister. Die historischen sportlichen Erzählungen und Betrachtungen hat man so oder ähnlich ausführlicher in anderen Büchern nachlesen. Spannend und interessant machen die Fußballfibel hingegen die Ausflüge in Vergangenheit und Gegenwart der grün-weißen Fanszene. Da erzählt Thomas Lanz anlässlich von Spieltag 7 (2:2 auswärts bei RB Salzburg) etwa von der jahrelangen Rivalität zu den Anhängern der Salzburger Austria und an Spieltag 12 (1:0 Auswärtssieg bei der Austria) eben vom „Didulica-Derby“ am 22. Oktober 2005. Damals führten – der einleitenden kalmierenden Beschreibung von Jedelsky zum Trotz - Fackeln, Rauch und Leuchtstifte im Derby 1 nach dem verheerenden Didulica-Foul an Axel Lawaree fünf Monate zuvor – zu einem Beinahe-Abbruch. Im Umfeld kam es zu Attacken auf den Austria-Mannschaftsbus und Rangeleien am Verteilerkreis Favoriten, die Atmosphäre konnte durchaus als „aufgeladen“ bezeichnet werden.

Lanz erzählt in Randnotizen immer wieder auch eher unbekannte Details, etwa von der früheren Freundschaft der Ultras Rapid zu den Verrückten Köpfen nach Innsbruck und den Kontakten der erlebnisorientierten Fraktion zum GAK nach Graz. Interessant sind auch die Hintergründe, warum in den Jahren 1994 bis 1996 auswärts und ab und zu auch im Block West ein Fetzen mit der Aufschrift „SV RIED – SK RAPID – SIMLY THE BEST!“ hing oder wie und wann sich die „Sektion Stadionverbot“ bildete.

Herzstück des Buches sind rund 30 Seiten zur Geschichte der Rapid-Fanszene: Von den Fahnenschwerkern zu den Hooligans und weiter über die Gründung der Ultras bis in die Neuzeit. Interessant ist auch ein ausführliches Interview mit Langzeit-Präsident Rudolf Edlinger über Fanattacken, Platzstürme, geschasste Trainer und „Fußballgott“ Steffen Hofmann. Edlinger: „Ich habe mich nie in Spielertransfers eingemischt, außer, als er 2006 aus München zurückkam. Ich wusste von seiner Schwiegermutter, dass er dort nicht glücklich ist. Als ich beruflich in München zu tun hatte, haben wir uns zum Abendessen getroffen. Ich habe ihm angeboten, zu denselben Konditionen wie davor zurückzukommen – obwohl die sportliche Leitung damals dagegen war. Mehr war nicht drin. Nach zwei Tagen hat er mich angerufen und zugesagt. Ich kann der Ära Matthäus bei uns nur wenig Gutes abgewinnen, aber, dass der Steffen bei uns gelandet ist, haben wir ihm zu verdanken.“