Hurra, wir gründen einen Klub!

Alina Schwermer beschreibt in ihrem Buch „Wir sind der Verein“ die Gründungsgeschichten, Erfolgsstorys und Problemfelder von neun europäischen Fanvereinen – von Israel über Deutschland und Spanien bis Österreich.

Gelesen von Jürgen Zacharias

 

Vom FC United of Manchester, Austria Salzburg und dem AFC Wimbledon haben hierzulande die meisten Fußballfans wohl schon gehört. Vom AFC Telford United, CAP Ciudad de Murcia und Beitar Nordia vermutlich weniger. Dabei verbindet die Vereine eine ähnliche Geschichte, sie alle werden nämlich von Fans geführt, gelenkt und gesteuert. Die Kontrolle der Klubs liegt ganz und gar in ihren Händen, Großsponsoren oder internationale Konzerne sucht man vergebens.

Das mag Fußballromantiker von längst vergangenen Zeiten träumen lassen, sorgt aber auch – und das ist die Kehrseite der Medaille – für Probleme. Wenn zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein tiefer Krater aufgeht, beim Aufstieg in höhere Ligen die Marktmechanismen des Fußballgeschäfts zu greifen beginnen oder schlichtweg die Ausrichtung des Vereins zwischen Fußballspielen einerseits und sozialem Engagement andererseits hinterfragt wird stoßen auch Fanvereine an ihre Grenzen. Oft ist es gut, diese Grenzen kennenzulernen und den Verein daran neu auszurichten. Manchmal werden diese Grenzen aber auch zu Hürden, die nur schwer zu überspringen sind wie Alina Schwermer in ihrem Buch „Wir sind der Verein“ etwa im Kapitel „Biedermänner und Brandstifter“ am Beispiel von Austria Salzburg beschreibt. Die hochtrabenden Pläne mit dem Ziel einer möglichst raschen Bundesliga-Rückkehr hätten dort beinahe zum Untergang des Klubs geführt, mitten im Höhenflug ging es für Violett abrupt bergab. Der Streit um Macht und Ausrichtung hinterließ viel verbrannte Erde. Zwischenzeitlich entschuldet scheinen die Mozartstädter nun in der viertklassigen Salzburger Liga oder (so in den nächsten Jahren der Aufstieg gelingen sollte) in der Regionalliga West ihr natürliches Habitat unterhalb des Profifußballs gefunden zu haben.

 

Die zuvor genannten Grenzen und Hürden scheinen Aufstiege von Fanvereinen nur bis in obere Amateurligen zuzulassen, wie auch Schwermer ausführt. „Solange die Branche weiter so viel Geld umsetzt, werden Vereine, die ihr Geld mehrheitlich von Fans einnehmen, sehr geringe Chancen haben, bis in den Profibetrieb vorzudringen“, schreibt sie und kann dieser Limitierung aber durchaus Positives abgewinnen. „Sie (Anm.: die Fanvereine) funktionieren aber auch besser, wenn sie lokale Community-Projekte bleiben: Echte Mitsprache der Basis ist in einem kleinen, eher homogenen Fanverein sehr gut möglich. Bei zu großem sportlichen Erfolg, wenn die Anforderungen ans Management wachsen, schwindet der Einfluss der Basis notgedrungen, die Interessen driften auseinander und die Kommunikation ist deutlich schwieriger.“

 

Dass aber Fanvereine auch auf höherem Niveau funktionieren können, zeigt gleich das erste Kapitel von „Wir sind der Verein“. Der AFC Wimbledon bildet die berühmte Ausnahme von der Regel, aus dem Nichts heraus brachten Fans die Neugründung von Liga neun bis in Liga drei. Dort spielt der AFC aktuell zwar gegen den Abstieg, in punkto Infrastruktur arbeitet der Verein aber am Aufstieg. Auf dem Gelände einer alten Hunderennbahn sollen ab Sommer nur 200 Meter entfernt von den Wohnblöcken, die auf dem Ground des Vorgängervereins erreichtet wurden, die Bagger rollen. Innerhalb eines Jahres soll um satte 25 Millionen Pfund ein 20.000er-Stadion errichtet werden.

 

Ob der AFC Telford United, NK Zagreb 041 oder Beitar Nordia jemals vor ähnlichen Überlegungen stehen werden, darf bezweifelt werden. Trotzdem lesen sich die von Alina Schwermer verfassten Kurzporträts stets interessant und bisweilen sogar inspirierend. Zwischen Seite 102 und 120 möchte man es im Kapitel „Eine neue Avantgarde“ jedenfalls am liebsten wie José Francisco Navarro machen, der im spanischen Murcia nach der Absiedelung seines Lieblingsteams kurzerhand einen eigenen Verein ins Leben gerufen hat. Der junge Spanier setzte damit den Startschuss zu einer der erfolgreicheren Fanverein-Episoden und brachte mit seinem Team nicht nur fußballerisch neues Leben in die Stadt.

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