Joachim Standfest: "Bin keiner, der auf den zweiten Ball spielen will"
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Joachim Standfest: "Bin keiner, der auf den zweiten Ball spielen will"

SCR Cashpoint Altach Trainer Joachim Standfest und Sky Experte Alfred Tatar zu Gast im Sky Sport Austria Podcast „DAB|Der Audiobeweis“.

Das Schlimmste in der Woche nach Salzburg war, dass uns jeder auf die Schulter geklopft hat und gesagt hat ‚Ihr wart eh super.‘, obwohl man 2:0 verloren hat. Das ist dann lästig und nervig.

Joachim Standfest

Ich will nicht 47 Bälle spielen und dann nicht zum Abschluss kommen. Die Trainer, die ich jetzt intensiver verfolge, sind auch Trainer, die aus der Red Bull Schule herauskommen.

Joachim Standfest

Joachim Standfest (Trainer des SCR Cashpoint Altach):
…über die Niederlage von Sturm Graz gegen PSV Eindhoven im Hinspiel der Champions League Qualifikation: „Ich habe auch gehofft, dass Sturm näher dran ist. Aber ich glaube, Roman Mählich hat es eh auf den Punkt getroffen. Das war nahe an der Weltklasse von PSV. PSV ist eine richtig gute Mannschaft und es hat mich auch sehr überrascht, wie stark die wirklich sind.“

…über seine Eindrücke von der Mannschaft nach den ersten beiden Runden in der ADMIRAL Bundesliga: „Zwei unterschiedliche Blickwinkel. Wir haben einen sehr großen Umbruch gehabt, es war eigentlich klar, dass sich von der letzten Saison was verändern muss. Wir sind jetzt seit vier Wochen gemeinsam im selben Boot und haben durchaus ansprechende Leistungen gebracht. Sowohl in den Vorbereitungsspielen als auch gegen Salzburg. Gegen Rapid ist es jetzt schief gegangen. Auf der einen Seite hat es mich schon überrascht, weil die Kurve wirklich steil nach oben gezeigt hat. Im Nachhinein, wenn ich darüber nachdenke, ist es nicht überraschend, dass das irgendwann einmal passiert. Wir haben sehr viele neue Spieler, da passt noch nicht viel zusammen und gerade wenn etwas in die Hose geht, wie bei diesem Spiel, dann multipliziert sich das Ganze, gerade wenn du eine neue Mannschaft bist. Das hat man auch gesehen, wir waren zu offen, haben die falschen Mittel gewählt. Wir sind dann immer mannorientierter geworden, haben die Räume für Rapid immer weiter geöffnet und das passiert dann. Sollte nicht passieren, aber wir können nichts daran ändern und da gilt es jetzt anzusetzen und weiterzumachen.“

…über die Kaderzusammenstellung: „Wir sind schon sehr zufrieden damit, wie wir den Kader zusammengestellt haben, sind vielleicht aber noch nicht ganz fertig. Es ist natürlich so, dass wir keine großen Sprünge machen können. Wir haben uns bei vielen Spielern persönlich extrem bemüht, dass sie zu uns kommen. Wir haben natürlich auch ein Argument mit unserem Campus jetzt, das richtig gut ausschaut. Aber im Fußball entscheidet trotzdem immer mehr das Geld. Es ist wirklich so, dass du zehn neue Spieler holst, aber die Spieler, die uns das garantieren, dass wir einen Schritt nach vorne machen, die sind eine andere Preisklasse. Wir haben es jetzt auch oft erlebt, dass wir Probleme haben, mit der dritten deutschen Liga zu konkurrieren, das macht es natürlich nicht einfacher. Wir haben jetzt den Umbruch gestartet, aber es ist sicher noch nicht so, dass wir sagen, wir sind fertig und das ist unsere Idealvorstellung. Wir sind aber mit den Spielern, die zu uns gekommen sind, sehr zufrieden und sehen einen Weg, wie wir mit ihnen arbeiten können. Es wird aber, und das haben wir vom ersten Tag weg gesagt, wieder ein Kampf gegen den Abstieg werden. Wenn wir es schaffen, dass wir drei oder vier Runden vor Schluss nicht gefährdet sind, dann haben wir, glaube ich, eine gute Saison gespielt. Das Ziel jetzt ist es, dass wir einen guten Stamm finden und vielleicht im Winter und nächsten Sommer noch einmal verstärken können. Dann kann man schauen, dass man sich nach oben orientiert. Alles andere ist nicht realistisch, auch wenn viele das gerne anders hören und sehen würden.“

…über weitere mögliche Neuzugänge im Sommer: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch etwas passiert. Es ist, glaube ich, eh bekannt, dass wir auf der Suche nach einem Stürmer sind. Das hat sich jetzt nicht verändert, nachdem wir Alex Schmidt nicht verpflichten konnten. Wir sind auf der Suche, es wird aber natürlich auch immer schwieriger, da wirklich wen zu finden, der uns dann weiterhilft.“

…über die kommenden Gegner und Aufgaben in der Bundesliga: „In erster Linie waren wir in den ersten zwei Spielen der klare Underdog, auch wenn es einige gerne anders gesehen hätten. Vor allem im zweiten Spiel, weil Rapid gesehen hat, dass wir in Salzburg gar nicht so weit weg waren. Es ist ein Spiel auf Augenhöhe. Gegen Lustenau haben wir einiges gut zu machen, was letzte Saison betrifft, aber alle Spiele und alle Gegner sind in unserer Reichweite, denke ich. Deswegen werden das, allein von der Ausgangssituation, andere Spiele. Wo die Stärken der Mannschaften dann wirklich liegen, ist, glaube ich, nach zwei Runden noch ganz schwer abzuschätzen.“

…über die Enttäuschung der Mannschaft nach den Niederlagen gegen Salzburg und Rapid Wien: „Natürlich waren sie enttäuscht, nach beiden Spielen. Das Schlimmste in der Woche nach Salzburg war, dass uns jeder auf die Schulter geklopft hat und gesagt hat ‚Ihr wart eh super.‘, obwohl man 2:0 verloren hat. Das ist dann lästig und nervig. Ich glaube, dass sie gegen Rapid selber sehr enttäuscht waren, was dann im Endeffekt rausgekommen ist. Wir sitzen alle im selben Boot und da geht es jedem gleich. Jeder Fußballer, der irgendwann mal auf einem Fußballplatz gestanden ist, ist enttäuscht, wenn er verliert. Wir haben am Sonntag dann versucht, das aufzuarbeiten mit Videos, um die Sachen zu finden, an denen es gelegen ist. Wir haben dann mit vielen Spielern die Einzelgespräche gesucht, woran es aus ihrer Sicht gelegen ist und es schlagen immer wieder alle in die gleiche Kerbe. Deswegen haben wir das gut aufgearbeitet, jetzt geht es wieder los und wir bereiten uns vor auf die WSG. Dass wir Rückschläge erleiden werden, war von Anfang an eingeplant. Das ist auch so kommuniziert mit der Mannschaft und sie haben da einen sehr realistischen Zugang, was die letzten zwei Jahre betrifft.“

…über den Schockmoment von Torhüter Stojanovic: „Es war eine Schrecksekunde für uns alle, weil er ein richtig gutes Spiel gemacht hat. Wenn man sich nach dem Spiel beim Tormann bedanken muss, dass man nicht höher verloren hat, weiß man, wie man sich präsentiert hat. Es war für ihn auch ein Schockmoment, weil er direkt in die offene Sohle hineingerutscht ist. Natürlich tut das im ersten Moment sehr weh, aber es hat sich zum Glück schon im Spiel herausgestellt, dass er weiterspielen kann und nicht schwerer verletzt ist. Er hat einen größeren blauen Fleck am Schienbein, aber das ist auszuhalten.“


…über seine Spielphilosophie mit Altach: „Wir müssen anfangs schauen, dass wir defensiv stabil sind, damit uns das nicht mehr passiert. In meiner Idealvorstellung ist es so, dass ich natürlich gerne Fußball spielen möchte. Ich bin keiner, der auf einen zweiten Ball spielen will, habe auch in meiner Zeit bei Sturm mit Heiko Vogel viel gelernt, was Ballbesitz betrifft. Das ist aber etwas, was ich nicht ausreizen will. Ich will nicht 47 Bälle spielen und dann nicht zum Abschluss kommen. Die Trainer, die ich jetzt intensiver verfolge, sind auch Trainer, die aus der Red Bull Schule herauskommen, aber sich trotzdem weiterentwickeln. Marko Rose, Roger Schmidt und auch Oliver Glasner verfolge ich extrem gerne. Das sind Sachen, die den modernen Fußball wieder mit Fußball vereinen. Gerade Roger Schmidt ist ein Paradebeispiel, wie er das jetzt in Portugal macht. Dass man die Grundzüge des modernen Fußballs, wo es sehr viel um Athletik geht, wieder dort hinbringt, dass es um Fußball geht. Und nicht nur darum, den Ball vorne reinzuschießen und dann mit Spielern mit sehr hoher Qualität nachzupressen, sondern auch das ein bisschen vereint. Mannschaften wie Barcelona oder Real, in die Richtung, vereint mit dem, was im modernen Fußball aktuell ist.“

…über die Veränderung des Außenbahnspielers im Laufe der Zeit: „In erster Linie hat es sich extrem athletisch verändert. Natürlich musst du ein guter Spieler sein. Je besser du als Spieler bist und je besser du das damit kombinieren kannst, dass du über 90 Minuten auf und ab marschieren kannst, desto höher geht es nach oben. Wenn ich zurückdenke an die Zeit, wo ich in die Bundesliga gekommen bin, glaube ich, dass es einer meiner großen Vorteile war, dass ich einer der ersten Spieler in die athletische Richtung war. Das hat mir viel Einsatzzeit gebracht und es hat sich einfach so entwickelt, dass du ohne dem gar nicht mehr infrage kommst, so eine Position zu bekleiden. Damals war es wirklich eine Qualität oder ein Alleinstellungsmerkmal und jetzt bist du gar kein Thema für diese Position, wenn du diese Athletik nicht mitbringst.“

…über seine aktive Karriere: „Was mir etwas bedeutet ist, dass ich fast 20 Jahre Stammspieler in der Bundesliga war. Dass ich gefühlt 25 bis 30 Trainer gehabt habe und mich überall durchgesetzt habe, auch in die Richtung, dass ich von den 508 Spielen sehr viele vom Beginn an gemacht habe. Aber ob das jetzt 508 Spiele sind oder 420 ist mir relativ egal. Dietmar Ramusch wollte ich auch gar nicht überholen, er war quasi mein Lehrmeister. Von ihm habe ich extrem viel mitgenommen und er hat sich auch extrem um mich bemüht, als ich jung war. Er war immer für mich da und es ist für mich persönlich schön, da in einer Linie mit ihm zu stehen.“

…über die persönliche Weiterentwicklung: „Die persönliche Weiterentwicklung hört meiner Meinung nach sowieso nie auf, du nimmst immer wieder neue Sachen mit. Als ich als Spieler aufgehört habe, hatte ich meine ganz konkrete Vorstellung und habe die bei den Sturm Amateuren durchgezogen, wie ich es mir gedacht habe. Ich war dann eigentlich sehr erfolgreich und habe aber in Wahrheit nicht gewusst, was ich gemacht habe und wie das funktioniert hat. Die Jungs haben mir aus der Hand gefressen und wollten alle, das war mein großer Vorteil. Ich habe jetzt in den letzten Jahren schon viel mitbekommen und mich viel weiterentwickelt, was den Job als Trainer betrifft, der natürlich ganz anders ist als der Job als Spieler. Du hast schon ein bisschen Ahnung vom Fußball, aber wie du das transportierst, ist das Wichtigste. Ich war bis Amstetten auf einem ganz anderen Niveau als jetzt. Es war für mich ein Glücksfall, dort eineinhalb Jahre in der Akademie arbeiten zu dürfen. Da musst du einfach viel genauer sein und du lernst, das, was du von den Spielern haben willst, anders zu transportieren. Solang du im Profibereich bist, gehst du immer davon aus, dass alle verstehen, was du von ihnen willst. Und im Endeffekt verstehen es drei von 25. Und das hat mir extrem geholfen in den letzten eineinhalb Jahren, mich da weiterzuentwickeln. Auch, meine eigene Spielerkarriere abzuschließen und wirklich in das Trainergeschäft einzutauchen, obwohl ich schon fünf Jahre drinnen war. Das war ein Glücksfall für mich, dass ich das machen haben können.“

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