Homosexualität im Fußball: Offener Brief von Teamspielerin Viktoria Schnaderbeck

Die Nationalteamspielerin wendet sich mit einem sehr persönlichen offenen Brief an die Öffentlichkeit: "Im 21. Jahrhundert darf es keinen Platz für Homophobie, Rassismus, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung geben."

Im 21. Jahrhundert darf es keinen Platz für Homophobie, Rassismus, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung geben. Unser Planet – unter anderem das Fußballstadion – soll ein Platz für Diversität, Inklusion und Fairness sein.

Viktoria Schnaderbeck

Der offene Brief von Viktoria Schnaderbeck im Wortlaut: 

 

Vor wenigen Wochen hat ein in der englischen Premier League spielender schwuler Fußballer einen offenen Brief über das Geheimhalten seiner Sexualität geschrieben, welcher im „Daily Mirror“ und in der „Sun“ veröffentlicht wurde und daraufhin große Wellen schlug. Eine Aussage darin lautete: „Die Wahrheit ist, dass ich einfach nicht glaube, dass Fußball schon bereit dafür ist, dass sich ein Spieler outet. Es bräuchte radikale Veränderungen, dass ich mich für diesen Schritt bereit fühlen würde.“

Und an dieser Stelle möchte ich mich zu Wort melden. Ich möchte meine Stimme erheben. Ich werde keine radikale Veränderung bewirken, aber ich möchte einen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen. Um als professioneller Fußballer oder professionelle Fußballerin unvoreingenommen, befreit und entfesselt über Homosexualität sprechen zu können, erfordert sehr viel Mut und nicht zuletzt Überwindung. Wenngleich die Wunschvorstellung einer emanzipierten, entwickelten und toleranten Gesellschaft existiert, ist die Realität immer noch stark geprägt von Vorurteilen, Tabus und heteronormativen Einstellungen. 

Ich habe mich Ende des letzten Jahres bewusst dazu entschieden, meine Beziehung zu meiner Freundin öffentlich zu machen. Ich habe mich bereit gefühlt und wollte endlich den kleinen Lügen ein Ende setzen. Ich wollte uneingeschränkt und befreit leben und zu 100% ich selbst sein. Ob es mir schwer gefallen ist? Natürlich. Ich stehe in der Öffentlichkeit und habe eine gewisse Fanbase. Medien und Fans werden darauf reagieren – das war klar. Allerdings nicht, in welchem Ausmaß und in welcher Form. Aber mir wurde immer mehr bewusst, dass ich eine einzige Entscheidung für mich treffen muss: Möchte ich mein Leben genau so frei und uneingeschränkt leben, wie ich es möchte oder möchte ich mein Leben so leben, damit ich es heteronormativ programmierten Menschen Recht mache? Die Antwort war klar und ich fühlte mich bereit: ich möchte mich öffentlich bekennen, dass ich lesbisch bin.

Aber eines ist wichtig an dieser Stelle zu erwähnen. Viktoria Schnaderbeck mit 20 oder 25 Jahren hätte noch anders gehandelt. Mit 20 Jahren hätte ich mir selbst eingeredet, dass es nur eine Phase sei. Ich hätte gelogen und vielen Menschen aus meinem Umfeld etwas vorgespielt. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als ich geweint hatte, als mich meine Mama mit der Frage konfrontierte „ob ich eine Freundin hätte?“. Ich bin in Tränen ausgebrochen, weil ich mich geschämt hatte, ich mich schuldig fühlte und schlichtweg nicht zu meiner Sexualität stehen konnte. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass meine Eltern nie ein Problem mit meiner sexuellen Orientierung hatten. Es war lediglich ich selbst, die ein Problem hatte, ein großes und tiefliegendes. 

Mit 25 Jahren hätte ich mir dann schon eingeredet, dass es ausreichend ist, wenn es meine Familie und Freunde wissen, aber mein berufliches und erweitertes Umfeld davon ausgeschlossen bleiben. Heute, mit 29 Jahren, rede ich mir nichts ein, sondern weiß, dass ich auf Frauen stehe. Heute weiß ich, dass sexuelle Orientierung überhaupt nicht wichtig ist. Dass es überhaupt keine Rolle spielt, welches Geschlecht ich liebe. Viel wichtiger ist, dass ich liebe. Ich glaube auch, dass Sexualität vor allem durch die Gesellschaft Wichtigkeit bekommt. 

Daher möchte ich gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Ich möchte einen Beitrag zu einer besseren, toleranteren und friedlicheren Welt leisten. Je mehr wir darüber sprechen, desto eher schaffen wir einen Rahmen, wo sich Leute nicht mehr schämen müssen. Einen Rahmen, in dem Tabus zum Thema Sexualität gebrochen und stigmatisierte Denkweisen abgelegt werden.

Im 21. Jahrhundert darf es keinen Platz für Homophobie, Rassismus, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung geben. Unser Planet – unter anderem das Fußballstadion – soll ein Platz für Diversität, Inklusion und Fairness sein.

Fußball ist Fußball. Und Liebe ist Liebe. 

 

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