On tour: Fünf Tage, fünf Spiele, 15 Tore

Was haben das Stadio Olimpico in Rom, das Stade Louis II in Monaco, das San Siro in Mailand und die Grazer UPC Arena gemeinsam? Nichts, wir haben sie trotzdem zu einer Groundhopping-Tour verbunden. Von Jürgen Zacharias .


Wer eine Reise tut, hat bekanntlich was zu erzählen. Von fremden Sitten beispielsweise. Anderen Esskulturen, freundlichen oder abweisenden Menschen, unvermuteten Entdeckungen, ungewohnten gesellschaftlichen Gewohnheiten oder beeindruckenden Landschaften. Oder auch von ballesterischen Horizonterweiterungen, wie wir sie vergangene Woche bei unserer Tour von Rom über Monaco und Mailand bis nach Graz erleben durften.


Der Beginn verläuft unspektakulär. Mit Air Berlin geht es via Schwechat nach Rom-Fiumicino, anschließend umständlich mit dem Bus ins Stadtzentrum. Dort angekommen, beziehen wir nach einem Einstandsbier (Peroni! Besser als so manches heimische Gebräu) in Bahnhofsnähe Quartier und machen uns über die erste Pizza her. Danach ist „culture time“. Vorbei am Kolosseum, dem Pantheon und der zuvor stundenlang von Bayern Fans belagerten Spanischen Treppe geht es mit Metropolitana und Bus zum ersten eigentlichen Ziel unserer Reise: dem Stadio Olimpico der beiden Stadtrivalen AS Roma und Lazio Rom. Während die Blau-Weißen dieses Jahr europäisch nur Zaungast sind, bekommt es der Totti-Club AS heute Abend mit Pep Guardiolas Münchnern zu tun. Die Hoffnungen der Romanista sing trotz der zuletzt stark aufspielenden Bayern groß – eine mögliche 1:7-Packung klingt vor dem Spiel so unwahrscheinlich wie ein Wechsel Tottis zum Stadtrivalen. Erstmals seit Jahren ist ein Heimspiel der Orange-Roten denn auch ausverkauft, die Vereinshymne „Roma, Roma, Roma“ wird zum knapp zweiminütigen Gänsehauterlebnis. „Roma Roma Roma, core de stà città, unico grande amore, de tanta e tanta gente, che fai sospirà.“

 




Danach? Staunende Gesichter. Ungläubige Blicke zum Sitznachbarn. Gesten der Fassungslosigkeit. Und ein FC Bayern, dem gerade in der ersten Halbzeit alles aufgeht, was einem Fußballteam nur aufgehen kann. Arjen Robben, Robert Lewandowski und Mario Götze hauen den Römern Tor um Tor in die Maschen, erst Anfang des zweiten Durchgangs kommen dann auch die Hausherren ein wenig auf, am 1:7-Debakel ändert das aber nichts mehr. Die Zeitungen werden am nächsten Tag mit Formulierungen wie „Der FC Bayern brennt Rom nieder wie Nero“ und „Es hat schon Schlägereien zwischen Grundschulkindern und Profiboxern gegeben, die ausgeglichener waren“ aufmachen.

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Im Hier und Jetzt des Stadio Olimpico ist die höchste Europacup-Heimniederlage der Roma noch nicht so klar in Worte zu fassen. Nicht für uns neutrale Besucher, aber auch nicht für die Roma-Fans, die trotz des Desasters am Rasen mit Gesängen den rund 6.000 euphorischen Bayern-Fans Paroli bieten. Nach Schlusspfiff dann ein ungewöhnlicher Moment: Romanista drängen zur Absperrung des Bayern-Blocks, ein Raunen geht durch die Reihen. Aber anders als beim letzten Aufeinandertreffen der beiden Teams 2007, als Römer versuchten den Block der Münchner zu stürmen, wollen sie dieses Mal Fanschal tauschen. Nicht einen, zwei oder drei. Nein, hunderte! Wechseln zuerst nur einzelne Fanutensilien über die Absperrung hinweg den Besitzer, fliegen bald schon dutzende Schals hin und her. Das Bild ist kurios, nicht nur aber vor allem nach dem desaströsen Spiel der Römer. Aber genau so soll Fußball sein. Respektvoll. Und mit groß geschriebenen FAIR PLAY.

 




Tags drauf in Monaco werden dann zwar zwischen den Fangruppierungen keine Schals getauscht, aber wieder ist die Stimmung positiv. Wieder ist Champions League-Zeit. Und wieder ist das Auswärts-Team zu favorisieren. Mit Benfica Lissabon kommt immerhin der Finalist der vergangenen beiden Europa League-Spielzeiten zu Gast ins Stade Louis II und dementsprechend selbstbewusst präsentieren sich die Portugiesen auch in den Anfangsminuten. Da die Abgänge von Torhüter Jan Oblak (zu Atlétivo Madrid), Lazar Markovic (FC Liverpool), André Gomes (FC Valencia) und Óscar Cardozo (Trabzonspor) in der Sommerpause die Klasse aber scheinbar doch stärker als gedacht gedrückt haben, wird aus Selbstbewusstsein schnell Überheblichkeit. Kaum ein Pass findet den Mitspieler und haarsträubende Fehler erlauben den Monegassen immer wieder unvermutet Ballgewinne. Im Team des Fürstentums weiß nach den Abgängen von James Rodríguez (Real Madrid), Falcao (Manchester United) und Eric Abidal (Olympiakos Piräus) aber selbst niemand etwas mit der Kugel anzufangen und so dümpelt das Spiel auf doch recht bescheidenem Niveau dahin. Monaco lässt in der Folge den Ball laufen, kommt aber kaum zu Chancen, Benfica nimmt am Spiel praktisch nicht teil, findet aber zumindest einige Hochkaräter vor, die aber allesamt vergeben werden.

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Ein ähnliches Bild wie auf dem Platz auch auf den Rängen: Die 1.500 bis 2.000 Fans Benficas sind zwar nur selten, dann aber umso lauter zu hören. Auf Seiten der Monegassen üben sich 150 bis 200 Hartgesottene in Dauergesang, der aber schon nach kurzer Zeit in einen Refrain verfällt und kaum Spitzen kennt. Die logische Folge: Ein zwar wenig spektakulärer, aber trotzdem nicht gänzlich uninteressanter Stadionbesuch, der schlussendlich – und davon hätten wir uns im Vorhinein deutlich mehr erwartet – nur knapp nicht an die Partie tags darauf im Giuseppe Meazza-Stadion herankommt, wo Inter Mailand die grün-weißen Franzosen von AS St. Etienne begrüßt.


Wobei die Begrüßung durchaus eigenwillig ausfällt, machen sich die Inter Fans in der Kurve rund um die „Boys San“ doch beinahe ausschließlich mit Beleidigungen der gegnerischen Mannschaft und vor allem deren dunkelhäutiger Spieler mit Affenlauten bemerkbar. Ein Schlag deutlich unter die Gürtellinie, den die zwischen 8.000 und 10.000 mitgereisten französischen Fans (über die genaue Zahl war sich tags darauf selbst die Gazzetta dello Sport nicht sicher), mit eindrucksvollem Support kontern. Zwar verlieren auch ihre Gesänge zur Halbzeit hin an Kraft und Dynamik, der Auftritt kann sich international aber definitiv sehen lassen und die vielen Pyroeinlagen dürften nicht nur die Tifosi in der Kurve gegenüber an längst vergangene Zeiten erinnert haben.

 


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Leider kann auch in Mailand das Geschehen auf dem Rasen mit dem (zumindest auf französischer Seite) Gebotenen auf den Rängen nicht mithalten. Inter Mailand (bei denen der gebürtige Linzer Mateo Kovacic in der Anfangsformation steht und über 90 Minuten eine unauffällige Partie spielt) kann die Franzosen nicht so recht unter Druck setzen und die wollen in erster Linie die Null halten und reduzieren daher ihre Offensivbemühungen auf ein Minimum. In zwei oder drei Situationen hätte diese Hinhaltetaktik beinahe trotzdem gefruchtet, die Chancen werden aber ebenso wie die wenigen der Heimmannschaft vergeben und es bleibt beim torlosen Remis.


Bei unserer nächsten Station sollen dann aber endlich wieder Tore fallen. Nachdem wir mit dem Nachtzug von Mailand über Bruck an der Mur Graz angesteuert haben, nutzen wir die Wartezeit bis zum Beginn des Samstag-Bundesliga-Schlagers Sturm Graz gegen Rapid Wien mit einem Besuch des altehrwürdigen ASKÖ-Stadions in Eggenberg. Dort im Westen der Stadt erinnert die große überdachte Haupttribüne mit daran anschließender Stehplatzkurve an längst vergangene Zeiten. Während letztere von Wiese überwuchert wird, kann auch der bröckelnde Beton auf der Haupttribüne nicht über die Notwendigkeit einer Renovierung der Heimstätte des ESK Graz hinwegtäuschen.

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Damit schon begonnen wurde auf der anderen Seite der Haupttribüne, wo in den vergangenen Jahren eine neue Sporthalle mit allem Drum und Dran aus dem Boden gestampft wurde. Für uns ergibt sich daraus ein erfreulicher Vorteil: Von der Terrasse des neuen Buffets aus lässt sich das Spiel nämlich formidabel bei Murauer-Bier, Hamburger und Pommes genießen. Das 1:0 durch den Rechtsaußen des Gastteams TUS Rein II fällt dann auch tatsächlich in die Kategorie sehenswert: Über den Torwart hinweg versenkt Mario Edlinger das Leder im langen Eck, die zweite Mannschaft des ESK Graz (gespielt wird übrigens in der 1. Klasse Mitte A) kann dem dann nicht mehr viel entgegensetzen. Immer wieder kommen die Gäste gefährlich vor das ESK-Tor und so kommt es, wie es kommen muss: Es fallen zwei weitere Tore für TUS Rein II, Endstand: 0:3. Der Stimmung unter den rund 50 Zuschauern tut das aber keinen Abbruch, drücken sie scheinbar großteils ohnehin der Gastmannschaft die Daumen.


Weiter nach Liebenau, wo Sturm Graz und Rapid Wien die Klingen kreuzen. Und das sprichwörtlich, die Begegnungen der beiden Teams gehören sicherlich zum heißesten, was der heimische Kick zu bieten hat. Das gilt für die Stimmung auf den Rängen, wo der wohl lauteste Anhang Österreichs auf die zweitstärkste rot-weiß-rote Kurve trifft, aber auch für das Geschehen auf dem Rasen. Viele gemeine Nicklichkeiten unter den Spielern machen rasch klar, dass das hier kein gewöhnliches Spiel ist und spätestens nach dem 1:0 durch Stefan Schwab ist die Stimmung hüben wie drüben am Köcheln. Der Rest ist Geschichte, Ex-Sturm Spieler Beric fliegt mit Gelb-Rot vom Platz, Rapid siegt 3:1 und baut damit seinen Vorsprung auf die Grazer in der Tabelle um drei Punkte aus. Fantechnisch sind natürlich die verbalen Ausfälle der schwarz-weißen Anhänger (die man mit gleicher Wortwahl bei anderen Spielen freilich auch schon von den Rapid-Fans gehört hat) gegenüber ihren früheren Spielern Robert Beric und Florian Kainz inklusive aufgespießtem Sauschädel zu kritisieren, für uns ist die Partie aber ein würdiger Abschluss einer mehrtägigen Groundhopping-Tour, die uns in Monaco und Mailand zeigt, dass dem heimischen Kick vielleicht doch nicht ganz so viel zur internationalen Klasse fehlt, wie das oft und gern behauptet wird.

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