on tour: Ist Genk eine Reise Wert? Normalerweise nicht!

Wir haben Rapids Europa League-Auswärtsspiel gegen den KRC Genk zum Anlass für eine Groundhopping-Tour genommen und dabei neben der neuen Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart auch das alte Jahnstadion in Regensburg besucht. Ein Groundhopping-Bericht von Jürge


Ob Genk eine Reise wert ist? Gute Frage, zwei Antworten: Normalerweise nicht. Die belgische Kleinstadt verrät an allen Ecken und Enden ihre industriellen Wurzeln und bemüht sich auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Blütezeit nicht, diese zu verstecken. Im Gegenteil, wie auch die Cristal Arena des KRC Genk beweist: Ein uncharmanter Zweckbau mitten im nirgendwo, der außen eher an eine Lagerhalle, denn an ein Fußballstadion erinnert. Drinnen geht es aber hoch her – womit wir bei der zweiten Antwort auf eingangs gestellte Frage wären, die dieses Mal klar und eindeutig mit „Ja" zu beantworten ist.

 

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Der Aufhänger unserer Groundhopping-Tour ist das Auswärtsspiel von Rapid Wien beim belgischen Vertreter KRC Genk – unsere Sympathien sind unschwer zu erkennen.


Genk ist tatsächlich eine Reise wert. Vorausgesetzt man ist Rapid Fan und vorausgesetzt man reist dann nach Genk, wenn Rapid dort sein Europa League-Auswärtsspiel bestreitet, wie wir das getan haben. Einer lieben Tradition folgend (kann man davon beim dritten Anlauf nach unseren Reisen nach Sofia und im Vorjahr nach Leverkusen schon sprechen? Egal!) sind wir bereits einen Tag vor dem Spiel frühmorgens mit dem Mercedes 9-Sitzer aus Wien abgereist. An Bord ein wenig Gerstensaft, einige Häppchen für die lange Reise und jede Menge Hoffnungen. Auf den ersten Rapid-Sieg in der diesjährigen Gruppenphase, aber auch darauf, dass sich unsere kleine anschließende Groundhopping-Tour zu dem entwickelt, was wir uns erhoffen.

 

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Obwohl wir kein Niederländisch können, ist in der Zeitung trotzdem einiges zu verstehen. Etwa, dass Mario Sonnleitner „sluw en kopbalsterk" sei.


Dazu später mehr, konzentrieren wir uns zunächst auf Genk und besuchen wir gemeinsam eine der zahlreichen mit Holz vertäfelten und viel Patina überzogenen Gaststätten in der Innenstadt. Trotz aller Charmanz des gebotenen Rahmens und Doppelmaß-großen Vorschusslorbeeren weiß das hiesige Bier nicht vollends zu überzeugen und zu Essen gibt es nicht einmal Snacks, aber immerhin sind die Spielvorberichte in der Zeitung – obwohl auf niederländisch verfasst – durchaus zu verstehen. Louis Schaub sei „een van de grootste talenten in Oostenrijk" lesen wir da etwa oder das Mario Sonnleitner „sluw en kopbalsterk" sei. Im nebenstehenden Interview scheint Genk-Trainer Mario Been schon eine leise Vorahnung auf den folgenden Fußball-Abend zu haben und wird in der Headline mit „Spelers zijn geen robots" zitiert. Finden wir auch.

 

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Sportiver Industrie-Charme: Die Cristal-Arena des KRC Genk weiß auf den ersten Blick alles andere als zu überzeugen ...


Zwei Studen später, rund fünf Kilometer nördlich des Stadtzentrums sind vor dem Eingang ins Stadion (ist diese Bezeichnung für eine Arena moderner Bauart überhaupt noch zulässig?) bereits zahlreiche Rapid-Fans versammelt. Und Nürnberg-Fans, auch einige Monsters aus Budapest dazwischen. Da uns die 5 Euro „Braadworsten" eine Spur zu teuer sind begeben wir uns alsbald ins Stadion, wo während der kommenden 90 Minuten der Support europacup-typisch für Rapid geschlossen und überdurchschnittlich hoch ist. Auch das Ergebnis passt; nach dem baldigen Rückstand fühlt sich das 1:1 wie ein Sieg an. Mit Endorphinen vollgepumpt komplettieren wir nach dem Ausgang unser Mannschaftsbild mit dem belgischen Ex-Rapid-Stürmer Axel Lawaree, der das Match im Fanblock von Grün-Weiß verbrachte.

 

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... ist dann im Innenraum aber durchaus geglückt. Obwohl bei der Größe leicht auch eine Realisierung mit nur einem Rang möglich gewesen wäre. Unserer Stimmung tut das aber keinen Abbruch: „Auf geht’s Rapid, kämpfen und siegen!“

 


Weiter in unserer Tour nach Stuttgart, wo wir uns tags darauf (nach leckerer Maultaschen-Verkostung und einer missglückten Stadtbesichtigung, oder ist die deutsche Autostadt nicht schöner?) erfurchtsvoll dem nun mit dem Schriftzug Mercedes-Benz-Arena versehenen Gottlieb-Daimler-Stadion nähern. Der äußere Eindruck ist anspruchsvoll, geradezu gigantisch und wohltuend anders als die vielen neuen 08/15-Arenen in unserem Nachbarland. Der Innenraum kann dann architektonisch aber nicht ganz mithalten, was angesichts der engagierten „F! C! N!"-Rufe der mehreren tausend Nürnberg-Anhänger im Fansektor schnell zur Randnotiz verkommt. Dazwischen immer wieder grün-weiße Schals, neben uns dürften sich auch noch mehrere Dutzend andere Rapidler auf den Weg von Genk nach Stuttgart gemacht haben. Die Stimmung ist zwar gut, aber nicht annähernd so engagiert als Tags zuvor, nach den frühen Treffern (1:0 durch Ibisevic per Elfmeter und Ausgleich durch Drmic bereits in der 6. Spielminute) flaut sie ob der gebotenen Durchschnittsware zu Beginn der zweiten Halbzeit deutlich ab. Auch von den Heimischen ist nicht viel zu vernehmen: Die Cannstatter-Kurve hebt dann und wann inmitten eines beeindruckenden Fahnen- und Doppelhalter-Meers ab, im Block weiter scheint das aber keinen Schwaben mehr zu interessieren.

 

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Als architektonisches Meisterwerk präsentiert sich die Mercedes-Benz-Arena des Vfb Stuttgart. Nicht ganz ausverkauft: 48.000 Zuschauer bevölkern schlussendlich das 60.000er-Stadion im Spiel gegen den 1. FC Nürnberg.

 

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Gemischte Stimmungslage. Die Fanblöcke wissen – trotz so manchen überraschenden Hängers zwischendurch - in Summe zu überzeugen. Die breite Masse nimmt das Spiel aber weitgehend emotionslos hin.

 

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Die letzte Station unserer Groundhopping-Tour ist ganz old school: Das Jahnstadion in Regensburg ist baulich zwar schon schwer an seinen Grenzen, punktet aber gerade deshalb mit einem gewissen Retro-Flair und sympathischen Beton-Stehplatz-Rängen.

 

Ähnlich dann die Stimmung an Tag drei unserer Reise, auch wenn sich zu Jahn Regensburg gegen den von Walter Kogler trainierten RW Erfurt nur knapp über 3.000 Zuschauer ins Jahnstadion verlieren. Während die Auswärtsfans mit monotonem Beinahe-Dauer-Gesang die eine oder andere fragwürdige Zaunfahne zu übersingen versuchen, geben sich beim Heimteam rund 50 Anhänger die Support-Ehre. Nach dem äußerst schmackhaften Schweinsbraten in der hinter der Auswärtskurve gelegenen Bischofshof Braustuben (auch das Wildgulasch, das Cordon Bleu und das Ambiente wussten zu überzeugen!) und dem gemütlichen Bier auf den Sonne beschienenen Old School Beton-Stehplatz-Terrassen tut die – für deutsche Drittliga-Verhältnisse – schüttere Kulisse unserer Freude aber keinen Abbruch. Dazu passt auch, dass die Schlussminuten des ohnehin attraktiven Spiels noch überaus spannend werden, nachdem die knapp vor den Abstiegsplätzen liegenden Regensburger in Minute 87 per Elfmeter in Führung gehen und dann in der Nachspielzeit sogar noch ein weiteres Tor drauflegen. Das veranlasst dann auch den Fan in Stockwerk 10 des hinter der Gegengeraden gelegenen Hochhauses zu einem Emotionsausbruch: Nachdem er das ganze Spiel mit aus den Fenstern gestreckten Füßen im Sitzen verfolgt hatte (und sich dann und wann die in weiße Tennissocken verpackten Zehen massierte) hat er sich nun doch tatsächlich erhoben. Nicht um seine Freude Bahn brechen zu lassen oder gar ein paar Gesten in Richtung Stadion zu richten, sondern um das Fenster zu seiner Wohnung und damit auch zu unserer Groundhopping-Tour zu schließen. Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Rapid spielt auswärts im Europacup!Bild 5