Von der Euphorie überdeckte Mängel
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Von der Euphorie überdeckte Mängel

Das ÖFB-Team hat in der Offensive Probleme. Um diese zu beheben, braucht es gröbere Maßnahmen und Geduld.

Maximilian Wöber sprach den entscheidenden Satz: "Es ist ein Auswärtspunkt in Slowenien, das ist aber mittlerweile nicht mehr der Anspruch, den wir in Österreich haben."

Die Einordnung nach einem 1:1 des ÖFB-Teams in Ljubljana wäre vor gar nicht allzu langer Zeit noch ganz anders ausgefallen.

Ein Gegner, der bei der EURO 2024 gegen Dänemark, Serbien, England und Portugal nicht verloren hat, sich den Iberern erst im Elferschießen geschlagen geben musste, der überhaupt im November 2023 die letzte Niederlage nach 90 Minuten einstecken musste.

Doch die Ansprüche sind in der Ära Ralf Rangnick beharrlich gesteigert worden. Und das ist gut so. Nur wer hohe Ansprüche an sich selbst hat, kann den Willen entwickeln, diesen gerecht zu werden.

Von der Euphorie überdeckte Mängel

Das ist dem ÖFB-Team in Ljubljana diesmal nicht gelungen. Wobei kurioserweise der Teamchef selbst noch jener österreichische Protagonist war, der nach dem Remis die versöhnlichsten Töne anschlug. Er könne "mit dem Punkt leben", habe seiner Mannschaft kaum etwas vorzuwerfen.

Tatsächlich hat sich die – wieder einmal – umgebaute Abwehr gegen Benjamin Sesko und Co. ausgezeichnet geschlagen und kaum etwas zugelassen.

Im Spiel nach vorne waren aber wieder jene Mängel zu entdecken, die die Euphorie während der EURO 2024 überdeckt hat.

Romano Schmid ärgert sich: "Wir sind alle ein bisschen sauer auf uns selbst, dass wir es nicht geschafft haben, unsere Qualität auf den Platz zu bringen. Es waren viel zu viele individuelle Fehler mit dem Ball dabei. Wir waren in den entscheidenden Spielphasen zu unsauber."

Das sieht auch Rangnick ein, er hätte sich "in dem einen oder anderen Fall im Spiel nach vorne mehr Präzision gewünscht".

Die Gegner wissen um unsere Qualität, stehen oft sehr tief.

Marcel Sabitzer

Die Spielweise, die Stärken, die Qualitäten des ÖFB-Teams sind inzwischen hinlänglich bekannt. Wenn das aggressive Pressing gleich von Start weg greift, mag ein Gegner zwar immer noch kurzfristig zu schocken sein, überraschen kann man mittelfristig aber niemanden mehr.

Das hat auch Marcel Sabitzer beobachtet: "Die Gegner wissen um unsere Qualität, stehen oft sehr tief. Da heißt es, Lösungen zu finden. Der letzte Pass hat gefehlt, die Präzision hat gefehlt. Wir müssen bei der letzten Aktion konzentrierter und genauer sein. Das müssen wir besser machen."

Die Lösungsfindung braucht nicht zuletzt individuelle Qualität. Es sind die vielzitierten Unterschiedsspieler, die mit unvorhersehbaren, mitunter unorthodoxen Ideen Abwehrriegel aufzubrechen vermögen.

Dass Österreich mit solchen Spielern nicht gerade gesegnet ist, ist kein Geheimnis. Christoph Baumgartner ist so einer.

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Christoph Baumgartner in Form kann Spiele entscheiden

Wie wichtig der Leipzig-Legionär für das Offensivspiel der Österreicher ist, hat das bisherige Jahr 2024 bestens aufgezeigt. Ein "Baumi" in Form ist ein wesentlicher Faktor.

Nur ist er aktuell nicht in Form, kann er so kurz nach seiner Verletzungspause auch gar nicht sein.

"Wenn so ein Spieler wie Baumi aus einer Verletzung kommt und erst seit zwei Wochen mit der Mannschaft trainiert hat, fehlen fünf Prozent. Wenn bei einem Spieler wie ihm fünf Prozent fehlen, merkt man das", sagt Rangnick.

Und das unterscheidet das ÖFB-Team aktuell – hoffentlich noch – von einem Weltklasseteam. Während der zweite Anzug in der Defensive sitzt, bedenkenlos auch zu den Gala-Spielen ausgeführt werden kann, ist die Dichte in der Offensive nicht groß genug, um die Ausfälle bestimmter Einzelspieler – sei es tatsächlich aufgrund Abwesenheit oder aufgrund schwankender Leistungen – zu kompensieren.

Um den gestiegenen Ansprüchen in Zukunft gerecht zu werden, muss die individuelle (Kreativ-)Spielerentwicklung in Österreich einen Modernisierungsschub erleben. Das geht nicht von heute auf morgen, und die Auswirkungen erleben wir vermutlich erst übermorgen. Starten muss dieses Projekt aber jetzt.

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