Die Beschädigung der Fankultur
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Die Beschädigung der Fankultur

Die Derby-Ausschreitungen führen alle Forderungen zur Pyrotechnik ad absurdum. Dennoch wäre der Ruf nach möglichst harten Strafen zu einfach.

"Geh bitte, wenn du dich normal verhältst und in einen normalen Sektor gehst, gibt’s in Österreich kein einziges Fußballspiel, bei dem du Angst haben musst, dass dir etwas passiert."

Diesen Satz konnten regelmäßige Stadionbesucher ahnungslosen Panikmachern bis vor kurzem noch mit Fug und Recht entgegenhalten.

Die Zeiten scheinen vorbei. Zumindest, wenn es um Wiener Derbys zwischen dem SK Rapid und der Austria geht.

Wer sich eine Derby-Karte für einen Sitzplatz in einem normalen Sektor kauft, kann aktuell nicht davon ausgehen, dass ihm nichts passiert. Es kann passieren, dass man von einem Böller oder einem anderen pyrotechnischen Gegenstand getroffen und verletzt wird. Das ist eine extrem bittere Erkenntnis.

Pyrotechnik-Forderungen ad absurdum geführt

Nein, es ist trotzdem nicht der richtige Moment, aktive österreichische Fußballfans (sprich größtenteils Ultras oder zumindest Szene-Sympathisanten) zu verteufeln. Nein, es ist auch nicht der richtige Moment, um die Law-and-Order-Keule auszupacken und nach möglichst harten Strafen zu schreien.

Aber es ist sehr wohl der richtige Moment, um ganz genau zu hinterfragen, was da passiert.

Seit vielen Jahren kämpfen die Ultra-Szenen landauf, landab um das Recht, Pyrotechnik zu verwenden. Was (in erster Linie) die Austria-Fans am Sonntagabend in Hütteldorf damit veranstaltet haben, führt all diese Forderungen ad absurdum.

Die Selbstregulierung hat kläglich versagt

Und eigentlich hatte es in der jüngeren Vergangenheit auch den Anschein, als ob die elende Verwendung von Böllern in Österreichs Stadien ein Ende gefunden hätte. Wer mit Böllern zu einem Fußballspiel geht, kann damit nichts Gutes vorhaben.

Es muss festgestellt werden, dass in beiderlei Hinsicht die Selbstregulierung der Kurve kläglich versagt hat.

Vielleicht muss man die beiden Szenen einfach vor sich selbst schützen, ehe sie ihren eigenen Ruf und jenen des österreichischen Fußballs weiter massiv beschädigen.

Dass das schändliche Fehlverhalten im Umgang mit Pyrotechnik in weiterer Folge zu einer Massenschlägerei auf dem Rasen geführt hat, erweist der gesamten Fankultur einen Bärendienst.

Da helfen Spendenaktionen, wohlmeinende Spruchbänder in Richtung Hochwasseropfer und spektakuläre Choreos herzlich wenig, was bleibt, sind wüste Bilder von Krawallen, die sich ins Gedächtnis der Gesellschaft einprägen.

Derbys ohne Auswärtsfans sind argumentierbar

Kollektivstrafen sind da grundsätzlich trotzdem kein probates Mittel. Nichtsdestoweniger kann man durchaus argumentieren, dass es besser wäre, künftig Wiener Derbys ohne Auswärtsfans über die Bühne gehen zu lassen.

Vielleicht muss man die beiden Szenen einfach vor sich selbst schützen, ehe sie ihren eigenen Ruf und jenen des österreichischen Fußballs weiter massiv beschädigen.

Dass identifizierte Gewalttäter mit Stadionverboten belegt werden müssen, steht sowieso außer Frage.

Das mag kurzfristig als gangbarer Weg erscheinen. Dass es mittel- bis langfristig aber noch anderer Maßnahmen bedarf, ist bei aller tagesaktueller Aufregung nicht zu vergessen. Die Vereine müssen vehement in Sozialarbeit investieren, um innerhalb der Szenen Strukturen zu schaffen, die eine vernünftige Selbstregulierung bzw. Selbstreinigung (wieder) möglich machen.

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