Das ÖFB-Team verabschiedet sich in die Winterpause.
14 Länderspiele hat Österreichs Fußball-Nationalteam im Jahr 2024 absolviert, darunter vier bei der EURO 2024.
Das sind die 9 wichtigsten Erkenntnisse:
1. Romano Schmid ist der Gewinner des Jahres
Sollten nach seiner eher verkorksten Zeit in der Mozartstadt Zweifel bestanden haben, ob der Grazer den Rangnickschen Fußball auf höchstem Niveau praktizieren kann, wurden sie 2024 ausgeräumt. Es war nicht abzusehen, dass der Werder-Legionär 2024 in allen 14 Länderspielen im Einsatz sein, und letztlich sogar ein Stammleiberl ergattern wird.
Angefangen mit dem Assist als Joker in der Slowakei über die Glanzvorstellung im Test gegen die Türkei bis zu seiner sensationellen Leistung gegen die Niederlande und drei Scorerpunkten in der UEFA Nations League. Der Mann ist der Gewinner des Länderspieljahres 2024!
2. ÖFB-Leistungsträger müssen bei ihren Klubs nicht gesetzt sein
Es braucht keinen Stammplatz im Verein, um das Vertrauen des Teamchefs zu bekommen. Und es braucht auch keinen Stammplatz im Verein, um das Vertrauen des Teamchefs zu rechtfertigen.
Frag nach bei Michael Gregoritsch, Marko Arnautovic, Alexander Schlager, Konrad Laimer – und allen voran Nicolas Seiwald und Christoph Baumgartner. 2024 waren die Zusammenkünfte im ÖFB-Team für viele Kicker willkommene Abwechslung und Balsam auf die im tristen Klub-Alltag geschundenen Seelen.
3. Jeder ist ersetzbar...
Es waren die Schockmomente des Jahres bzw. schon kurz davor. David Alabas Kreuzbandriss im Dezember 2023 plus die nach und nach einsetzende Erkenntnis, dass sich das bis zur EURO 2024 eher nicht ausgehen wird. Sasa Kalajdzics Kreuzbandriss im Februar, schon wieder. Alexander Schlagers Knieverletzung Anfang Mai, und der sofortige Verdacht, dass das in einem Monat nicht wieder gut wird. Xaver Schlagers Kreuzbandriss Anfang Mai, also einen Monat vor dem EM-Start.
So viele verletzte Unterschiedsspieler. Doch das ÖFB-Team hat diesen massiven Qualitätsverlust weitestgehend weggesteckt, hat ihn im Kollektiv aufgefangen, hat ihn praktisch nie als Ausrede benutzt.
4. ...außer vielleicht Nicolas Seiwald
Ein ÖFB-Spiel ohne Nicolas Seiwald, der im zentralen Mittelfeld marschiert und irgendwie immer genau dort auftaucht, wo ein Ball abzufangen ist? Inzwischen unvorstellbar.
Der Salzburger hat 2024 keine einzige Sekunde im ÖFB-Team verpasst, inzwischen 25 Länderspiele in Folge durchgespielt und ist in der gesamten Ära Ralf Rangnick überhaupt nur in 4,7 Prozent der Spielzeit nicht am Rasen gestanden. Das nennt man dann wohl Lieblingsspieler.
5. Diese Mannschaft ist ein echtes Team
"Wenn wir zusammen mit der Mannschaft im Teamcamp sind, ist es den ganzen Tag nur Gaude", sagt Phillipp Mwene. Vor rund 100 Jahren prägte der deutsche Trainer Richard Girulatis den Begriff der "11 Freunde". Im Falle des ÖFB-Teams kann man getrost eher von rund 30 Freunden sprechen.
"Zwischen uns passt kein Blatt", sagt Marcel Sabitzer über das Team und das Team rund ums Team. 2024 ist dieser verschworene Haufen noch ein wenig enger zusammengewachsen. Dass David Alaba die gesamte EM über beim Team war, ist eines von vielen Indizien dafür. Das Teamgefüge ist perfekt intakt, alle Egos werden hintangestellt.
6. Wenn’s läuft, sind wir eine Fußball-Nation
Ausrüster Puma und die Marketing-Abteilung des ÖFB haben sich die Hände gerieben. In Berlin war das ÖFB-Trikot während der EM schon bald mal ausverkauft, die Absätze sind insgesamt sensationell. Die Euphorie war riesig, die Massen sind nach Düsseldorf, Berlin und Leipzig gepilgert, um eine riesengroße rot-weiß-rote Party zu feiern.
Der Fußball bewegt dieses Land, wenn es einen Funken Hoffnung gibt, dass da etwas Großes entstehen kann. 46.000 ÖFB-Fans an einem eiskalten November-Sonntag gegen Slowenien im Happel-Stadion sind der jüngste Beleg dafür, dass dieses Team das Vertrauen einer Nation genießt. Abgesehen von den obligatorischen Nörglern, die hierzulande ja auch irgendwie dazugehören.
7. Gegen den Ball sind sie besser als mit dem Ball
"Die Arbeit gegen den Ball wird und muss immer unser Steckenpferd sein", könnten Ralf Rangnicks Worte sein, sind aber jene von Christoph Baumgartner. Die Botschaft des Teamchefs ist längst bei all seinen Schützlingen angekommen: Das ist unser Weg, so erreichen wir unsere Ziele.
Tatsächlich gibt es aktuell weltweit wohl kaum ein anderes Nationalteam, das im Spiel gegen den Ball dermaßen konsequent und erfolgreich ist. Wenn es den Ball am eigenen Fuß hat, hat das ÖFB-Team aber zu oft noch Luft nach oben. Das wurde 2024 vor allem dann zum Problem, wenn der Gegner keine große Lust gezeigt hat, selbst Fußball zu spielen, und dementsprechend hohes Pressing kaum bis gar nicht möglich war.
8. Es geht noch mehr!
Da waren schon richtig viele Highlights und beeindruckende Leistungen dabei. Aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass da noch mehr möglich gewesen wäre. Das sprechen auch Spieler und Trainer – vor allem im Zusammenhang mit der EURO – unumwunden an.
Unterm Strich sind ein Achtelfinal-Aus bei einer Europameisterschaft und ein zweiter Platz in der B Liga der UEFA Nations League nämlich nicht gerade die ganz großen Errungenschaften.
9. Im ÖFB geht’s nicht ohne Reibereien
Die Ruhe und Geschlossenheit des Präsidiums im Vorfeld und während der EURO 2024 war ein Burgfrieden, der längst vorbei ist. Während das ÖFB-Team immer professioneller geführt wird und agiert, reißen die honorigen Herren an der Verbandsspitze alte Gräben wieder auf und lassen sich von ihren großen Egos dazu verleiten, den Eindruck eines zerstrittenen Haufens nicht einmal zu kaschieren versuchen.
Dass die aktuelle Mannschaft ihre eigene Meinung zu so mancher Entscheidung hat, und diese auch intern wie extern kundtut, mag nicht allen gefallen, ist angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen und der Führungspersönlichkeiten innerhalb des Teams aber auch nicht überraschend.