Die härteste Kritik: Mitleid für Ogris

Andreas Ogris wollte Erfolg säen, jetzt erntet er Mitleid.  Ein Kommentar von Gerald Gossmann


Andreas Ogris ist seit acht Bundesligarunden Trainer der Wiener Austria. Franz Wohlfahrt sagte damals: "Er spricht die Sprache der Spieler." Und Andreas Ogris sagte, er möchte die Spiele als Cheftrainer genießen. Franz Wohlfahrt verschaffte seinem Spezi das Abenteuer Bundesliga. Zum Genießen. Aktuell hat Ogris 6 Punkte geholt. Von 24 möglichen. 6 Punkte in 8 Spielen - man muss kein großer Mathematiker sein, um zu erkennen: Nicht genügend.


Bei Ogris bleibt der Shitstorm weitgehend aus

Normalerweise folgt auf eine derartige Bilanz ein Shitstorm. Das war bei den letzten Interimstrainern, die Mitten in der Saison übernahmen, immer so. Bei Ivica Vastic. Auch bei Herbert Gager. Dabei hatten beide eine weit bessere Bilanz als Ogris. Bei Ogris bleibt der Shitstorm weitgehend aus. Warum, stellt sich die Frage? Ist der Austria-Anhänger weniger fordernd geworden? Ogris erntet keinen Hass sondern Mitleid. "Der Ogerl tut mir leid", schreiben immer mehr User. Und auch die Vereinsführung übt wenig Druck aus. Gut, Wohlfahrt und Ogris sind seit über 30 Jahren dicke Freunde. Parits war mit Vastic und Gager nicht so dick. Das mag ein Grund sein. Bei Ogris fällt aber schon länger auf, dass man ihn unter eine Art Welpenschutz stellt. Fans tun das. Auch die Austria-Führung.


Schon Herbert Prohaska erweckte einst den Anschein, als müsse man Ogris unter die Arme greifen, als er im TV erzählte, wie er für seinen Freund beim ÖFB intervenierte. Prohaska tat seinem Freund damit keinen Gefallen. Wer auf Vermittlung angewiesen ist, der wird schnell unvermittelbar.

 

Wer beurteilt werden will riskiert damit auch, verurteilt zu werden
Auch jetzt: Ogris wollte Bundesligatrainer werden, er wollte sich ganz oben beweisen. Jetzt wirkt er an der Linie mitleiderregend. Doch auch für ihn gilt: Wer beurteilt werden will, ob er als Trainer taugt oder eben nicht taugt, der riskiert damit auch verurteilt zu werden. Ogris´Bilanz: Im Cup hat er beide Spiele gewonnen. Aber: aus acht Ligaspielen holte er nur 6 Punkte. Das ergibt einen Punkteschnitt von 0,75 Punkten pro Spiel. So schlecht war jahrzehntelang kein Austria-Trainer mehr.


Wenn Ogris als Trainer trotzdem ernst genommen werden will, wenn er nach dieser Chance noch eine Chance bekommen will, muss er sich auf das Spiel einlassen. Ogris und sein Umfeld müssen eine Beurteilung zulassen. Auch Franco Foda stieg in Graz im Laufe der Meisterschaft ein und schaffte den Turnaround. Fans, Funktionäre und auch Journalisten haben aktuell mehr Mitleid mit Andreas Ogris, als dass sie seine Performance ernsthaft beurteilen. Das Spiel der Austria wirkt planlos. Ogris tauschte zuletzt sieben Spieler nach der Derbyniederlage aus. Unter seinem Vorgänger Baumgartner wurde kein Derby verloren, auch Salzburg besiegt, aber auch ansonsten nicht viel gewonnen. Was vorher schon brüchig war, wirkt unter Ogris noch kaputter. Ogris kann derzeit machen, was er will - wild gestikulierend auf und ab stampfen, mit Wiener Schmäh Interviews geben, arm schauen - er wirkt trotzdem immer gleich: mitleiderregend.

 

Mitleid hilft Ogris nicht weiter

Ogris wollte den Chefcoach machen und bekommt jetzt präsentiert, dass das eben nicht so einfach ist, wie er dachte. Mitleid für Ogris hilft Ogris aber nicht weiter. Es schwächt seinen Status vielmehr. Wer Ogris jetzt nicht nach den gleichen Maßstäben beurteilt, wie alle anderen, der bringt ihm genau diesen Respekt nicht entgegen, den jene, die ihn schützen wollen, fordern. Wer Ogris nicht nach den gleichen Maßstäben wie alle anderen beurteilt, der macht ihn damit nicht ein Stück mehr zum Trainer sondern zum Nicht-Trainer. Mitleid ist eine menschliche Reaktion. Mitleid ist aber keine Kategorie in der Erfolgstrainer bemessen werden.