Der Weg an die Spitze führt über die Dörfer
Die Spitzenklubs der Liga könnten Salzburg nur nahe kommen, wenn sie gegen die kleinen Teams konstant punkten. Weil viele Niederlagen - wie jene von Rapid gegen Grödig - aber an den Fakten vorbei analysiert werden, treten sie auf der Stelle. Ein Kommentar
Es war keine Überraschung in Grödig: Rapid verliert mit 3:1. Niederlagen auf den Dorfplätzen des Landes sind zum Hütteldorfer Alltag geworden. Der Rekordmeister tut sich schwer, wenn das gegnerische Team seinen ohnehin engen Dorfplatz noch engmaschiger verteidigt. Daran scheitert man jedes Jahr, weil sich die Kleinen (von Altach über Grödig bis zum WAC) auf ein gut funktionierendes Umschaltspiel verlegen.
Ausreden statt Analysen
Statt Analysen dominieren aber nach Niederlagen vor allem Ausreden. Trainer Zoran Barisic sprach beispielsweise: „Es gibt Salzburg und dann gibt es lange nichts. Wir anderen sind alle auf einem Niveau." Er sagte das, obwohl Rapid in Relation budgetmäßig von Grödig weiter entfernt ist, als Salzburg von Rapid. Barisic erklärte die Niederlage noch mit einem zweiten Argument: „Man dürfe nicht vergessen, dass es in der Mannschaft sehr junge Spieler gibt und es noch an Erfahrung fehlt." Fakt ist: Der Altersschnitt von Rapid lag bei 25,1 Jahren. Die siegreichen Grödiger waren im Schnitt 22,5 Jahre alt.
Vielmehr hätte er sich eingestehen müssen: Bei Rapid fehlt seit Jahren ein Konzept gegen defensiv ausgerichtete Teams mit schnellem Umschaltspiel. Obwohl man in der vorletzten Saison 12, in der letzten Saison 13 und heuer bereits fünf Spiele gegen kleine Teams der Liga nicht gewinnen konnte, entwickelt man keine Strategie dagegen. Stattdessen erklärt der Rapid-Trainer nach Niederlagen, dass Salzburg in einer anderen Liga spiele und der Mannschaft Erfahrung fehle. Sportdirektor Müller fügte an, dass sich die Mannschaft selbst aus der misslichen Lage zu ziehen habe.
Aber nicht nur bei Rapid werden Spiele immer öfter an den Fakten vorbei analysiert
Bei Sturm Graz wähnt man sich nach dem gestrigen Spiel auf dem richtigen Weg. Das Match gegen Salzburg war ein unterhaltsames Fußballspiel. Dabei war das vorhersehbar. Salzburg muss offensiv spielen, Sturm Graz dagegen lauert und schaltet schnell um. Salzburgs Spielweise kommt Sturm entgegen. Die Grazer spielen gerne abwartend, Salzburg gerne drauflos. Über die grundsätzliche Schwäche Sturms, nämlich ein Spiel zu gestalten, gab das Duell daher wenig bis keinen Aufschluss. Man weiß weiter nicht, wie gut das Konzept der Grazer gegen ein kleines, verteidigendes Team greift. Ein gutes Beispiel war der Sieg der Wiener Austria gegen Salzburg in Runde neun. Die Austria hat (ähnlich wie Sturm) eine Schwäche, wenn das Spiel selbst zu gestalten ist. Nach dem Auswärtssieg gegen die favorisierten Salzburger wähnten sich alle auf dem richtigen Weg. Es folgte ein 0:0 in Grödig und eine 0:2-Heimniederlage gegen den WAC. Das passierte deshalb, weil gegen Grödig und den WAC mehr Spielgestaltungs-Kompetenz gefragt gewesen wäre. Oft wird dieser Mangel von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen und sogar falsch wiedergegeben. Es heißt dann: Die Spieler zerreißen sich eben gegen Salzburg mehr als gegen Grödig oder den WAC. Was aber so nicht ganz stimmt, so lange es an der passenden Strategie fehlt.
Fehlglaube
Interessant ist auch, dass die Spitzenklubs bei Trainerwechseln auf die giftigen Betreuer der kleinen Klubs zurückgreifen. Dabei sitzen sie dem falschen Glauben auf: Wenn die mit so geringen Mitteln Erfolg haben, was können sie erst bei einem Spitzenklub bewegen? Zellhofer, Schöttel, Bjelica, Baumgartner oder Hütter sind solche Beispiele, die vom Dorf- zum Spitzenklub wechselten und zum großen Teil scheiterten oder massive Probleme hatten bzw. haben. Auch Kühbauer ist schnell einmal im Gespräch als Rapid-Trainer. Bei Erfolg mit dem WAC ist er wohl der Topkandidat. Kühbauer setzt aktuell auf eine gute Defensive und ein schnelles Umschaltspiel. Das funktionierte anfangs recht gut, weil die halbe Liga hochstehenden Pressingfußball probierte. Mittlerweile hat die halbe Liga aber erkannt, dass das nicht so recht funktionieren will. Beinahe kein Team macht dem WAC noch den Gefallen, offensiv aufzutreten. Deshalb gewinnt der WAC auch kein Spiel mehr. Bei Rapid wäre aber eine spielgestaltende Strategie gefragt. Kühbauers bisherige Arbeit gibt wenig Aufschluss darüber, ob er das auch bewältigen könnte.
Der Weg an die Spitze führt über die Niederungen
Die kleinen Teams der Liga setzen zurecht und aus nachvollziehbaren Gründen auf ihre Strategien. Die Trainer der legitimen Salzburg-Verfolger reden sich dagegen dauerhaft auf einen unbezwingbaren Favoriten aus und erklären damit ihre Machtlosigkeit. Wie es gehen kann, am Ende vor Salzburg zu stehen, zeigte zuletzt vor zwei Jahren die Wiener Austria. Stögers Team wurde Meister, ohne Salzburg in vier Spielen auch nur einmal besiegt zu haben. Der Weg zum Titel führte über Konstanz gegen die Kleinen der Liga. Gegen die vermeintlich Kleinen der Liga (also gegen alle bis auf Salzburg, Rapid und Sturm) punktete die Austria, bis auf 3(!) Spiele, immer voll. Verloren wurde gar nur ein Spiel. In Wolfsberg. In Köln war das auch ein entscheidendes Kriterium für die Verpflichtung Stögers.
Seit dem Meistertitel der Wiener Austria vor zwei Jahren konnten weder sie, Rapid noch Sturm gegen die Kleinen konstant punkten. Rapid konnte heuer fünf Spiele gegen Grödig & Co. nicht gewinnen, die Austria acht. Dabei läge in einer Strategie gegen die Strategie der Kleinen das einzige Konzept, Salzburg tatsächlich zu gefährden. Der Weg an die Spitze führt über Konstanz auf den Dorfplätzen der Liga.
Viele Fußballspiele werden in Österreich aber Wochenende für Wochenende an den Fakten vorbei analysiert. Das bringt die großen Vereine dauerhaft nicht vom Fleck und Salzburg einen ungefährdeten Titelgewinn.
g.gossmann@90minuten.at