Trainerausbildung in Österreich: Nach der Reform ist vor der Reform
Der ÖFB reformiert seine Trainerausbildung halbherzig. Ehemalige Profis müssen zwar ein paar Lehrgänge weiter unten beginnen, viele Privilegien bleiben aber erhalten. von Gerald Gossmann.
Die Reform der österreichischen Trainerausbildung ist aus dem Sack und eine Reihe von Traineranwärtern ohne Profilaufbahn womöglich aus dem Häuschen. Der ÖFB hat mit seiner Reform wieder einmal einen Kompromiss gefunden, der nicht viel verändert aber so tut als ob. Ein gewohntes Spiel. Bislang sah das Auswahlprozedere für die höchste Trainerlizenz so aus: Insgesamt gibt es 100 Punkte zu vergeben. 20 für die bisherige Trainerkarriere, 20 für das Zeugnis der vorhergehenden A-Lizenz, 40 für die Potentialanalyse (eine Art Persönlichkeitstest) und 20 Punkte für eine erfolgreiche Spielerkarriere. Die Bevorzugung von ehemaligen Profis stellte bislang den größten Kritikpunkt dar, aus verständlichen Gründen. Denn kommt ein verdienter Nationalspieler mit mehr als 40 A-Länderspielen und bewirbt sich für den höchsten Trainerkurs, hat er zumeist mit einem Schlag 20 Punkte - und somit deutlich mehr als Mitbewerber "Nicht Ex-Profi". Dazu erhalten ehemalige Spieler wie Vastic oder Pfeifenberger, durch den prominenten Nachnamen, auch schnell einmal einen Job in einer höheren Liga. Macht noch einmal 20 Punkte. Eigentlich uneinholbar für einen Traineranwärter ohne Profilaufbahn. Das zeigt nicht nur die Theorie sondern auch die Praxis. Im laufenden Kurs sitzen bekanntlich von 14 Teilnehmern 14 Ex-Profis.
Schiebung aus Verbandsinteresse
Was hat sich also für Nicht-Profis mit der Reform der Trainerausbildung geändert? Die Antwort: Fast nichts. Jedenfalls im Bereich der höchsten Ausbildungsstufe nicht. Alleine ein kleines Detail wurde adaptiert: Für 40 Länderspiele bekommt man wie gehabt 20 Punkte, für drei Jahre Regionalliga – und das ist neu – immerhin 12 Punkte gutgeschrieben. Sprich: Der Unterschied zwischen Regional- und Teamspieler ist nicht mehr ganz so groß, aber wahrscheinlich immer noch ausschlaggebend. Schließlich gibt es nur 14 Plätze zu vergeben. Im Grunde sind es 10. Zwei Plätze vergibt die Bundesliga, zwei der ÖFB. Sprich: Die zehn Punktebesten sind im Kurs. Danach kann in die Reihung eingegriffen werden. Zuletzt passiert bei Andi Herzog und Franz Wohlfahrt, die zu wenige Punkte aufgrund ihrer nicht vorhandenen Trainertätigkeit erlangen konnten, aber vom ÖFB aus Verbandsinteresse in den Lehrgang geschoben wurden. Wobei man den Begriff „Verbandsinteresse“ hier wohl noch genauer definieren muss. Man könnte diese Lücke im System auch durchaus positiv nützen. Die Bundesliga und der ÖFB könnten bei Traineranwärtern mit Potential, denen aber die Profikarriere fehlt, nachhelfen. So könnte man schnell auch eine schiefe Optik bei beispielsweise ausschließlich Ex-Profispielern im Lehrgang korrigieren. Die Beispiele Herzog und Wohlfahrt lassen aber eher auf Freunderlwirtschaft und damit ausgedrückte Willkür im Sinne einer ganzen Ex-Kicker-Generation schließen.
Hintergrund: Thomas Janeschitz im Interview: 'Auch in anderen Ländern werden erfolgreiche Spielerkarrieren berücksichtigt'
Bevorzugung der Ex-Profis wird verteidigt
Die einzige Neuerung bei den Auswahlkritierien bleibt, dass ehemalige Profis nicht mehr mit der A-Lizenz einsteigen, sondern weiter unten beginnen müssen. Und: die Übungseinheiten der Profi-Lizenz werden um 150 Stunden erhöht und praxisnäher gestaltet. Ansonsten bleiben die Privilegien der Profis und Nationalspieler vorwiegend erhalten. „Es ist eine Wertschätzung den ehemaligen Spielern gegenüber, das zu berücksichtigen, die haben sich eine erfolgreiche Karriere auch hart erarbeitet“, sagt Trainerausbildner Thomas Janeschitz dazu, auch wenn Experten von Sammer bis Wenger von zwei komplett unterschiedlichen Berufen sprechen, wenn sie die Unterschiede zwischen Spieler- und Trainerhandwerk erklären.
Janeschitz verteidigt die Bevorzugung der Ex-Profis mit deren Erfahrungswerten. Außerdem könne der ÖFB nichts dafür, wenn Vereine lieber bekannte Ex-Spieler als Trainer holen. „Das liegt an den Klubs und nicht am ÖFB.“ Dabei vergisst er, dass der ÖFB in seinem aktuellen Lehrgang ausschließlich Ex-Profis anbietet. In Zahlen: 14 Stück. Von 14. Ein Inzucht-System, das sehr wohl in der Struktur der ÖFB-Trainerausbildung seine Wurzeln hat. Denn wie viel Auswahl bleibt den Vereinen, wenn der ÖFB den Markt mit bekannten Gesichtern überschwemmt und gar keine Trainer ohne Profivergangenheit zur Wahl stehen?
Der ehemalige Leiter der Trainerausbildung, Paul Gludovatz, äußerte sich vor wenigen Wochen im Interview mit 90minuten.at dazu: „Wir müssen uns in der Trainerausbildung mehr öffnen. Es gibt viele Trainer, die durch dieses System nicht auf die Punkte kommen wie Ex-Teamspieler. Viele Personen, die Fähigkeiten hatten, diese Punkte aber nie erreichen haben können, weil die Spielerlaufbahn überdimensioniert bewertet wurde, tun mir leid. Ich habe mich auch stark dafür eingesetzt, aber man hat sich mit anderen Einschätzungen leichter getan.“ Gludovatz meint Einschätzungen wie die von Hans Krankl (siehe Paul Gludovatz: 'Sturm ist aus der Spur gekommen'), der immer wieder eine noch stärkere Einbeziehung der Spielerkarriere und eine Abschaffung des mit 40 Punkten hoch dotierten Persönlichkeitstests forderte.
Lobby der Altkicker
Die Lobby der Altkicker und ehemaliger Nationalspieler im ÖFB ist also weiterhin stark. Das zeigt die Reform der Kompromisse. Und somit bleibt nach der Reform vor der Reform. Ruttensteiner, der schon bei der Bestellung von Marcel Koller stark unter Beschuss geraten war, hat dem Kompromiss zugestimmt - möglicherweise, um sich nicht den Unmut der stimmungsmachenden Ex-Kicker von Krankl bis Prohaska zuzuziehen. Nach einem Schweizer Teamchef müssen zumindest hier die Privilegien der österreichischen Ex-Kickeria erhalten bleiben. Ansonsten wäre das Feuer wohl eröffnet gewesen. Meinungsmachende Positionen von Sky über den ORF bis zu „Österreich“ und „Krone“ haben Prohaska, Krankl & Co. ja längst besetzt.
Also hält man sich an Floskeln. Die österreichische Trainerausbildung sei auch jetzt, vor der Reform, schon top, betonen Ruttensteiner und Windtner. Warum dann kein Trainer im namhaften oder mittlerweile auch weniger namhaften Ausland als Coach tätig ist? „Das hängt nicht mit der Ausbildung, sondern mit der Reputation des österreichischen Fußballs zusammen“, betont Ruttensteiner. Das Gegenargument: Österreich liegt in einer von Martin Blumenau errechneten Liste, was seine Coaches im Ausland betrifft an 40. Stelle in Europa. Von 44 Ländern. Sogar Trainer aus Weißrussland, Finnland, Ungarn, Litauen, Georgien, Mazedonien, Estland, Wales, Nordirland, Polen, Moldawien, Albanien, Luxemburg und Island liegen in Sachen Auslandsengagement-Häufigkeit vor uns. Auch wenn bezweifelt werden darf, dass die Imagewerte dieser Fußballländer über das Image des heimischen Kicks zu stellen sind.
Zwischen Kompromissbereitschaft und Realitätsverweigerung
Österreich ist respektabler 14. in der aktuellen 5-Jahreswertung, auch das Nationalteam geht eher rosigeren Zeiten entgegen. Spieler gehen en masse ins Ausland. Erfolgreichen Trainer im Ausland hat Österreich keinen einzigen. Natürlich hängt die Karriere eines Trainers auch immer von der Person selbst ab. Wie weit entwickelt sich jemand eigenständig weiter, wie lern- und wissbegierig ist jemand? Nicht alles hängt an einer Trainerausbildung, die ein Grundgerüst vermitteln kann, aber auch nicht mehr.
Der ÖFB aber nimmt einem Großteil an ambitionierten Trainern (rund 50 Bewerber gibt es pro Lehrgang) die Möglichkeit zur selbstständigen Weiterentwicklung, weil er ihnen das Fundament verwehrt. Gezielt. Denn wie würde ein Modell ohne Ex-Kicker-Privilegien aussehen? Von 14 Teilnehmern wäre bei Chancengleichheit, aller Voraussicht nach, nur ein Bruchteil mit Profivergangenheit dabei. Sprich: Ein Haufen an Ex-Kickern könnte keine professionelle Trainerlaufbahn einschlagen, was wohl einen großen Aufschrei der Kickeria zur Folge hätte. Also hat die Reform der Trainerausbildung bewusst nichts verändert. Sie ist in diesem Punkt bloß eine Reform, der Reform halber. Bestehend aus Kompromissen und Zugeständnissen. Die Tatsache, dass man nicht davon abrückt, die halbherzige und noch immer zweckinstrumentalisierte Trainerausbildung als Erfolg zu verkaufen zeigt, dass neben unangebrachter Kompromissbereitschaft vor allem Realitätsverweigerung vorherrscht.
g.gossmann@90minuten.at