Starke Austria, schwache Analyse
Peter Stöger holt 48 Punkte aus 20 Herbstspielen. Viele Medien machen das am erstklassigen Kader der Austria und an Torgarant Philipp Hosiner fest. Dabei irren sie. Von Gerald Gossmann .
Die Austria spielt und spielt und spielt und Hosiner trifft und trifft und trifft. Das war das Bild der bisherigen Saison. Aber kann man es so auf den Punkt bringen? Der Erfolgslauf ruft naturgemäß Kommentatoren auf den Plan, die das „Warum" erklären sollen. Das sind auf der einen Seite Experten der TV-Sender und Boulevardmedien. Auf der anderen Seite Österreichs Sportjournalisten. Hans Krankl, Speerspitze der Bundesliga-TV-Experten, verlautbarte auf Sky nach dem letzten Spiel: „Die Austria hat einen Lauf." Die Frage nach dem „Warum" beantwortet das nicht.
Der „Kurier" versuchte immerhin Gründe zu finden und urteilte zur Saisonhalbzeit: „Austria und Salzburg dominieren dank ihrer Luxuskader." Dabei besteht der Kader der Austria aus bislang durchschnittlichen Bundesligakickern und einem Haufen an Perspektivspielern. Der Kader ist gut genug, um in Österreich einen Europacupstartplatz zu holen. Einen Luxuskader besitzt die Austria nicht. Zur Veranschaulichung: Ein genauer Blick zeigt, dass sich der Kader der Austria von Vastic zu Stöger nicht bedeutend verändert hat.
Vergleicht man die Startaufstellungen samt Wechselspieler unter Vastic und unter Stöger, konnte Vastic nur auf Philipp Hosiner nicht zurückgreifen. Sprich: Stöger arbeitet mit nahezu identem Kader wie sein Vorgänger. Mit Klein und Margreitter hat er sogar zwei Leistungsträger verloren. Der vor Stögers Amtsbeginn verpflichtete Vrsic ist momentan nur Mitläufer. Das Kuriose dabei: Unter Vastic suchten Journalisten die Gründe für das negative Abschneiden auch im unzureichend besetzten Kader. Vastic habe durch die Verkäufe von Barazite und Junuzovic kein Material zur Verfügung, wurde bilanziert und die schwachen 26 Punkte aus 17 Rückrundenspielen damit erklärt. Wenn Journalisten aber den jetzigen Erfolgslauf unter Stöger mit dem hochwertigen Kader erklären, den sie beim Negativlauf vor wenigen Monaten noch verdammten, führen sie sich damit selbst ad absurdum.
Von 1,5 Punkteschnitt auf 2,4 - Luxuskader mit unterschiedlichem Ergebnis
Ein paar Zahlen dazu: Unter Karl Daxbacher hielt die Austria vor einem Jahr bei 28 Punkten (nach 19 Spielen) zur Winterpause. Mit Barazite und Junuzovic. Vastic holte ohne die beiden 26 Punkte aus 17 Frühjahrsrunden (Punkteschnitt: 1,5). Stöger hält nach 20 Spielen bei 48 Punkten (Punkteschnitt: 2,4). Holte also 20 Punkte mehr als Daxbacher im vergangenen Jahr. Trotz Abgängen von Junuzovic, Barazite, Klein und Margreitter. Und erklärt wird der Punktezuwachs unter Stöger mit dem Argument des Luxuskaders, der kurz davor noch als Mitgrund für das Scheitern von Vastic herhalten musste? Seltsam. Aber woran liegt es tatsächlich, dass Stöger so viele Zähler mehr herausholt aus einem Kader, der anscheinend nicht eindeutig zu beurteilen ist?
Es liegt alleine an Hosiner. Wieder falsch.
„Hosiner", lautet das Zauberwort vieler Experten und Journalisten. Den hatte Vastic nicht. 21 Treffer, das spricht für sich. Austria ist gut, weil Hosiner trifft, lautet der zweite Teil der Analyse. Dabei wird vergessen, dass Hosiner in Runde 7 zum ersten Mal für die Austria am Feld stand. In Runde 8 zum ersten Mal traf. Zu diesem Zeitpunkt, also nach Runde 6, war die Austria Tabellenführer, mit 15 Punkten und einer Quote von 2,5 Punkten pro Spiel. Nach Ende der Hinrunde hält die Austria bei 2,4 Punkten im Schnitt – die Quote war also auch vor Hosiner dieselbe.
Offensichtlich ist aber auch, dass die Austria für die 15 Punkte nach sechs Spielen nur 8 Tore benötigte, bei einem erhaltenen Gegentreffer. Es war also offensichtlich, dass trotz Tabellenführung im Angriff Handlungsbedarf bestand. Was aber nur beweist, dass Stöger sein System adaptieren kann. Er hatte ohne das fehlende Mosaik Hosiner mit kontrolliertem Fußball Erfolg, adaptierte sein System mit der gewünschten Sturmspitze dann in ein Offensiveres. Hosiner ist als intelligenter Kauf zu sehen, der mit Blick auf das System verpflichtet wurde. Kein Glücksgriff, wie manchen Medien zu entnehmen war. Mit Linz und Kienast standen in seinem Kader keine passenden Stürmertypen zur Verfügung. Hosiner war das fehlende Mosaiksteinchen. Stöger hat das erkannt, während unter Vastic mit Kienast ein ähnlicher Spielertyp verpflichtet wurde, wie der ins Abseits verfrachtete Linz.
Relativ anschaulich erklärt vor allem Austrias Co-Trainer Manfred Schmid den Erfolgslauf im Interview mit 90minuten.at: „Lauf- und Passwege sind einstudiert, gewisse Automatismen wurden entwickelt. So haben wir ein System und können auch Sperren und Verletzungen auffangen. Es ist egal wer spielt." Natürlich kommen dazu noch andere Faktoren, die aber vor allem durch das Trainerteam entscheidend beeinflusst werden, das sich modernen Entwicklungen gegenüber nicht verschließt.
Stöger überlässt wenig dem Zufall. Co-Trainer Schmid erzählt von Automatismen, dem hohen Stellenwert von Taktik und moderner Videoanalyse. Das Resultat heißt Konstanz im Spiel der Austria. Von 20 Spielen wurden 15 gewonnen, 3 unentschieden gespielt, nur zwei verloren. Wenn Analytiker und Journalisten jetzt den Erfolg an einem angeblichen Luxuskader und Torgarant Hosiner festmachen, greift das in jedem Fall zu kurz. Noch mehr: Es wertet die Arbeit des Trainerteams ab und lässt den Leser uninformiert zurück. Mit Plattitüden, die an der Oberfläche nicht einmal kratzen. Analysefähigkeit ist keine Stärke des österreichischen Sportjournalismus, das zeigt auch dieses Beispiel. Die Analysen vieler Experten und Journalisten machen klar, dass nicht nur die immer wieder angeprangerte Netzwerk-Politik die Sportberichterstattung beeinflusst – wie im Falle Peter Hyballas bei Sturm – sondern auch eine Portion Ahnungslosigkeit dazu führt, dass der Informationsgehalt von einem Großteil der Sportberichterstattung auf mangelhaftem Niveau stagniert.
g.gossmann@90minuten.at