Peter Lindens Reflex mit System
Peter Linden nützt die erste Möglichkeit um gegen Marcel Koller Stimmung zu machen. Er positioniert sich damit erneut als größter Interessenvertreter der heimischen Fußballszenegrößen und steht damit sinnbildlich für das hiesige Verständnis von Sportjourn
Peter Linden nützt die erste Möglichkeit um gegen Marcel Koller Stimmung zu machen. Er positioniert sich damit erneut als größter Interessenvertreter der heimischen Fußballszenegrößen und steht damit sinnbildlich für das hiesige Verständnis von Sportjournalismus.
von Gerald Gossmann
„Marcel Koller ist stets freundlich und verbindlich", schreibt Peter Linden in seiner Kolumne „Fußball aus erster Hand" in der Sonntagskrone. Nachsatz: „Nach außen hin. Aber der Teamchef kann auch anders. Wenn es um seine 'Rayon´ geht, kennt er weder Spaß noch Freunde. Bestätigt den Ruf, den er in der Schweiz hat: immer zu versuchen, möglichst viel 'Macht´ in den eigenen Händen zu halten."
Krone-Mann Peter Linden reagiert damit auf das Veto Kollers, mein Interview mit seinem Assistenten Fritz Schmid zu veröffentlichen. 90minuten.at hatte den Vorgang rund um Kollers Einspruch vergangene Woche öffentlich gemacht – vor allem um das peinliche und ungeschickte Vorgehen der ÖFB-Pressestelle zu kritisieren.
Peter Linden aber nützt die erste Angriffsfläche Kollers um gegen ihn Stimmung zu machen. Breitenwirksam – für mehrere Millionen Leser. Bislang war es schwer dem Teamchef ans Bein zu pinkeln. Große Reisebereitschaft, nachvollziehbare Äußerungen und Arbeitsmethoden, gute Öffentlichkeitsarbeit. Den ersten medialen Patzer Kollers nützt Linden jetzt, um, im Interesse einer ganzen Szene, dem ungewollten Teamchef eins drüber zu braten. Dabei ist die jetzige Kritik Lindens am Teamchef, aus seiner Sicht, wenig nachvollziehbar. Befürchtete Linden noch bei Kollers Bestellung einen zu großen Machteinfluss Ruttensteiners auf die Arbeit des Teamchefs, sorgt er sich plötzlich um die zu große Machtgier Kollers.
Während Linden Ex-Teamchef Constantini noch entschuldigte, wenn der seine nicht vorhandene Medienarbeit auf Pressekonferenzen öffentlich machte, gilt dieser Schutzmantel für Koller nicht. Eben nach dem Motto: Wer gerade angepatzt werden soll wird eben angepatzt. Schon vor einigen Wochen versuchte Linden zart Druck auf den neuen Teamchef aufzubauen. „Koller hat jetzt mehr Legionäre zur Verfügung als Constantini.“ Ein Großteil seiner Leserschaft nimmt ihm solch Polemisches ungeschaut ab. Obwohl Linden dezent verschwieg, dass Constantini selbst daran Schuld getragen hat, dass Ivanschitz, Garics & Co. nicht zum Teamkader zählten. Aber schließlich muss ja Stimmung erzeugt werden, auch wenn die Fakten die Stimmungsmache nicht unterstützen.
Linden ist Teil der Szene, deren Kontrollorgan er sein sollte
Peter Linden gilt seit Jahrzehnten als mächtigster Sportreporter des Landes. Er ist der Mann mit dem bestfunktionierenden Netzwerk, das er hegt und pflegt. Mit ÖFB-Generaldirektor Gigi Ludwig trifft er sich zum Kartenspielen, mit Krankl, Hickersberger und Constantini ist er per du. Peter Linden ist kein gewöhnlicher Sportreporter, er ist Teil der Szene. Teil der Szene, deren Kontrollorgan er sein sollte. Er aber ist ihr Interessenvertreter. Und das nicht ohne Selbstzweck. Linden scheint sich über die Jahre einen unausgesprochenen Deal erpackelt zu haben: er tut den Hickersbergers, Krankls und Constantinis der Szene nicht weh und bekommt im Gegenzug exklusive Infos aus erster Hand. Eine Win-Win-Situation für Linden und die Szenegrößen. Für den Sportjournalismus und seine Leser eher eine Lose-Lose-Situation.
Viele halten Peter Linden für „den Inbegriff der Verhaberung und schlicht unseriös“, urteilte ein Kenner der Szene, der nicht namentlich genannt werden möchte, einmal gegenüber dem Magazin „Datum“. Seinen schlechten Ruf verdankt Linden auch dem Lob von Szenegrößten. So urteilte kürzlich Ex-Teamchef Constantini auf Sky: „Es gibt Top-Journalisten. Aber es gibt auch welche, die nicht so gut sind." Constantini hält Linden für top. Und top steht für: der tut mir nicht weh. Linden selbst streitet seine Rolle nicht ab: „Es ist Unfug, dass jemand, weil er mit mir per du ist, automatisch gute Kritiken gepachtet hat“, erzählte er dem Magazin „Datum“. Nachsatz: „Aber natürlich bin ich kein masochistischer Mensch, der sich selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt.“
Und damit schätzt Linden seine Lage gar nicht so falsch ein. Wie ihm geht es vielen Fußballjournalisten in Österreich. Was aber auch kein Wunder ist. Kleines Land, kleine Fußballszene. Jeder kennt jeden. Viele befinden sich auch durch verschiedene Abhängigkeitsverhältnisse in einer ziemlich unabhängigen Situation.
Wer Zusammenarbeit braucht, kann nicht den Kuli gegen die Hauptdarsteller richten
In Österreich verstehen sich Journalisten und die Hauptdarsteller der Fußballszene als Verbündete. Wer mit einem Kühbauer oder Schöttel Woche für Woche zusammenarbeiten muss, kann nicht auf einmal den Kuli gegen ihn richten. Schon gar nicht, wo man doch schon per du ist. Schon gar nicht, wo ein Krankl oder Prohaska doch schon fast so etwas wie Freunde sind. Und um diesen Zustand sind sich die Fußballgrößen auch bewusst. Ein freundschaftliches Schulterklopfen für den Journalisten da, ein nettes Lob dort. Ein exklusiver Tipp zum dazwischenstreuen. Theatralisch ausgedrückt: ein bisschen unausgesprochene Währung und der Journalist ist gekauft. Da springen Printjournalisten großer Tageszeitungen schon mal den, vor allem in Internetmedien, viel kritisierten 98er-Trainern zur Hilfe, anstatt die taktischen Systeme zu durchleuchten, die die Kritik plausibel erscheinen ließe. Eine Mischung aus Verhaberung und Unwissenheit, die vor allem der Leser auszubaden hat.
Und als hätte man darauf wetten können greift Peter Linden jetzt bei erster Gelegenheit, die sich ihm bietet, den Teamchef an. Er hätte auch auf andere 90minuten.at-Geschichten der Vergangenheit aufspringen können, um sich dem Vorwurf der Subjektivität nicht aussetzen zu müssen. Auf die Aufdeckung der Inzucht in der Trainerausbildung zum Beispiel. Oder auf die brisanten Aussagen Helmut Kronjägers zu den taktischen Schwächen der 98er-Trainergeneration, die jetzt in der Bundesliga werkt. Hat er aber nicht. Weil die Herren der 98er-Gilde seinem Netzwerk angehören. Der Teamchef tut das nicht.
Den Schweizer Teamchef würde der Großteil seines Netzwerkes gerne auf der Abschussliste sehen, weil er einem der Ihren den Platz verstellt. Auch Linden selbst hätte höchstwahrscheinlich lieber einen aus seinem Netzwerk am höchsten Trainerstuhl des Landes gesehen. Schon rein aus Selbstzweck. Schon rein wegen der exklusiven Infos, die ihm ein Vertrauter als Teamchef garantiert hätte.
Und Linden stellt wieder einmal klar: er ist nicht Österreichs mächtigster Sportjournalist. Nein. Linden ist im Grunde kein Journalist mit Kontrollfunktion. Linden ist, als Teil des Netzwerks, Österreichs mächtigster Interessenvertreter. Sein sofort einsetzender Reflex eine Randnotiz dazu zu verwenden, gegen den neuen Teamchef Stimmung zu machen, zeigt das wieder deutlich auf.
Mail an den Redakteur Gerald Gossmann: g (dot) gossmann (at) 90minuten (dot) at
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