Hyballa - Ein Fußballtrainer in Österreich

Peter Hyballa bringt einen Kampf der Philosophien in die Bundesliga. Während der Großteil seiner Trainerkollegen das Spiel abwartend anlegt, will er seine Teams agieren sehen. Sturm Graz könnte damit zum österreichischen Vorzeigemodell werden oder an typi

logo_qualitaetsjournalismusPeter Hyballa bringt einen Kampf der Philosophien in die Bundesliga. Während der Großteil seiner Trainerkollegen das Spiel abwartend anlegt, will er seine Teams agieren sehen. Sturm Graz könnte damit zum österreichischen Vorzeigemodell werden oder an typisch Österreichischem scheitern.

von Gerald Gossmann

 

„Hyballa – wer?“, „Kennt ja keiner“ oder „Da hätten´s ja gleich den Adi Pinter zurückholen können.“  Kopfschütteln in Österreichs Fußballforen. Peter Hyballa ist soeben zum Trainer von Sturm Graz bestellt worden. Nicht Schopp, Stöger oder Vastic. Nein. Hyballa nennt sich der neue Trainer und löst alleine damit kräftiges Kopfschütteln aus. Hyballa - kein ehemaliger Profifußballer, mit 34 Jahren jüngster Cheftrainer im deutschen Profifußball, Taktikaffin. Hyballa zählt zur jungen deutschen Trainerriege um Klopp, Tuchel und Rangnick. Zu jenen Herren, die sich über Fußball detailliert Gedanken machen, die das Wort Konzeptfußball nicht nur als Worthülse betrachten. „Keine Sprüche von elf Freunden, Gras fressen und Zweikämpfe annehmen“, erklärt Hyballa selbst. Das ist natürlich gut, weil in Österreichs Bundesliga vor allem die angesprochenen Sprüche vom Gras fressen immer noch grassieren.

 

Während der Großteil der Ligatrainer ihre Spieler ohne hochtrabende Matchpläne und fehlendes Pressing in regelmäßige Pattstellungen und Neutralisierungsgefechte treibt, wird es ab nächster Saison einen geben, der für offensiven und aggressiven Fußball steht. Manche vergleichen seinen Spielstil mit jenem von Dortmund. Der Gegner darf nicht ruhig aufbauen, sondern wird direkt attackiert. Dazu schnelles Umschalten bei Ballgewinn. Hyballa will Fußball spielen. Am besten möglichst modern. „Er kombiniert niederländisch geprägtes Positions- und Kombinationsspiel mit Tempo- und Konterfußball, gepaart mit aggressivem Pressing“, analysiert „Spielverlagerung.de“. Hört sich gut an. Auch was abseits des Platzes passieren soll. In Aachen soll Hyballa jegliche Laufeinheiten ohne Ball abgeschafft haben, alle Übungen wurden in Spielsituationen verpackt. Das alles hat Züge vom Arbeitsstil des FC Barcelona, von Dortmund. Aber das alles gibt es nicht wirklich in Österreich.

 

Daher wird der Neue, wie insgesamt das Treiben des neuen Sturm-Geschäftsführer-Duos, von den alteingesessenen Funktionären, Trainern und Journalisten kritisch beäugt. Da wird jetzt einer zum Trainer eines renommierten Bundesligisten bestellt, indem man die übliche Vorgehensweise einfach missachtet. Da zählt plötzlich kein Status eines bekannten Ex-Profi-Gesichtes mehr. Kein Status im Netzwerk der heimischen Kick-Schickeria. Kein Einspruch eines namhaften Sponsors. Da zählt alleine das fachliche Kriterium, das nahezu die gesamte  heimische Trainergilde plötzlich chancenlos macht. Das erzeugt Neid von Stöger aufwärts bis Polster abwärts. Vor allem, wenn ohnehin nur mehr 10 Erstligaplätze als potentielles Betätigungsfeld übrig bleiben, weil man als österreichischer Lernresistenz-Trainer im Rest der Welt nicht gefragt ist. Das erzeugt auch Ärger bei Journalisten, denen die bislang wohlgeölte Informationsweitergabe mit der Bestellung eines gänzlich Unbekannten zusätzlich erschwert wird und durch den Aufbau einer Vertrauensbasis zu den allesamt neuen Verantwortlichen einen Haufen an Mehrarbeit bringt. Aber warum soll sich die kleine Steiermark mit diesem Paradigmenwechsel leichter tun, als das kleine Österreich bei der Umstrukturierung des ÖFB?

 

Greift ein ausgefeiltes System bei taktisch schlecht geschulten Spielern?

peter_hyballa_2_gepaAber nicht nur das geölte österreichische Netzwerk könnte für Hyballa zum Problem werden. Auch sein Verständnis von Fußball. Hyballa will, dass seine Spieler selbst nach Lösungen suchen, die ihnen in spielnahen Trainingssituationen vermittelt werden. „Die Einschränkungen und Regeln sollen ihnen nur einen Schubs in die richtige Richtung geben“, sagt er. „Wir wollen gar nicht so viel über den Gegner reden, sondern unser aggressives, offensives Spiel spielen.“ Eine Philosophie, wie sie Hyballa vorschwebt, greift aber nur mit Spielern die viel an Antizipier Fähigkeit und taktischem Rüstzeug mitbringen. Was in Österreich aber zum Problem werden könnte. Bei Rapid beispielsweise waren Taktikeinheiten unter Pacult nicht vorhanden. Erst unter Schöttel wurde ein Einmaleins an Grundvoraussetzungen eingeführt. Mehr aber auch nicht. Bei Salzburg heißt es, dass sich die Mannschaft mittlerweile am Feld selbst organisiert, weil Moniz mehr Motivations- und Techniktrainer ist. Auch Foda wurde sein einzementiertes Grundkonzept schließlich zum Verhängnis. Aleksandar Dragovic kritisierte erst nach seinem Abgang von der Austria, das planlose und zufällige Spiel nach vorne, das sich von dem in Basel grundsätzlich unterscheide. Dragovic ist nicht der einzige Spieler, der den fehlenden Stellenwert von Taktik im österreichischen Fußball kritisiert. Ein Blick auf 90 Minuten österreichischen Fußball verrät ohnehin das Offensichtliche.

 

Daher stellt sich die Frage, ob ein ausgefeiltes taktisches System bei taktisch wenig geschulten Spielern sofort greifen kann. Und wenn nicht. Wie lange dauert der Vorgang bis es greift? Auch wenn Hyballa bei seiner ersten Profitrainerstation in Aachen mitreißenden Offensivfußball spielen ließ, so hieß es, dass die Spieler seine komplexen Vorgaben nicht voll umsetzen konnten. Was zum Teil an den Spielern, zum Teil aber auch an Hyballa gelegen haben könnte. Fest steht, dass er bei keinem Klub durschlagende Erfolge feierte. Fest steht auch, dass er es nie schaffte Balance zwischen Defensive und Offensive zu bringen. Es ist aber auch Faktum, dass Hyballa im Profibereich noch nirgendwo länger gewerkt hat.

 

Wie viel Zeit bekommt Hyballa?

Daher bleibt auch die Frage, wie viel Zeit Hyballa für die Umsetzung seines Konzepts gegeben wird. Oder ob bei Rückschritten sofort die geringen zählbaren Erfolge seiner bisherigen Arbeit als Totschlagargument angeführt werden. Hyballa trainierte bislang nahezu ausschließlich Jugendteams, war nur kurz Profitrainer in Aachen, zuletzt werkte er wieder im Jugendbereich bei den Red Bull Juniors. Ins Rampenlicht brachte ihn aber regelmäßig die Art und Weise, wie seine Mannschaften agierten und seine „außergewöhnliche Trainingsarbeit“, wie „Spielverlagerung.de“ bemerkt. Hyballa wird als Kämpfer beschrieben, als Getriebener und Visionär. Als Fußballverrückter, der sich seinen Weg nach oben mühsam erarbeitet hat. Und damit unterscheidet er sich grundlegend von den prominenten Ex-Kickern, die ihren Platz auf den hiesigen Bundesligasesseln nahezu garantiert haben. „Ich musste mich für den nächsten Trainerschritt immer gegen die Türen werfen. Viele Exprofis bekommen gleich nach Karriereende die Tür aufgehalten: Hier haste nen Trainer- oder Managerjob, bitteschön. Wenn ich leiser wäre, wäre ich wohl nicht mit 34 jüngster Profitrainer in Deutschland geworden.“

 

Wenn Hyballa die Vermittlung seines Konzepts gelingt, könnte Sturm Graz als Sprungbrett für den auch in Deutschland geschätzten Fußballfachmann dienen. Für den österreichischen Fußball könnte ein moderner, taktischer, erfolgreicher Spielstil Umdenkprozesse einleiten. Vor allem dann, wenn die Nationalmannschaft zeitgleich mit ähnlichen Methoden Erfolg hat. Hyballa könnte dann nicht nur für Sturm Graz zu einem guten Griff werden, sondern langfristig für den gesamten österreichischen Fußball.


g.gossmann@90minuten.at

 

Linktipp: sturm12.at-Portrait: Peter Hyballa - Verrückter Visionär

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