Taktik ist wichtig, aber eigentlich auch nicht
Taktik rückt in die Köpfe der Journalisten. Taktikschwerpunkte, Taktikanalysen und eine neue Standardfrage: „Halten Sie Taktik für wichtig?“ Das ist gut. Wenn sich die ganze Fußballwelt schon zu einem mathematischen Wettkampf auf Rasenziegeln entwickelt,
Taktik rückt in die Köpfe der Journalisten. Taktikschwerpunkte, Taktikanalysen und eine neue Standardfrage: „Halten Sie Taktik für wichtig?“ Das ist gut. Wenn sich die ganze Fußballwelt schon zu einem mathematischen Wettkampf auf Rasenziegeln entwickelt, ist eine Frage nach Taktik wohl auch in Österreich nicht überbewertet. Vor allem fragt man jetzt bei der jüngeren Trainergeneration nach. Kühbauer wird gefragt, Schöttel, Herzog. Von den Alten kennen wir die Antworten ja bereits.
Constantini: „Taktik ist wichtig. ABER wenn ich mir anschaue, dass Mannschaften mit derselben Taktik einmal gewinnen und ein anderes Mal verlieren – dann sage ich, dass Taktik vielleicht doch nicht ganz so wichtig ist.“
Altbekanntes. Krankl, Pacult und Koncillia haben ihre Abneigung gegen Taktik, die so verdammt grauslich nach Schule und Lernen riecht, schon weit brutaler abgekanzelt. Taktik sei nur für große Nationen mit guten Spielern wichtig, fantasierte Koncillia einmal. Mit dem bekannten ABER, für unsere Zwetschkenliga sei das eh total wurscht.
Okay, die Alten sind zu vergessen, das hat ein Teil der Berichterstatter erkannt. Also fragen wir die Jungen.
Andi Herzog sprach kürzlich im Taktik-Talk mit Laola1.at folgendes: „Ich glaube schon, dass Taktik heute ein wichtiger Faktor ist.“ ABER „Es nützt dir keine Taktik, wenn einer Mannschaft die Basis fehlt, also Kraft, Athletik, Technik und ein fußballerisches Verständnis.“
Da war es also wieder. Taktik ist wichtig. ABER. Das kennen wir bereits von den Alten. Pacult sagte kürzlich: „Was hilft die beste Theorie, wenn´s die Mannschaft nicht umsetzt.“ Heißt: Taktik wäre schon wichtig, aber weil´s ja eh so viele Faktoren gibt die sonst auch nicht passen, lassen wir diesen Taktikkram auch gleich weg.
Aber auch wenn, so wie Herzog es sagt, Kraft, Athletik, Technik und fußballerisches Verständnis nicht gegeben wären. Ist der Erfolg ausgerechnet damit zu erreichen, den letzten entscheidenden Faktor, nämlich den taktischen Bereich, auch noch zu kippen?
Die Trainerhoffnung der Medien Nummer 2 Didi Kühbauer beklagte, dass er als Trainer nicht mehr in das Spiel eingreifen könne wie als Spieler. Ansichten, die wenig Hoffnung auf einen Taktikguru Kühbauer machen. Dortmunds-Meistercoach Klopp freut sich genau über das Gegenteil. Erst jetzt, als Trainer, könne er eine Mannschaft richtig lenken. Als Spieler sei er eher ein Hundskicker gewesen, mit Spiel drehen war da nix.
Herzog ist im Grunde ein kluger Kerl, authentisch, ehrlich, sympathisch, wissend. Herzog weiß, dass da mehr ist als „Geht´s ausse und spüts eicha Spü“. Herzog, der Maturant, muss nicht auf die Fußballprofessoren hinhauen. Und er erkennt warum ausgerechnet Foda, Gludovatz, Klopp, Tuchel und Slomka in ihren Ligen vorne waren. Trotz wenig atemberaubender Voraussetzungen. Weil sie sich an modernen Gegebenheiten orientieren. Herzog weiß, dass Taktik und System eine immer größer werdende Rolle spielen, lässt aber offen, ob er dazu imstande wäre ein ähnlich akribischer Trainer zu werden.
Herzog: „Die Umstellung von Mann- auf Raumdeckung erfordert ein ganz anderes Spiel. Das ist momentan auch das Schwierige für einen Trainer.“ Und jetzt kommts: „Wenn du alle taktischen Feinheiten berücksichtigen willst, dann wird der Fußball für einen Trainer immer schwerer und umfangreicher. Das ist schon Wahnsinn.“
Klingt irgendwie nicht nach: „Das schaff ich aber.“
Herzog: „Als Nationaltrainer hängt das immer davon ab, welche Spieler dir zur Verfügung stehen, und natürlich kannst du nicht so ins Detail gehen, wenn du vor Länderspielen nur zwei, drei Tage Zeit hast.“
Macht auch nicht mehr Hoffnung, auf einen Nationaltrainer Herzog, der mit viel Taktik aber ohne Ausreden auskommt.
>>> Seite 2:
In Internetforen wurde Herzogs Taktikaffinität als Attest für seine Kompetenz als Trainer gewertet. Der Tenor: „Herzog wäre ein guter Teamchef.“
Aber nach diesem Prinzip müsste wohl Internet-Blogger Martin Blumenau der nächste Teamchef werden. Taktikaffin, am Puls der Fußballzeit. Vielleicht sollte man mich nehmen, würde ich nicht einsehen, dass Taktikaffinität nichts mit Umsetzungsqualität zu tun hat.
„Andreas Herzog ist ein Hoffnungsträger“, schreibt Laola1.at. Warum aber? Weil er die Existenz von Taktik nicht leugnet? Ist zwar im Grunde ein Fortschritt. Pacult, Constantini und Krankl waren ja noch Ungläubige. Der Glaube alleine daran ist am Ende vielleicht trotzdem zu wenig.
Herzogs Schlussplädoyer: „Ich hatte nie richtige Taktikfüchse als Trainer…Otto Rehagel war ein Trainer, der extrem erfolgreich war und der ganz andere Qualitäten hatte. Er hat gewusst, wie er die Mannschaft zusammensetzen muss, um Stärken und Schwächen auszugleichen. Das ist vielleicht sogar noch einen Schuss wichtiger. Wenn die Mannschaft nicht harmoniert, dann kannst du auch mit Taktik nicht viel ausrichten.“
Herzog glaubt also an Taktik, aber im Endeffekt dann doch wieder nicht so recht. Herzog machte in der Vergangenheit keinen Hehl daraus, Teamchef werden zu wollen. Herzog wäre ein sympathischer Teamchef. Aber hilft das dem österreichischen Fußball? Sympathisch soll ja auch der Herr mit verloren gegangenem Skilehrerschmäh einst gewesen sein.
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