Ein Versuch in die richtige Richtung
Sturm Graz hat vorgezeigt, wie eine Trainersuche idealerweise ablaufen kann. Auch, wenn niemand sagen kann, ob der Deutsche Heiko Vogel erfolgreich sein wird: Das Lob gilt dem Versuch, den der Verein da gerade unternimmt.
Ein Kommentar von Gerald Gossmann
Heiko Vogel heißt also der neue Trainer von Sturm Graz. Das ist für österreichische Verhältnisse ein ziemlich guter Fang. Und Sportdirektor Günter Kreissl hat jedenfalls in der Theorie (der Praxistest folgt ja erst) vorgezeigt, wie man so eine Trainersuche orchestriert. Heiko Vogel wurde einer breiteren Öffentlichkeit als Basel-Meistermacher bekannt. Und durch den Einzug ins Champions League-Achtelfinale. Vogel gilt als guter Stratege mit persönlicher Vorliebe für Ballbesitzfußball und einem Faible für Ingame-Coaching (also dem direkten Eingreifen in strategische Abläufe während des Spiels).
Beim ÖFB zelebrierte der Sportdirektor zuletzt vor allem eine Aufzählung von jenen internationalen Kandidaten, die nicht verfügbar, nicht finanzierbar oder einfach nicht willig waren. Beinahe musste man den Eindruck gewinnen, dass jeder Ausländer so teuer ist, dass so einer nie finanzierbar wäre für den ÖFB. Alles wirkte ein wenig nach einer Alibi-Aktion, um die im Präsidium favorisierten Foda und Herzog zu rechtfertigen. In Graz scheint man wirklich an der bestmöglichen Lösung interessiert gewesen zu sein. Und finanzierbar war sie scheinbar auch noch.
Jetzt sagen Kritiker: Warum den Morgen vor dem Abend loben? Wer weiß, ob Vogel auch das bringt, was sich viele von ihm versprechen. Das ist nicht unrichtig. Wissen kann man das nie, ob ein Trainer funktioniert. Das hängt von zu vielen Faktoren ab. Nicht nur vom taktischen Können.
Hier wurde vieles richtig gemacht
Was man aber kann: Die Rahmenbedingungen analysieren. Hier wurde - jedenfalls in der Theorie - vieles richtig gemacht. Sturm Graz spielte in den letzten Jahren eher reaktiven Umschaltfußball. Erst in dieser Saison wurden, mit dem von Sportdirektor Kreissl zusammengestellten Kader und Trainer Franco Fodas neuer Flexibilität, neue Wege eingeschlagen. Jetzt möchte man die Mannschaft in Richtung mehr Dominanz und Ballbesitzfußball weiterentwickeln. Vogel gilt dafür als Spezialist. „Heiko Vogel hat auch einen Fokus auf Ballbesitz, das ist gut, weil es viele Vereine gibt, die in der österreichischen Liga defensiv agieren“, betonte Kreissl bei der heutigen Pressekonferenz.
Das ist ein richtiger Ansatz, den beispielsweise die Rapid-Führung bei der Trainerbestellung von Damir Canadi nicht mitbedachte oder einfach falsch einschätzte. Dabei wird dieser Ansatz immer entscheidender und wird doch noch immer zu wenig beachtet.
Mancher in Österreich sozialisierte Journalist kritisiert die Bestellung. (...) Warum kein Österreicher? Der Standardsatz lautet: Was soll Mister X besser können als ein Österreicher? Dass hier rein nach fachlichen Kriterien und nicht nach Nationalität entschieden wurde, scheint dabei undenkbar.
"Er war bloß bei Basel"
Kritiker unter Fans und Journalisten unken gerade: Warum wird Vogel so hochgelobt? Er war bloß bei Basel, mit denen ja jeder Meister wird. Und dann im Nachwuchs bei den Bayern. Im Nachwuchs. Also was soll der Jubel?
Man kann schnell kontern: Denn für österreichische Verhältnisse ist jemand, der mit einer internationalen Größe wie Basel Meister wurde und ins Achtelfinale der Champions League einzog, doch ein rechtes Kaliber. Die Arbeit im Nachwuchs des FC Bayern und regelmäßigen Austausch mit Trainerguru Pep Guardiola haben auch wenige heimische Liga-Coaches vorzuweisen.
Die meisten Akteure, die hierzulande zuletzt in hohe Ämter rutschten, hatten weniger vorzuweisen. Bei Rapid beispielsweise Büskens, Canadi und Djuricin. Nach klassisch österreichischem Vereinsbiedermeier-Modell hätte Mählich genommen werden müssen. Oder Vastic. Dass das nicht passierte, ist im heimischen Fußballzirkus schon als Außergewöhnlich zu betrachten.
Für den Versuch gebührt Lob
Ob der fachlich hochgelobte Vogel funktioniert, weiß natürlich niemand. Aber schon der Blick über den Tellerrand und die Gedanken des Sportdirektors (ob Vogels Spielphilosophie zu Sturms Stil passen bzw. diesen sogar in eine gewünschte Richtung weiterentwickeln könnte), heben sich von so vielem in letzter Zeit ab. Mancher in Österreich sozialisierte Journalist kritisiert die Bestellung. Warum nicht Herzog, Pfeifenberger, Barisic, Mählich oder Kühbauer? Warum kein Österreicher? Der Standardsatz lautet: Was soll Mister X besser können als ein Österreicher? Dass hier rein nach fachlichen Kriterien und nicht nach Nationalität entschieden wurde, scheint dabei undenkbar.
Es wäre gewagt zu behaupten, dass das alles nur Erfolg bringen kann. Aber welcher neue Trainer garantiert das schon?
Für den Versuch, diesen Weg zu gehen, gebührt hier das Lob. Und dafür, dass ein Sportdirektor einmal vorzeigt, wie man mit strukturierter Arbeit, trotz des halben Budgets der Wiener Vereine, weit vor diesen liegen kann.
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Über den Autor: Gerald Gossmann
Gerald Gossmann schreibt neben 90minuten.at für Profil, DIE ZEIT und hat eine Kolumne auf profil.at.