Befreit in lichte Höhen
Foto © GEPA

Befreit in lichte Höhen

Es müsste das Schicksal schon sehr böse mit Österreich meinen, dass das Nationalteam nach dem Sieg gegen Polen nicht ins Achtelfinale kommt. Insofern: Der Kopf ist frei, jetzt geht alles.

Der Sieg Ungarns gegen Schottland ist unser Momentum am Montag.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich als einer der besten Gruppendritten aufsteigt, ist seit dem ungarischen Sieg gegen Schottland sehr hoch, auch wenn ein Unentschieden noch besser gewesen wäre. Aber sei’s drum: Sollten Albanien und Kroatien heute Abend nicht gewinnen, kann Österreich bei einer knappen Niederlage gegen die Niederlande Sekt- oder Limonadekorken knallen lassen. Vielleicht muss man im Niederlagenfall auch noch ein bisschen warten, wenn Dänemark und England ihre Dienstagsspiele gewinnen, dann... Gut, dieser Text fühlt sich schon an wie ein Meme, bei dem alle möglichen Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, im allerschlimmsten Fall muss rot-weiß-rot eben bis Mittwoch warten. Die statistischen Modelle besagen, dass Österreich zu 99 Prozent in der KO-Phase steht, das Viertelfinale ist zu 50 Prozent möglich.

Alles kann gehen

Keine Sorge, wir verfallen nun nicht ins Himmelhochjauchzende. 2016 scheiterte das Nationalteam unter Marcel Koller an mehreren Faktoren, unter anderem an den hohen Erwartungen (damals mit dabei: Lindner, Sabitzer mit dem jetzt-Non-Playing Captain Alaba). 2021 schaffte man es in einer ehrlicherweise einfachen Gruppe unter einem das Team limitierenden Coach Franco Foda ins Achtelfinale (mit Alaba, Lienhart, Posch, Baumgartner, Grillitsch, Laiumer, Sabitzer, Arnautović und Gregortisch). Nun ist das Nationalteam gereift, hat einen Trainer, der das Beste aus ihnen herauskitzelt – unter bekannten Umständen, mit einer langen Liste an Verletzten. Ein Punkt oder natürlich auch ein Sieg gegen die Niederlande ist nicht auszuschließen.

Im Dienst der Sache

„Verteidigen ist eine Fußball-Art, die sehr viel Verstand und Training abverlangt. Wenn man das gemeinsam macht, im Schwarm-Gedanken, kann das eine außergewöhnliche Waffe sein“, erzählte Rangnick-Co-Trainer Lars Kornetka nach dem Polen-Match. Der Schlüssel in diesem Satz ist nicht das Verteidigen, das in Form von Pressing stets nach vorne orientiert ist, sondern das „gemeinsam machen“. Ein mittlerweile etwas abgelutschtes Beispiel: Marko Arnautović, das ach so terrible Enfant. Der sagt vor der Euro: „Der Trainer entscheidet und ich werde seine Entscheidung respektieren.“

Seine Genialität (Marc Janko: „Er ist einer der besten Spieler, mit denen ich jemals zusammengespielt habe.“) stellt er ohne Wenn und Aber in den Dienst der Mannschaft. Und das machen alle, frei nach dem Motto „Elf Freunde müsst ihr sein“. Nicht jeder Kicker im Kader wurde so hochgejazzt wie der Interstar, mache sind auch introvertierter und müssen ebenfalls bei Laune gehalten werden. Dass alle Rädchen ineinander greifen, ist eine Auszeichnung für den gesamten Staff.

Da geht was!

Genug der Lobhudelei. Noch kann die Mission Achtelfinale schiefgehen, auch wenn es unwahrscheinlich erscheint. Wohin die Reise gehen kann, steht in den Sternen. Das Team hat allen Ausfällen zum Trotz bewiesen, dass man Topnationen fordern kann und – wir zahlen noch einmal ins Phrasenschwein ein – an einem guten Tag jene auch zu schlagen sind. Nach dem großen Schritt gegen die Polen steht die Tür in die KO-Phase weit offen, nach dem Durchschreiten ist dann viel möglich. Eine weitere statistische Berechnung spuckt als wahrscheinlichste mögliche Gegner aktuell England (17%), Belgien (16%), Rumänien (14%), Spanien (13%) und die Slowakei (10%) aus.

Sagen wir einmal so: Nur Spanien kickt summa summarum von einem anderen Stern. Österreich hätte sich vom Schicksal nach dieser Hammergruppe schon ein Entgegenkommen verdient. Wenn die Burschen den Kopf nach einem guten Kick gegen die Niederlande freihaben, sind lichte Höhen möglich, ganz ohne himmelhochjauchzen...

Kommentare