Alles oder nichts
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Alles oder nichts

Österreich hat in der Gruppenphase mehr als nur überrascht. Am Dienstag geht es um die Wurst bzw. Sucuk. Ralf Rangnick und Co. müssen beweisen, dass sie mittendrin statt nur dabei sind.

Das knappe 2:1 von England gegen die Slowakei ist unser Momentum am Montag.

Wer die bisherigen Spiele Österreichs und der großen Turnierfavoriten bislang verfolgt hat und sich den Turnierbaum angesehen hat, wird zum selben Schluss kommen wie der Autor dieser Zeilen nach dem Schlusspfiff gegen die Niederlande: Das ÖFB-Team könnte durchaus weit kommen. Trotz zahlreicher, wichtiger Ausfälle haben „wir“ gegen Frankreich nur knapp verloren, die Pflicht gegen die Polen letztlich gut über die Bühne gebracht und gegen die Niederlande die vorläufige Kür abgeliefert. Wer stetig besser wird, der könnte an Dinge glauben, die vor Jahren noch unglaublich schienen, oder?

Der nette Turnierbaum

Denn tatsächlich: Österreich trifft am Dienstag um 21 Uhr in Leipzig auf einen Gegner, den man in der Vorbereitung mit 6:1 geschlagen hat. Nicht 1:0 oder 3:1 mit einem späten Entscheidungstreffer, sondern 6:1 hergespielt. Das ist nicht nichts. Dann trifft man auf die Niederlande – siehe oben – oder Rumänien – machbar. Im anderen Teil des Baums duellieren sich im Viertelfinale die zwei bislang stärksten Nationen, Spanien und Deutschland. Weitere Favoriten – Portugal, Frankreich, Belgien – werden am Weg nach Berlin ausscheiden. Die folgenden Zeilen wirken nun schon wie ein Fiebertraum, dem einiges an Realismus innewohnt: Im Halbfinale wartet der Sieger aus England gegen die Schweiz – erstere haben vielleicht individuell die besten Spieler der Europameisterschaft, aber am Feld sieht man das nicht. Die Schweiz selbst ist mit Sicherheit ein Gegner auf Augenhöhe, unter vielen Gesichtspunkten.

Die Wahrscheinlichkeit steigt

Der Treppenwitz an der ganzen Sache ist ja, dass das Halbfinale aufgrund der bisher im Turnier gezeigten Leistungen, des Umgangs mit den Gegnern durch Ralf Rangnick sowie die Kontrahenten selbst nicht so unrealistisch wirkt. Wie man es dreht oder wendet, man muss dem Teamchef inzwischen etwas widersprechen. Nach dem Sieg gegen die Niederlande meinte er: „Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, dass wir Europameister werden.“ Vielleicht könnte man nun sagen: „Ich halte es nicht für komplett unwahrscheinlich, dass wir Europameister werden?“ Diese Sätze gehen sich übrigens aus, ohne gleich himmelhochjauchzend zu sein. Sie sind das Ergebnis konsequenter Arbeit.

Neuen Rekord aufstellen

Am Ende geht es im Fußball um Ergebnisse. Als „Rekord“ steht da – abgesehen von der Zeit, als Fußball 1960 noch schwarz/weiß im Fernsehen lief - das Achtelfinale bei der Euro 2020. Diese Leistung hat das Team bestätigt, aber erst eine Viertelfinalteilnahme wird unverrückbar zeigen, welche Riesenschritte Österreich gemacht hat. Das muss man so ehrlich sagen. Es geht wie immer in der KO-Phase um alles oder nichts. Jetzt folgt aber noch die gute Nachricht: Der ÖFB hat sich in den letzten zwei Jahren in vielerlei Hinsicht gewandelt. Paul Scharner nannte es einen „Mindset-change“. Nicht einmal eine Niederlage gegen die Türkei würde das zerstören. Vermutlich würde sich aber eine Person darüber freuen.

Umgekehrt würde ein Aufstieg gegen die Türken beweisen, dass Österreich halt nicht nur ein Underdog ist, der eine gute Gruppenphase spielt und dann wie 2020 bzw. die Slowakei dieses Jahr am Ende doch den Kürzeren zieht.

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