Zunächst einmal muss man die Kirche schon im Dorf lassen, so viel sei gesagt. Auch wenn Red Bull Salzburg die Spiele gegen Sparta Prag, Stade Brest und Sturm Graz allesamt schauderhaft in den Sand gesetzt hat, ist deswegen sicher nicht alles schlecht. Aber es zeigt auf, welche Fehlentwicklung man in der Vergangenheit genommen hat.
Das gilt von der Führungsebene abwärts bis in den Mannschaftskern hinein. Was es braucht, ist ein grundlegender Neuaufbau, was auch das Ansinnen des Umbruchs um Sommer war.
Es wird aber immer deutlicher, dass der selbst auferlegte "Zwang" zur Jugend zu sehr auf die Spitze getrieben wurde. Es gilt nun, sich das einzugestehen, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten und aus dem mittlerweile 14 Monate andauernden Abwärtstrend herauszukommen.
Macht Lijnders und Seonbuchner nicht zu Bauernopfern
Wie Kollege Georg Sohler bereits ausführlich analysiert hat, fehlt es in Salzburg an Führungsfiguren. Die jetzige Situation ist Produkt eines (schleichenden) Prozesses, der mit dem Ableben von Didi Mateschitz seinen Anfang nahm.
Die aktuell drängendste Frage lautet: Sind Trainer Pep Lijnders, Sportdirektor Bernhard Seonbuchner und Geschäftsführer Stephan Reiter die Richtigen, um die verfahrene Situation erfolgreich zu moderieren? Einzig Reiter verfügt über nachhaltige Erfahrung in seiner Position, die Probleme sind aber vor allem sportlicher und weniger wirtschaftlicher Natur.
Die Schuld an der aktuellen Situation an ein oder zwei Personen festzumachen greift aber viel zu kurz, damit würde man Lijnders und Seonbuchner zu Bauernopfern degradieren
Das Trio soll am Montagabend noch zu einer Krisensitzung unter Anwesenheit des Technischen Direktors von Red Bull, Mario Gomez, zusammengekommen sein. Seonbuchner sei angezählt, drang durch (hier nachlesen).
Die Schuld an der aktuellen Situation an ein oder zwei Personen festzumachen greift aber viel zu kurz, damit würde man Lijnders und Seonbuchner zu Bauernopfern degradieren. Sie ist ein Substrat der Ereignisse der letzten zwei Jahre, in denen den Salzburgern eine Galionsfigur nach der anderen abhandenkam.
Ein gutes Grundkonstrukt, aber...
Aber nicht nur außerhalb des Spielfeldes war das so, sondern auch innerhalb. Zu viele Transfers waren rückblickend (keine Frage, nachher ist man immer g’scheiter) nicht besonders klug oder treffsicher, dazu hat man viele wichtige Routiniers verloren oder abgeben müssen/wollen. Das hat in Folge eine Dynamik angenommen, die man noch immer nicht voll erkannt zu haben scheint und wenn doch, fehlt das Eingeständnis.
Die Probleme bei den "Bullen" liegen viel, viel tiefer und sie werden kurzfristig auch nicht zu lösen sein. Denn das Grundkonstrukt, welches den Klub jahrelang getragen hat, wurde ausgehöhlt und Lücken viel zu selten adäquat geschlossen. Vielmehr täte man nun gut daran, die Herausforderung kurzfristig zu managen und sich langfristig neu aufzustellen, Red Bull Salzburg von Grund auf neu aufzubauen.
Dazu braucht es Personen mit (mehr) Erfahrung in tragenden Rollen. Auf dem Feld und auch außerhalb.
Leidenschaft und Expertise wiegen Erfahrungsmangel nicht auf
Es braucht einen Sportdirektor mit Erfahrung in dieser Rolle, genauso einen Trainer (wenn man schon eine so junge Truppe ohne jedwede Routiniers, Blaswich ausgenommen, hat). Und das soll keineswegs Kritik an Seonbuchner oder Lijnders sein. Wenig Erfahrung kann man keinem Menschen vorwerfen, beide brennen für das, was sie tun und geben garantiert ihr absolut Bestes. Dass sie absolute Fachleute sind, ist ohnedies unstrittig. Nur: Das wiegt fehlende Erfahrung einfach nicht auf.
Ich habe schon vor der Saison gedacht: Die "Bullen" müssen in einen Flow kommen und sind beinahe gezwungen darin zu bleiben, weil das aktuelle Konstrukt für eine handfeste Krise nicht gewappnet ist.
Klar ist nämlich: Nur jung, hochtalentiert und leidenschaftlich reicht in der Spitze nicht. Nicht auf Funktionärs- und Trainerebene und auch nicht in Sachen Spieler. Auch dort braucht es nun in erster Linie ein paar gestandene Leute - wie früher Wöber, Junuzovic oder Ulmer. Das fehlt vollends in Salzburg und ich habe schon vor der Saison gedacht: Die "Bullen" müssen in einen Flow kommen und sind beinahe gezwungen darin zu bleiben, weil das aktuelle Konstrukt für eine handfeste Krise nicht gewappnet ist.
Das heißt nicht, dass man von der eigenen Idee abrücken muss. Der Erfolg der letzten 15 Jahre gibt den "Bullen" mehr als Recht. Aber man versucht nun seit 14 Monaten, den Weg ohne gestandene Akteure zu gehen. Akteure, die auf den diversen Ebenen - von der Klubspitze bis in die Kabine - für Ruhe sorgen und dieses Konstrukt tragen. Dass es ohne sie nicht geht, haben die letzten 14 Monate gezeigt. Manchmal muss man das Rad eben doch neu erfinden.