Sturms Meisterstück: Jetzt oder nie
Der SK Sturm kann am Sonntag einen Riesenschritt Richtung Titel machen. Es ist bei aller schwarz-weißer Stärke ein Gefühl von „Jetzt oder nie“. Aber: Noch sind die Blackies nicht durch.
+ + 90minuten.at PLUS - Ein Kommentar von Georg Sohler + +
Nach dem 4:2 von Red Bull Salzburg am vergangenen Sonntag gegen Austria Klagenfurt sowie dem am selben Tag mühsam und nur dank eines haarsträubenden Hedl-Patzers ernudelten 1:0 von Sturm gegen Rapid schien die Welt von Red Bull wieder halbwegs in Ordnung. Die Blackies wirkten so, als ob sie an Torschlusspanik leiden, die Bullen lieferten wieder Spektakelfußball. Dass die Cinel-Elf auch in Klagenfurt nach 18 Minuten 2:0 führte, war ein weiteres Indiz für folgendes: Trotz zweier Trainerwechsel während der Saison, evidenten spielerischen Problemen, zeitweise 15 Verletzten und der Abwesenheit von zentralen Führunsspielern – also Kaderplanungsfehlern – würde der Serienmeister Titel zehn Nummer elf folgen lassen. Andy Irving hatte da einiges, genauer gesagt: drei Tore, dagegen und schickte auch unter dem Interimstrainer defensiv fahrig und lustlos agierende Edelkicker ins Tal der Tränen.
Starke Ansage
Und Sturm? Wirbelte quasi gleich nach Anpfiff über Rapid hinweg, filetierte die aufgrund von Verletzungen wild zusammengewürftelte grün-weiße Hintermannschaft im ersten Durchgang. Diese muss sich nun wieder aufrichten, will man am 1. Mai den ersten nationalen Titel seit 2008 holen, wäre ein weiterer Nackenschlag gegen den LASK keine gute Vorbereitung auf das Cupfinale. Das wäre für zwei großen Kontrahenten aus Wals-Siezenheim und Hütteldorf die bittere Kirsche auf verdorbener Sahne: Verliert Rapid, droht Rang sechs und eine Europacup-lose Saison. Gewinnen die Grazer, sitzen die nicht gerade souverän kickenden Linzer den Bullen im Nacken. Schon Rang zwei wäre für Salzburg schlimm, Platz drei eine Katastrophe beinahe ungeahnten Ausmaßes.
Stabilität im Spiel
Der SK Sturm legt gegenwärtig nicht nur in Topspielen eine wichtige Souveränität an den Tag, sondern gewinnt auch Schnittspiele. 2022/23 remisierten Christian Ilzer und Co. sechs Mal, von den sechs Liganiederlagen waren fünf mit nur einem Treffer Unterschied. Umgekehrt siegte man neunmal mit einem Treffer mehr. In der laufenden Spielzeit wurde zwar bislang auch nur acht Mal mit einem Tor mehr gewonnen und es stehen sieben Remis zu Buche, aber insgesamt nur drei Niederlagen, lediglich eine davon ging mit mehr als einem Treffer Unterschied aus. Gab es letztes Jahr eben mehr knappe Niederlagen, wird eher remisiert. Ein Punkt ist besser als keiner! Darüber hinaus gibt es letztlich wenig langwierige Verletzungen, sieht man von der Leihsposition Torwart und Manprit Sarkaria ab. Aus der ersten Elf fehlt(e) ansonsten kein wichtiger Akteur mehr als drei Ligaspiele am Stück. Sogar teure Neuzugänge wie Szymon Włodarczyk (2,2 Mio) oder Seedy Jatta (2,6 Mio) wurden insofern nicht gebraucht. Andere wie Max Johnston oder Javi Serrano waren wenn dann nur eine Ergänzung.
Hopp oder dropp
In Österreich gilt für Salzburg-Verfolger schon lange: Wir wollen da sein, wenn Salzburg strauchelt. Dazu braucht es aber eben auch ein eigenes stabiles Spiel, wenige Verletzte und mit Sicherheit da und dort auch eine Portion Fortuna, siehe Hedl-Patzer. Es zeichnet das Duo Christian Ilzer/Andreas Schicker aus, genau das in der Spielzeit 2023/24 auf den Platz zu bringen. Doch nun einige Abers. Sollten sich die Salzburger am Sonntag wieder zusammenraufen und gewinnen, sieht die Welt gleich anders aus. Denn dann kann Sturm wieder nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden, weil die Bullen aufgrund der gewonnen, direkten Duelle bei Punktgleichheit vorne wären. Die Blackies wären also auf Umfaller angewiesen. Das Cupfinale kann zudem genauso auch von Rapid gewonnen werden. Vor allem, weil Nenad Cvetkovic endlich wieder fit ist, Marco Grüll und Guido Burgstaller sind für Wüthrich und Co. wohl eine größere Aufgabe als Mayulu und Lang. Bis hierhin: Ja, es deutet viel auf Sturm hin, aber dieser Text könnte sich in einer Woche ganz anders lesen.
Großes und Größe beweisen
Der SK Sturm kann in den nächsten sieben Tagen Geschichte schreiben. Die Meisterserie der Bullen beenden, das letzte Nicht-Salzburg-Double gelang überhaupt Austria Wien im Jahre Schnee, also 2005/06. Vermutlich die halbe Fußballwelt schaut deshalb nach Graz und will sehen, ob der Klub aus der Steiermark jener ist, der all das schafft. Christian Ilzer würde sich damit in den Fußballgeschichtsbüchern Österreichs verewigen. Was danach passiert, wird egal sein. Red Bull Salzburg wird dieses Jahr wohl nicht auf sich sitzen lassen und kräftig nachlegen. Wie viel von der fast-Meisterelf der Grazer übrig bleibt, wird kurzfristig niemanden interessieren. Jetzt oder nie also.
Es bleibt dann am Ende zu hoffen, dass die drei möglichen Gewinner und gleichzeitig Verlierer der nächsten Tage – Salzburg, Rapid oder natürlich auch Sturm – in der Niederlage Größe beweisen und allfällige Siege mit Demut annehmen.
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