Aus von ORF Sport plus: Nur gut für Jubelbilder [Kommentar]
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Aus von ORF Sport plus: Nur gut für Jubelbilder [Kommentar]

Der Sport muss meistens herhalten, wenn irgendwo etwas schiefläuft. Das ist auch der Fall, wenn der ORF nun einsparen muss.

Sport braucht Vorbilder, Spitze braucht Breite. Die TV-Präsenz ist schließlich auch für das wirtschaftliche Fortkommen des heimischen Sports entscheidend.

Georg Sander

Ein wichtiges Ländermatch? Da sind sie alle. Abfahrt in Kitzbühel? Da pfeifen die (polit-)promi Komantschen.

Georg Sander

Der ORF muss sparen und im Budget wurde unter anderem ausgemacht, dass die – je nach Quelle – sechs bis zehn Millionen Euro für ORF Sport plus zu viel des Guten sind, um den Kanal weiterzubetreiben. ORF-Chef Roland Weißmann wurde schon jüngst mit „Man muss sich die Frage stellen: Was ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk wert?“ zitiert. Die Antwort in Bezug auf Sport abseits der ORF 1-Premiumevents: Nichts. Um den höheren einstelligen Euro-Betrag für den Sportkanal in Relation zu setzen: Im Herbst beschloss der Stiftungsrat für 2023 übrigens Umsatzerlöse von über einer Milliarde Euro.

 

Alles neben der Spitze irrelevant?

Der ORF hat sich mit dem scheidenden Sportchef Hans Peter Trost stets auch um den Breitensport gekümmert; vermutlich auch, weil die großen Rechtepakete für etwa die Bundesliga oder den Europacup mittlerweile in finanziellen Sphären sind, die ein Mitbieten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht rechtfertigen. Doch der ORF hat ja nicht nur den Auftrag, Spitzensport zu zeigen. Im Interview mit sportsbusiness.at sagte Trost im Sommer im Kontext Fußballrechte und Quoten: „Wenn wir gesellschaftspolitisch sagen, dass uns beispielsweise regionaler Fußball wichtig ist, dann sagt immer wer, dass das niemand sieht. Dasselbe gilt auch für die Frauen. Es geht um die Frage, ob man ein Rundfunk für die Gesellschaft ist, dann ist das alles ein Thema.“

Genau das ist der Punkt: Nicht jeder (junge) Sportfan kann kicken wie Messi und kann nach Paris fahren. Aber einem Matthias Seidl oder Luis Hartwig kann man auf die Beine schauen und dann nach Linz oder St. Pölten ins Stadion gehen. Selbiges gilt für Eileen Campbell in Altach oder Annabel Schasching in Graz. Und natürlich gibt es dann noch weitere Sportarten von Handball über Leichtathletik bis hin zum Behindertensport. Sport braucht Vorbilder, Spitze braucht Breite. Die TV-Präsenz ist schließlich auch für das wirtschaftliche Fortkommen des heimischen Sports entscheidend. Oder wie es Trost damals sagt: „Wenn es keine Angebote gibt und alle sparen, dann gibt es in Österreich nur noch sechs Sportarten. Formel 1, Tennis, Skifahren, Skispringen, Fußball, vielleicht Eishockey.“

 

Dringlicher Appell

Das geht nicht ohne dem Spartensender, meint auch Sport Austria-Präsident Hans Niessl in einer Aussendung: „Als gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Sender hat der ORF ein öffentlich-rechtliches Programm zu produzieren. Mehr noch ist der ORF per Gesetz zu einer umfassenden Sportberichterstattung verpflichtet. Er muss also die gesamte Vielfalt der österreichischen Sportkultur auch abseits der sogenannten Premiumsportarten in seinem Programm abbilden. Diese chaotische Vorgangsweise haben sich unsere Sportlerinnen und Sportler nicht verdient!“

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Wo sollen die Kids Vorbilder sehen?

Es scheint medial aber ohnehin wie immer zu sein: Wenn was schiefläuft, dann ist der Sport, insbesondere der breitenwirksame Fußball, schuld. Der ORF muss sparen? Weg mit dem Sportkanal. Eine EM während Corona, während ohnehin halb Europa schon auf alle Maßnahmen pfeift? Böser Fußball! Und ob wirklich viele Beobachter:innen ihr Interesse für Menschenrechte ohne der WM in Qatar entdeckt hätten? Sowohl bei der Handball WM 2015, als auch während der Leichtathletik WM 2019 – um nur zwei von dutzenden Großereignissen in dem Land herauszugreifen – war es den meisten auch egal. Sich mit diesen sehr verschiedenen Themen auseinander zu setzen, ist wichtig. Ob das in dem Ausmaß geschehen würde, wenn es nicht Sport bzw. explizit Fußball als Aufhänger gebe? Das zeigt doch letztlich die Relevanz. Und regen sich da und dort die Menschen nicht auf, dass die Kids mit Barca- statt Rapid-Leiberl herumlaufen? Oder was ist dann auch noch mit den Kindern, die in anderen Sportarten talentiert wären, die sie aber nun kaum noch sehen werden?

 

Schöne Bilder

Es scheint eh wie immer: Nur wenn es in der Öffentlichkeit was zu holen gibt, schmückt man sich mit dem Sport. Ein wichtiges Ländermatch? Da sind sie alle. Abfahrt in Kitzbühel? Da pfeifen die (polit-)promi Komantschen. Und auch wenn der aktuelle Sportminister Werner Kogler (Grüne) im Vergleich zu seinen Vorgängern sehr bemüht ist, hilft das alles nichts, wenn der Breitensport ohne TV-Präsenz langsam aber sicher ausgeblutet wird.

Mag sein, dass die Politik letztlich eher indirekt als direkt auf die Finanzierung Einfluss nimmt – den Sport aber immer nur dann gut zu finden, wenn es um Jubelbilder beim Spitzensport geht, das reicht nicht aus. Dass es nach wie vor und auf Sicht nicht einmal die tägliche Turnstunde gibt, zeigt auch, welchen Stellenwert wir dem Sport beimessen.

All das kann man auch über die weiteren Einsparungspläne vor allem im Kulturbereich sagen. Während sich die politischen Spitzen bei Opernball und Festspielen ablichten lassen, sollen nun auch gleich das Radiosymphonieorchester und die Radiosender eingestampft werden, die heimische Musik abseits von Mozart und Co. fördern. Vermutlich wird man in beiden Sparten – Sport und Kultur – irgendwann keine Spitze mehr haben, mit der man sich für Jubelbilder abbilden lassen kann, weil man eben die Breite auf dem Gewissen hat.

 

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