Zerreißt ihr euch für die Mannschaft?
Das österreichische Herrennationalteam hat trotz bester Generation und in Europa so gut wie schon lange nicht mehr dastehenden Liga Probleme. Im Fokus der Kritik steht der Teamchef, doch auch die Spieler stehen in der Verantwortung.
Man kann auf europäischem Niveau nicht mit weniger als hundert Prozent gewinnen. Damit wächst man im Land von Landskrona, „Hoch wermas heit nimma gwinnen“, und Düdelingen eigentlich auf.
Wann auch immer Foda geht oder gegangen wird, die Spieler müssen sich dann selbst aus der Misere rausziehen.
+ + 90minuten.at Exklusiv – Ein Kommentar von Georg Sander + +
Abpfiff, Game over. Erklärungen. Stefan Ilsanker entschuldigte sich bei den Fans. Christoph Baumgartner fühlte pure Enttäuschung. Martin Hinteregger, ein Garant für Klartext, sagte nichts Berichtenswertes. David Alaba meinte, man werfe dem Team Lustlosigkeit und Arbeitsverweigerung vor, was nicht stimme. Marko Arnautović stellte sich dem harten Kern der Österreich-Fans und diskutierte wild gestikulierend mit ihnen.
Franco Foda, Zielscheibe der dokumentierten und allleine schon aufgrund der Punkte berechtigten Kritik, sagte, was ein Trainer nach dem zweiten WM-Quali-Lehrgang, der komplett verhaut wurde, eben sagt, ohne Newswert. 90minuten.at und mehrere Medien berichteten bereits, dass das Jahr 2021 der guten EM zum Trotz mit zugegebenermaßen zwei guten Leistungen, einen Keil zwischen Teilen des Teams und dem betreuenden Staff getrieben hatte.
Der ÖFB, der 2020 noch mit Foda den vom Punktschnitt besten Trainer mit mehr als zehn Länderspielen hatte, hat mit dem retrospektiv so zu bezeichnenden Aufflammen gegen die Ukraine und Italien ein bisschen für Ruhe gesorgt. Die Nations League wurde zusammen gerumpelt gewonnen, mit dem negativen Höhepunkt eines 1:1 gegen eine Covid-bedingte norwegische C-Elf. Nur einen Sieg mit mehr als einem Tor Unterschied (Luxemburg, 3:0) gab es 2020, nimmt man die erwähnten EM-Spiele raus, steht eben außer den Siegen gegen die Färöer, Nordmazedonien und Moldawien, wahrlich keine Fußballgroßmächte, wenig zu Buche. Und hier kommen die Herren Kicker ins Spiel.
Anwesend sein ist zu wenig
Denn egal, ob man mit dem jeweiligen Trainer nun kann oder nicht, steht man am Platz und muss seine gewohnte Leistung bringen, auch wenn's den Monatslohn von den Arbeitgebern gibt. Nicht zu vergessen ist vorab: Die gezeigten Leistungen sind kommunizierende Gefäße: Wenn man bei einem Klub spielt, der nicht so im Fokus der medialen Berichterstattung steht, kann man sich via Nationalteam ja auch empfehlen. Schon alleine aus egoistischen Gründen müsste man sich in jedem Spiel zerreißen.
Und man hatte eben nicht das Gefühl, dass sowohl im März, als auch nun im September, jeder Spieler absolut die Bereitschaft hat, den entscheidenden Meter zu machen, das Schäuferl drauf zu legen, hier einen Schritt für den anderen zu machen. Da muss sich jeder selbst an die Nase nehmen und diese Frage beantworten.
Um es ganz deutlich zu sagen: Nur weil man die Fußballschuhe bei Real, Bologna, Frankfurt oder Leipzig schnürt, kann man auf europäischem Niveau nicht mit weniger als hundert Prozent gewinnen. Damit wächst man im Land von Landskrona, „Hoch wermas heit nimma gwinnen“, Düdelingen oder jüngst Breidablik eigentlich auf.
Egal wer draußen oder am Feld ist
Österreich ist, trotz oder wegen Franco Foda, in der erweiterten Europaspitze gelandet. Wer da aller am Feld rumrennt, sollte egal sein. Zur Erinnerung: Das waren Moldawien, Israel und Schottland. Selbst eine Elf bestehend aus Kickern der Bundesliga müsste da, sagen wir, sieben Punkte zusammenkratzen können. Eine Elf bestehend etwa aus Schlager – Ulmer, Wöber, Greiml, Ullmann – Michorl, Hierländer – Grüll, Goiginger – Kara, Jantscher müsste wohl auch einen Auswärtssieg in Moldawien, ein X in Israel und einen Heimsieg gegen Schottland erreichen können, oder?
Will sagen: Es gibt genug Auswahl an Spielern und egal, wer welchen guten oder schlechten Plan für ein Spiel hat, so muss schlichtweg jeder die ballesterischen Grundtugenden auf den Platz bringen und zeigen, dass man das Spiel gewinnen will. Es kann ja auch nicht der Anspruch von egal welchem Teamspieler sein, dass man (noch dazu bei dem Losglück der Auslosung), nach sechs Spielen nur Vierter ist, elf Punkte hinter dem Tabellenführer!
Ein neuer Coach wird kommen
Als Fußballbeobachter weiß man: Wer wie 2020 reihenweise knapp gewinnt, hat das Potential, dass sich der Wind schnell dreht. Ein Beispiel: Beim Premier League-Titel 2015/16 gewann Leicester City 14 seiner 23 Spiele mit einem Tor Unterschied. Im Folgejahr taumelten die Foxes unter Meistertrainer Claudio Ranieri bis Spieltag 25 dem Abstieg entgegen. Erst ein Trainerwechsel sorgte für ruhigere Gewässer, wohlgemerkt nach dem Wintertransferfenster.
Sprich, wann auch immer Foda geht oder gegangen wird, die Spieler müssen sich dann selbst aus der Misere rausziehen und auch der neue Teamchef wird keinen komplett anderen Kader haben, wird definitiv elf Spieler auf den Platz schicken müssen und wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit kein international bekannter Startrainer sein.
Und dann wird sich eben weisen: Ist das Herrennationalteam so schlecht, wie es gegenwärtig dasteht – oder haben sie es Trainer-bedingt nicht auf den Rasen gebracht?
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