Die drei Probleme bei Red Bull Salzburg
Das 4:1-Debakel gegen Eintracht Frankfurt zeigte beeindruckend, was beim Serienmeister gerade alles unrund läuft.
Es ist leicht, schlechtes Zweikampfverhalten, fehlendes Aufbäumen und Co vorzuschieben, wenn es darum gegangen wäre, die Spieler von außen zu unterstützen
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Ein Kommentar von Georg Sander
Nach Jahren des Aufs mit europäischen Sternstunden, mainstream-bildendem Agieren auf dem Feld und kluger Einkaufspolitik scheinen sich die Salzburger in den letzten Monaten verdribbelt zu haben. Dabei sind drei Punkte besonders auffällig.
Zu hoher Qualitätsverlust im Winter
Erling Haaland trifft und trifft andernorts, Takumi Minamino wuselt ebenfalls nicht mehr im Bullendress. Beide sind Spieler, die in engen Situation und zerfahrenen Spielen durch ihre individuelle Qualität den Unterschied machen können, vor allem auf internationaler Ebene. Klar, bis vor ein paar Jahren gab es solche Wechsel von einem CL-Teilnehmer zum nächsten nicht im Winter, erst seit die Kicker auch in der Königsklasse für zwei Klubs spielen dürfen, machen diese Transfers Sinn. Den Leistungsnachweis auch auf europäischer Ebene für den Unterschied in der Offensive sorgen zu können lassen viele aktuelle Kaderspieler – noch? - vermissen. Hee-Chan Hwang hat's gezeigt, Dominik Szoboszlai mehrfach angedeutet. Dass Kicker wie Daka, Adeyemi, Millionen-Neuzugang Okafor das Potential haben, wird man wohl kaum abstreiten. Derzeit reicht es aber schlichtweg nicht.
Zudem zeigen auch die Wechsel am Donnerstagabend ein offensives Problem. Koita (20) und Adeyemi (18) mögen eben Qualität haben, Erfahrung aber kann Goldes Wert sein. Diesen Riecher hatte am ehesten Minamino und es rächt sich nun, dass man eben keinen zumindest Mitte-20-Jährigen hat, der in der Offensive auch einmal bodenständige Qualitäten an den Tag legen kann. Smail Prevljak wäre da gewesen, den hat man nach Eupen verliehen.
Bekannte Defensive Probleme
Andre Ramalho, der erfahrenste Innenverteidiger, wird für Europa als nicht mehr ganz tauglich angesehen. In der Champions League durfte er nur zwei Mal ran, das Stamminnenverteidigerduo von Jesse Marsch lautet Wöber/Onguéné. Der etat-mäßige Sechser, Antoine Bernede, fehlt seit dem Herbst, Zlatko Junuzovic und Enock Mwepu können das nicht kompensieren. Kapitän Ulmer hat seine bekannten Qualitäten, aber defensiv seine ebenfalls bekannten Mängel. Patrick Farkas, eigentlich Nummer zwei hinter Sommerneuzugang Rasmus Kristensen, fehlt defensiv auf diesem Niveau offenbar auch zu viel. Doch auch wenn alle fit waren, passt die Kompaktheit, die mit Oscar Garcia entdeckt wurde, die Marco Rose und Co. fasst schon perfektioniert hatten, schlichtweg nicht.
Dabei beginnen die Probleme auch schon vor der letzten Abwehrreihe. Denn eigentlich liegt es weniger am Personal in der letzten Linie, sondern schon davor. Adi Hütter kaufte den Salzburgern die Schneid bereits im Mittelfeld ab. Ja, Bernede fehlt, Vorgänge Samassekou konnte einteilen und Löcher stopfen, nach vorne antreiben. Vielleicht fehlt auch hier ein Spieler der Marke Stefan Ilsanker, der im Mittelfeld Präsenz ausstrahlt. Nicht umsonst konnte sich der fußballerisch eher limitierte Kicker in einem Edelgeigerensemble jahrelang halten. Es geht nicht um „Gras fressen“ oder „um jeden Milimeter fighten“, aber um Präsenz. Diese fehlt offensichtlich.
Sinnloser Mentalitätsschmäh
Cican Stankovic sprach nach der LASK-Niederlage aus, was wohl auch in der Kabine Thema ist: Es waren zu viele Abgänge. Christoph Freund, in den letzten Jahren von Erfolg verwöhnt, fiel auch nicht mehr ein als eine sehr alte Verantwortlichenschule an den Tag zu legen. „Mutlos“, „ohne Überzeugung“ - der Mentalitätsschmäh. Jahrelang haben die unterlegenen Gegner von Salzburg diese Floskeln bemüht. Und kaum rennt es einmal zwei Wochen nicht bei Salzburg, bedient sich auch Freund dieser Methode.
Es mag schon sein, dass Salzburg sein Können nicht auf das Feld gebracht hat. Oder man stellt sich dem Umstand, dass der Gegner einfach taktisch besser war, im Mittelfeld durch taktische Kniffe vor allem in den seitlichen Zonen Überzahl generierte und das Trainerteam das nicht in den Griff bekam. Es ist leicht, schlechtes Zweikampfverhalten, fehlendes Aufbäumen und Co vorzuschieben, wenn es darum gegangen wäre, die Spieler von außen zu unterstützen. Die vielen Gegentore sind ja nicht erst seit dem Frankfurt-Spiel ein Thema.
Im Nachhinein ist es zudem immer leichter, Fehler zu finden, aber dass man sich im Auswärtsstadion beim Stand von 0:1 so dermaßen hoch positioniert, dass Kamada mit höflichem Begleitschutz zum 2:0 einnetzen kann, sagt weniger über Mentalität als über Coaching-Probleme aus. Bitter wird das Freund'sche Poltern vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass er nach dem Spiel meinte, dass so eine Phase kommen würde. Eine Analyse, dass es sich um gruppentaktische Probleme handelt, weniger um individuelle, hätte man vorbereiten können. Oder halt auf einen Haufen 20-Jähriger öffentlich hindreschen.
Red Bull Salzburg hat in den letzten Jahren viel für Österreichs Fußball erreicht, nun herrscht eisiger Gegenwind. Es wird sich zeigen, ob Freund, Marsch und Co. die richtigen Schlüsse ziehen.