Es hätte so einfach sein können für Red Bull Salzburg: Das Trainerexperiment Pep Lijnders beenden, den einen oder anderen Transferflop schlucken, da und dort personell und taktisch nachbessern und schon ist man wieder Meister.
Statt das zwölfte Ligaspiel in Folge zu gewinnen und von der Tabellenspitze zu lachen, hat man den Meistertitel nun nicht mehr in der eigenen Hand. Jetzt muss Salzburg auf die Konkurrenz hoffen, dass sie die eingespielte und eingeschworene Grazer Truppe schlägt.
Natürlich kann es sein, dass die Bullen, die je zwei Duelle mit Austria Wien und dem WAC gewinnen, die Blackies ihrerseits über die Veilchen bzw. Blau-Weiß Linz stolpern und es am 30. Mai zum Showdown in Graz kommt.
Wie wahrscheinlich ist das alles aber?
Evidente Probleme
Aktuell hat man 38 Tore geschossen, 25 bekommen. Letztes Jahr zur selben Zeit lautete das Torverhältnis 52:14 – und man wurde nicht einmal Meister. Auf den Punkt gebracht: Noch nie, seitdem die Liga auf zwölf Vereine aufgestockt wurde, war Salzburg so harmlos vor dem Tor. Und wenn die Defensive 20 und mehr Tore kassiert hat, schossen sie vorne das dreifache und mehr.
Um ein schlechteres Torverhältnis nach 25 Runden zu finden, muss man überhaupt in die Saison 2010/11 zurückgehen.
Saison | TV nach 25 Rd. |
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2024/25 | 38:25 |
2023/24 | 52:14 |
2022/23 | 55:16 |
2021/22 | 57:15 |
2020/21 | 75:25 |
2019/20 | 87:27 |
2018/19 | 61:20 |
2017/18 | 52:17 |
2016/17 | 50:18 |
2015/16 | 52:26 |
2014/15 | 70:31 |
2013/14 | 85:22 |
2012/13 | 58:28 |
2011/12 | 38:23 |
2010/11 | 29:18 |
In dieser Hinsicht war der Kick gegen Sturm sinnbildlich für die aktuelle Situation. Vorne zu harmlos, hinten zu fehleranfällig. Wenn es so wie jetzt hart auf hart kommt, sticht die Erfahrung und der Zusammenhalt der Blackies das Talent der Bullen. Und das übertüncht bisweilen fehlende individuelle Klasse, taktische Unzulänglichkeiten und Co.
So viel Talent...
Wenn dann noch ein Ausnahmekönner wie ein Oscar Gloukh fehlt, die einmal zwei, drei Gegner vernaschen und dann ein Goal machen, wenn sonst nichts geht, wird es dennoch schwierig.
Klar, in vielen Situationen sieht man ziemlich deutlich, dass die Yeos, Nenes oder Daghims mit dem Ball mehr per du sind, als es der Großteil der Sturm-Spieler je sein wird. Nur muss das alles zusammenspielen.
Ein neuer Trainer kann Impulse geben. Er kann das Spielsystem adaptieren. Der neue Sportchef kann bedingt am Transfermarkt tätig sein. All diese Neuordnungen können Energien freisetzen, die kurzfristig zu einer klaren Verbesserung führen können.
Nur: Tiefer liegende Probleme kann das alles nicht innerhalb von ein paar Monaten lösen.
Das bringt so nichts!
Gedankenexperiment: Salzburg dreht das alles doch noch, weil sich die individuelle Klasse in Summe durchsetzt. Das würde nicht zu grundlegenden Veränderungen führen. Die sind wichtig, denn der RB-Fußball hat bekanntlich seine Grenzen in der Offensive, der Jugendwahn vor allem in der Defensive.
Vielleicht legt auch irgendein Championship-Klub eine obszöne Ablöse für zwei, drei Spieler auf den Tisch, es werden wieder ein paar Kicker geholt und das Radl dreht sich weiter. Die nationale Konkurrenz wird’s freuen, wenn sie sich wieder ein wenig näher an den Salzburgern wähnt.
Wenn man ständig auf zehn-Mann-Verteidigungsblöcke anrennt und dann nicht weiß, was zu tun ist, wird man nicht einmal ein Viertelfinale in der Conference League erreichen...
Ein Champions League-Achtelfinale wie 2021/22 oder ein Europa League-Halbfinale wie 2017/18 wird man so aber eher weniger erreichen. Und wenn man ständig auf zehn-Mann-Verteidigungsblöcke anrennt und dann nicht weiß, was zu tun ist, nicht einmal ein Viertelfinale in der Conference League...
Dabei scheinen die Lösungen schon angestoßen zu sein, auch wenn sie bisher nicht so offensichtlich sind.
Gut Ding braucht Weile
Da wäre unter anderem die Rückkehr zu einem 4-4-2/4-2-2-2 statt des niederländischen 4-3-3. Reisende wurden nicht mehr aufgehalten, wie Lucas Gourna-Douath, Kamil Piatkowski oder Amar Dedic. Umgekehrt wurden vor allem mit Yorbe Vertessen und Karim Onisiwo Spieler mit Erfahrung geholt. Und mit Kickern wie Tim Trummer oder Valentin Sulzbacher schnuppern sogar rot-weiß-rote Eigengewächse an die erste Mannschaft heran.
Um am Ende wieder für Dominanz, Spielwitz und Power zu stehen, reichen ein paar neue Gesichter, ein Hin- und Herschieben auf der Taktiktafel natürlich nicht aus. In jedem Unternehmen ist klar, dass Change-Prozesse dauern und auch wehtun. Das wissen auch die meisten Fußballfunkionäre und -trainer und darum platzt der Titeltraum dieses Jahr (mit hoher Wahrscheinlichkeit) auch.
Im Endeffekt darf es nicht wirklich belohnt werden, dass die Medienöffentlichkeit stets von Entwicklung, Projekten und Langfristigkeit hört – und Salzburg dann ein paar Euros auf ein Problem schmeißt und dafür belohnt wird. Eine Schwalbe macht keinen Frühling, auch nicht in Fuschl.
Als Warnung an die Konkurrenz müsste man nun noch anfügen: Das Imperium wird zurückschlagen. Die Frage ist nur noch, wann.