Wenn es stets bergauf geht, ist alles leicht. Kaum ein Meistertitel wird ohne "dreckige Siege" errungen, den Unterschied zwischen Aufstieg oder Rausflug können schon einmal wenige Zentimeter ausmachen.
Tritt das Gegenteil ein, wird alles schwierig. Schießen die aus einem unnötigen Konter wieder die Führung? Geht der nächste Schuss rein oder wieder nur an die Stange? Diese Gedanken machen die Millisekunden langsamer, unsicherer, der Ball wird nach hinten, statt nach vorne gespielt.
Am Ende einer langen Kette derartiger Umstände standen bei Irene Fuhrmann unterm Strich ein EM-Viertelfinale, aber danach zwei verpasste Playoffs zu Großereignissen. Und ein Team, dessen Fußball von anderen Nationen leicht dekodiert werden kann, das die eigene Leistungsgrenze nicht erreicht, und in weiterer Folge auch gar nicht mehr als Einheit auftritt.
Was folgte waren Interviews mit Ex-Teamspielerinnen, öffentliche Spekulationen, ob oder wann Fuhrmann abgelöst wird, Überlegungen, wer ihr nachfolgen könnte, mit der überraschenden Präsentation eines neuen Coachs, der bitteschön den Ansprüchen gerecht werden soll. Sprich: Nations League halten, auf zur WM nach Brasilien.
Das ist neu...
Das Frauen-Nationalteam startet mit Alexander Schriebl also in eine neue Ära. Wenn man so will, ist es die vierte des ÖFB-Frauennationalteams. Nach den Anfängen in den 90er-Jahren hat Ernst Weber das Nationalteam von 1998 bis 2010 betreut. Dominik Thalhammer und Irene Fuhrmann haben in einem dritten Schritt eine Europa-Klasse-Mannschaft geformt.
Schriebl ist jetzt dazu verdammt, in diesem weder fairen noch einfachen Biotop ein verunsichertes Team wieder dorthin zu führen, wo Österreich schon war oder vielleicht auch hingehört.
Schriebls Anfang ist das Ende der 2017er-Generation, von denen eine Reihe an Kickerinnen nicht mehr spielt. Und während diese vor zehn, 15 Jahren noch um kaum mehr als einen Apfel und ein Ei spielten, kann sich Arsenal-Keeperin Manuela Zinsberger über die Karriere danach eher Gedanken machen, weil es zumindest für jene Kickerinnen in großen Nationen mittlerweile immerhin eine Profikarriere gibt.
...anderes doch so alt bekannt
Insofern müsste man auf das Frauen-Nationalteam und den neuen Trainer dieselben Gedanken anwenden, wie man es sonst auch tut. Erfolg muss her! Doch wo viel Licht ist, ist auch Schatten. So verdienen Frauen auch 2025 im Fußball noch deutlich weniger als die Herren, obwohl die Stadien zumindest bei Großereignissen vergleichbar voll sind.
Dann müssen die Profisportlerinnen noch dazu vielerorts ihren "männlichen" Körper trainieren, da die Trainingswissenschaft auf männliche Körper ausgelegt ist. Hormonelle Faktoren, der Zyklus, Unterschiede in der Anatomie wurden viel zu lange nicht mit einbezogen. Eine Untersuchung ergab, dass alleine das Verletzungsrisiko bei Kreuzbandrissen bei Frauen sechsmal höher ist als bei Männern.
Dazu gezwungen
Dem nicht genug, musste die UEFA Männer-Klubs im Zuge der Lizenzierung quasi zwingen, sich im Frauenfußball zu engagieren. Bis hierhin waren das nur die Unstimmigkeiten auf großer Ebene. Von Ligaspielen vor ein paar dutzend Menschen über zu wenige Mädchenteams, mangelhaften Trainingsmöglichkeiten bis hin zum schlechten Besuch der Nationalteamspiele.
Schriebl ist jetzt gewissermaßen dazu verdammt, in diesem offensichtlich weder fairen noch einfachen Biotop ein verunsichertes Team wieder dorthin zu führen, wo Österreich schon war oder vielleicht auch hingehört. Wie viel Muss ist dabei?
"In Österreich ist immer alles entweder super oder dramatisch. Das ist ehrlich gesagt nervig. Ich schaue mir dann die Zuschauerzahlen an und das ist doch ein Wahnsinn, dass da jeder seinen Senf dazu abgibt", sagte Frankfurt-Legionärin Barbara Dunst diese Woche im 90minuten-Interview. Umgekehrt müsse man sich an das "knallharte Business" im Frauenfußball auch gewöhnen.
Einordnung notwendig
Die Öffentlichkeit muss demzufolge in der Beurteilung der neuen Nationalteam-Ära einen Spagat hinbekommen. Den einerseits sind Schriebl und die Frauen eine ganz normale Fußballmannschaft, die gewinnt und gegebenenfalls Lob abbekommt – oder verliert und dann auch kritisiert wird.
Die Spitzensportlerinnen brauchen ja auch keinen Welpenschutz mehr, sie haben ihre Klasse schon bewiesen. Es geht nun viel mehr darum, dass allfällige Kritik an möglicherweise nicht sofort wieder perfekten Leistungen auch mitbedenkt, dass der Sport noch immer etwas anders ist, obwohl auch im Frauenfußball zwei Mal elf Menschen einem Ball hinterherrennen.
Doch die ganz gleichen Mechanismen sind es nicht. Es wird erst eins zu eins dasselbe sein, wenn morgen in Ried gegen Schottland mehr Menschen gewesen sein werden als bei Österreich gegen San Marino im Oktober...