Keine Red Bull-Hierarchie von oben bis unten
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Keine Red Bull-Hierarchie von oben bis unten

Seit dem 2:3 beim SK Rapid läuft es nicht mehr für Red Bull Salzburg, die Katastrophe kumulierte gestern in Graz. Die Probleme sind sowohl offensichtlich als auch tiefer liegend.

Nach dem verpassten Meistertitel im vergangenen Jahr hat Pep Lijnders Red Bull Salzburg in die Champions League geführt. Damit hat er früh einen Meilenstein erreicht, vieles deutete auf die Rückkehr des Dominators der letzten Jahre hin.

Doch dem erfolgreichen Einzug in die Königsklasse hat man zwei der drei wohl einfacheren Champions League-Spiele kläglichst gestaltet und in der Liga gegen die größten Konkurrenten verloren. Was ist zwischen Königsklassenjubel und heute passiert?

Die Antwort liegt im Wort "Hierarchie". Diese ist nämlich gehörig durcheinander gekommen, von ganz oben bis auf dem Feld.

Unverständliches Coaching

Es mag im Sommer richtig gewesen sein, die Füße am Transfermarkt stillzuhalten; zu groß waren die Fragezeichen bei möglichen Abgängen, zu lange die Verletztenliste. Warum der so wichtige Routinier Janis Blaswich aber Keeper, geliehen und gleich Kapitän anstatt des ÖFB-Nationalteamtorhüters wurde, ist unverständlich bzw. könnte es auch mit der neuen Hierarchie eine Ebene darüber zu tun haben

Dann kamen gegen Ende der Transferzeit mit Bobby Clark und Stefan Bajčetić zwei Teenager, die vielleicht sehr talentiert sind, aber ohne ein einziges Spiel in den Beinen durften sie in Prag von Beginn an ran. Da können sich für Salzburger Verhältnisse arrivierte Kicker wie Lucas Gourna-Douath nur gefrotzelt vorkommen.

Um Lijnders ein bisschen in Schutz zu nehmen: Ja, da kommt ein neuer Wind hinein, da hakt und zwickt es. Aber sich deswegen gleich dreimal vom Platz schießen zu lassen zeigt, dass er es übertrieben hat.

Eine Vier minus für den Klub

Der Scherbenhaufen, vor dem der Verein aktuell steht, ist retrospektiv im Sommer 2023 kaputtgegangen. Matthias Jaissle verabschiedete sich überraschend, Christoph Freund war am Sprung zu Bayern München, Bernhard Seonbuchner so halbert im Amt.

Wer dann Gerhard Struber wirklich wollte, ist etwas unklar und es kommt drauf an, wen man fragt. Fakt ist, dass der nicht funktioniert hat und das Verpassen aller Saisonziele 2023/24 schulterzuckend hingenommen wurde.

Mag sein, dass Seonbuchner und Lijnders einen Plan verfolgen, der richtig ist. Der Logik des Fußballs werden sie sich nicht entziehen können.

Georg Sohler

Die defensiven Probleme waren übrigens – anders als Seonbuchner nach dem Spiel gegen Sturm meinte – schon im Sommer da. Man hat eben vorne getroffen. Die Auswärtsspiele in der Champions League-Quali hat man auch spannender gestaltet, als es hätte sein müssen – weil am Feld eben kein stabiler Routinier war. Zur Erinnerung: Kawamura, der mit seinen 24 ein Red Bull-Oldie ist, verletzte sich Mitte Juli.

Führungsloses Red Bull

Auch eine Ebene darüber rumpelt es, seit Didi Mateschitz 2022 verstorben ist. Oliver Mintzlaff ist der neue starke Mann, er soll auch in Salzburg durchaus Einfluss nehmen, als es vielen in Wals-Siezenheim lieb ist. Ein Unterschied zum Red Bull-Gründer: Der hat im Regelfall bei allen Engagements auf Fachleute vertraut und sich eher wenig eingemischt, außer es lief massiv schief. In diesem Zusammenhang darf durchaus erwähnt werden, dass Seonbuchner im Vergleich zu Freund seinen Platz in dieser Hierarchie noch finden muss. Eine Lücke, die eben derzeit von Mintzlaff gefüllt werden dürfte.

Dann stellt sich auch die Frage, wie es mit Red Bull Salzburg weitergeht. An und für sich hatte man einen Platz im Universum neben dem Fußballflaggschiff Leipzig gefunden und sich etwas emanzipiert.

Zuletzt verkündete der Getränkehersteller aber Sponsorings bei Leeds und Torino. Es ist, Stand heute, unklar, welche Auswirkungen das auf Salzburg hat.

Wer zahlt, schafft an?

Salzburg ist seit Sommer 2023 mit viel Risiko vorgegangen, auf der Habenseite steht gegenwärtig nur die Qualifikation zur Champions League. Für viele Beobachter kommt das auch nicht wirklich überraschend, was am Feld passiert.

Mag sein, dass Seonbuchner und Lijnders einen Plan verfolgen, der richtig ist. Der Logik des Fußballs werden sie sich nicht entziehen können. Die bedeutet, wenn es so weiter geht: Zuerst fliegt der Trainer, dann irgendwann auch der Sportdirektor.

Die viel größere Frage ist aber, wer im Hintergrund den Weg vorgibt. Die mangelnde Hierarchie ist gegenwärtig das einzige, was sich von oben nach unten durchzieht.

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