These: Gregoritsch gehört in die Startelf
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These: Gregoritsch gehört in die Startelf

Die Redaktion konfrontiert Daniel Sauer und Harald Prantl mit vier Thesen zum ÖFB-Spiel gegen die Türkei.

These: Alles andere als ein Sieg Österreichs wäre sowohl für das ÖFB-Team als auch für die Fans eine Riesen-Enttäuschung. Die Erwartungshaltung in Fußball-Österreich ist zurecht hoch!

These: Alles andere als ein Sieg Österreichs wäre sowohl für das ÖFB-Team als auch für die Fans eine Riesen-Enttäuschung. Die Erwartungshaltung in Fußball-Österreich ist zurecht hoch!
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Daniel Sauer: Ja, die Erwartungshaltung ist zurecht hoch - so weit gehe ich mit. Wer die Österreich-Gruppe mit starken Gegnern nicht nur übersteht, sondern am Ende sogar als Sieger lacht, muss anfangen größer zu denken.

Wenn dann im Achtelfinale auch noch jener Gegner wartet, den man im März souverän hergespielt hat, hat die Außenseiterrolle endgültig ausgedient. Kommen wir jetzt zu meinem Einspruch: Ein Ausscheiden wäre mit Sicherheit bitter, "Riesen-Enttäuschung" ist aber sehr hoch gehängt.

Wenn uns die EM bisher eines gelehrt hat, dann, dass jeder jeden schlagen kann. Auch die Türken können kicken und haben inzwischen wieder Ausnahmekönner in ihren Reihen - Kenan Yildiz und vor allem Arda Güler haben ihr Talent schon aufblitzen lassen.

Das 6:1 ist für Österreich bestenfalls ein mentaler Startvorteil, aber bei weitem kein Grund für Überheblichkeit.

Harald Prantl: Ich weiß ja nicht, wann sich der Duktus, "souverän hergespielt" bei den werten Kollegen durchgesetzt hat, ich gehe da aber nicht mit.

Ich erinnere mich an das Spiel im März als ein Duell auf Augenhöhe, in dem die Türken vor, die Österreicher nach der Pause die Nase spielerisch vorne hatten. Wenn nicht jede enge Situation, Schiedsrichter-Entscheidungen eingeschlossen, zugunsten des ÖFB-Teams ausgegangen wäre, hätte das Spiel auch ganz anders zu Ende gehen können. Im Detail habe ich das hier schon erklärt >>>

Jedenfalls haben wir die nicht unlustige Situation, dass die Rangnick-Elf in der öffentlichen Wahrnehmung erstmals als Favorit in ein Spiel dieser Endrunde geht. Dementsprechend wäre die Enttäuschung freilich groß, würde das Viertelfinale nicht erreicht werden.

Und das ist auch nicht verkehrt. Das Land glaubt an dieses Team und seine Fähigkeiten, ist mit ihm emotional verbunden. Wäre dem nicht so, wäre das auch richtig schade.

These: 1:6 im Hinterkopf und wichtige Spieler gesperrt: Die Türken werden mit weichen Knien ins Spiel gehen. Schon nach 30 Minuten wird das ÖFB-Team mindestens zwei Tore erzielt haben.

These: 1:6 im Hinterkopf und wichtige Spieler gesperrt: Die Türken werden mit weichen Knien ins Spiel gehen. Schon nach 30 Minuten wird das ÖFB-Team mindestens zwei Tore erzielt haben.
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Harald Prantl: Das Duell im März ist das große Handicap, mit dem Österreich in dieses Spiel geht. Damit meine ich gar nicht das Ergebnis damals, sondern rein den Umstand, dass diese beiden Teams erst vor Kurzem gegeneinander gespielt haben.

Der große Trumpf der ÖFB-Spielweise sind diese frühen Schockmomente des Gegners, der sich in den ersten Minuten eines Spiels erst völlig überrumpelt auf den Rangnick-Stil einstellen muss.

Die Türken kennen das Gefühl aber schon, sie wissen, was da auf sie zukommt. Ein Blick auf die bisherige Rangnick-Ära lehrt uns: Das ÖFB-Team hat bei einem zweiten Aufeinandertreffen mit einer Nation nie ein besseres Ergebnis erzielt als beim ersten.

Sieg, dann Niederlage gegen Kroatien, zwei Niederlagen gegen Dänemark, Remis, dann zwei Niederlagen gegen Frankreich, Remis, dann Niederlage gegen Belgien.

Natürlich hoffen wir alle, dass wieder ein Blitzstart gelingt, darauf wetten würde ich aber nicht.

Daniel Sauer: Gut, da bin ich bei Harald - ich würde auch nicht davon ausgehen, dass Österreich ein besseres Ergebnis gelingt, als beim ersten Aufeinandertreffen. Ich rechne auch nicht damit, dass die Knie der Türken allzu weich sein werden - nach zwei Siegen in der Gruppenphase sollte man auch wichtige Ausfälle wegstecken können.

Abgesehen davon spricht aber nichts gegen einen weiteren druckvollen Beginn. Die Gegner des ÖFB werden beim Videostudium inzwischen mitbekommen haben, dass Ralf Rangnick an dieser Taktik Gefallen gefunden hat, einfach zu verhindern ist sie aber trotzdem nicht.

Gegen Polen hat man es gerade wieder gesehen: Nach weniger als 30 Sekunden gab es den ersten rot-weiß-roten Ballkontakt im gegnerischen Strafraum, obwohl man mit dem Sturmlauf wohl niemanden überrascht hat.

Mein Tipp: Ein frühes ÖFB-Tor werden wir sehen, ein zweites geht sich in der ersten halben Stunde aber nicht aus.

These: Dreierpack im März gegen die Türkei: Michael Gregoritsch gehört im EM-Achtelfinale wieder in die Startelf.

These: Dreierpack im März gegen die Türkei: Michael Gregoritsch gehört im EM-Achtelfinale wieder in die Startelf.
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Daniel Sauer: Ich werde es Ralf Rangnick nicht allzu übel nehmen, wenn er sich anders entscheidet. Marko Arnautović hat schon getroffen, Marcel Sabitzer und Christoph Baumgartner ebenfalls - an Torgefahr sollte es nicht mangeln.

Trotzdem sehe ich "Gregerl" zurück in der Startelf, dafür gibt’s mehrere Gründe: Er hat erst 80 Minuten in den Beinen, die bisherige Belastung sollte - anders als beim 35-jährigen Arnautović kein Problem sein. Ich rechne mit einem offenen Spiel, auch beim 6:1 ging es phasenweise hin und her - der Gedanke, Gregoritsch nach einer Stunde für unseren Kapitän einzuwechseln, behagt mir weniger als umgekehrt.

Auch die mentale Seite spielt eine Rolle, der Hattrick im März sollte Selbstvertrauen geben. Wer sich - wie ich - alle Tore noch einmal per Highlight-Video in Erinnerung gerufen hat, wird feststellen, dass keines davon besonders überragend war. Ein Elfmeter, ein freier Kopfball und ein eigentlich haltbarer Distanzschuss - mit letzterem läge er zumindest voll im Trend. Am Ende gilt aber: Der beste Stürmer ist einer, der nicht zu lange nachdenkt. Gregoritsch könnte mit gutem Gefühl und damit befreit aufspielen. Und vielleicht fängt ja stattdessen der ein oder andere Verteidiger zu grübeln an.

Harald Prantl: Meine Überlegungen gehen in dieselbe Richtung wie Daniels. Ich gehe davon aus, dass Michael Gregoritsch gegen die Türkei von Beginn an ran darf. Bisher noch nicht genannte Argumente:

Es ist wichtig, den "Gregerl" in diesem Turnier ankommen zu lassen, bisher ist ihm das nämlich nicht gelungen. Dass der Mann im ÖFB-Trikot seine Tore schießen kann, hat er schon bewiesen. Es wäre ein guter Zeitpunkt, bei diesem Turnier wieder damit anzufangen.

Rangnick muss eine etwaige Verlängerung inklusive Elferschießen mitbedenken. Arnautović schafft körperlich keine 120 Minuten, wäre in einem Elferschießen aber ein wichtiger Schütze. Insofern macht es Sinn, käme er von der Bank.



These: Bislang haben die Rotationen perfekt funktioniert: Rangnick sollte auch gegen die Türkei gelbgefährdete Spieler schonen.

These: Bislang haben die Rotationen perfekt funktioniert: Rangnick sollte auch gegen die Türkei gelbgefährdete Spieler schonen.
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Harald Prantl: Jetzt werden wir aber ein bisschen überheblich, nicht wahr? Mit Verlaub, wir sprechen hier vom Achtelfinale einer Europameisterschaft gegen eine Nation, die vor dem Turnier in internationalen Medien nicht minder als Geheimfavorit gehandelt wurde als Österreich. Das ist keine zweite Cup-Runde eines Bundesligisten gegen einen Mittelständler der Regionalliga Mitte.

Ralf Rangnick wird das bestmögliche Team aufbieten, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist eher: Welche Elf hält er für die bestmögliche? Nach den drei bisherigen Spielen in Deutschland ist das ja inzwischen schwer zu erraten.

Aber das ist ja auch das Schöne: Dank der Leistungen gegen Polen und vor allem die Niederlande wissen wird, dass vermeintliche Ersatzleute als Startelf-Spieler keinen Qualitätsverlust bedeuten. Also wäre die eine oder andere Gelbsperre kein allzu großes Drama und das Risiko allemal wert.

Daniel Sauer: Man sollte sich das Leben nicht zu kompliziert machen. Wo kommen wir denn mit solchen Überlegungen hin? Im Viertelfinale ginge es dann immerhin ums Halbfinale, bei dem wir Kevin Danso dann wohl lieber dabei hätten, als nicht. Gelbe Karten gehören zum Berufsrisiko eines Verteidigers. Weder kann man ihn mit angezogener Handbremse spielen lassen, noch ihn aus Angst vor einer Sperre auf der Bank behalten.

Unsere vermeintlichen Ersatzspieler sind nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen, das Vertrauen in sie sollte ausreichen, um sich nicht durch Übervorsichtigkeit selbst zu schwächen. Eine Devise sollte Ralf Rangnick aber schon ausgeben: Unnötige Verwarnungen wegen Meckerns, wie jene von Laimer gegen Frankreich, sind jedenfalls zu vermeiden.

Bis die Gelben Karten gestrichen werden, dauert es noch 180 Minuten - nach dem Viertelfinale wird alles auf Null gestellt. Unterm Strich würden zu viele wichtige Leistungsträger einfach zu viel wichtige Spielzeit verpassen.

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