Auch wenn er nicht selbst an der Seitenlinie stehen konnte: Das Spiel gegen Blau-Weiß Linz war das letzte in der Amtszeit von Robert Klauß beim SK Rapid. Nach eineinhalb Jahren im Verein muss der Deutsche gehen, der bisherige Co-Trainer Stefan Kulovits übernimmt die Mannschaft für die verbliebenen fünf Runden.
In unserem Format "Ansichtssache" hat die Redaktion zwei Kollegen mit vier kontroversen Behauptungen zur Personalentscheidung in Hütteldorf konfrontiert, die Michael Fiala und Daniel Sauer kommentieren.
Was ist deine Meinung zu den vier Thesen?
These: Die Trennung von Robert Klauß kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
Michael Fiala: Wenn Sportdirektor Markus Katzer zu dem Schluss kommt, dass Robert Klauß mit seinem Team den fünften Platz nicht mehr erreichen kann, dann muss er sofort handeln. Jedes weitere Spiel mit dem Deutschen wäre dann eigentlich fahrlässig gewesen. Eine Entscheidung musste also heute fallen: Klauß das Vertrauen zu schenken (und dann bis zum Ende der Saison durchziehen) oder sofort einen Interimstrainer installieren. Was zur nächsten Frage führt: Kann Kulovits die notwendigen Impulse für eine kurzfristige Reaktion setzen?
Daniel Sauer: Ich mache mir Sorgen um Rapid. Natürlich stimme ich zu: Wenn Rapid den fünften Platz als oberste Priorität ausruft und nichts unversucht lassen will, um ihn abzusichern, ist die Trennung von Klauß nachvollziehbar. Aber: Blau-Weiß ist in dieser Saison Rapids Angstgegner Nummer 1. Ich bezweifle, dass Stefan Kulovits nach der dritten Niederlage plötzlich ein verlässliches Rezept gefunden hat - dann hätten wir gestern ein anderes Spiel gesehen. Man hofft auf einen Trainereffekt, Garantien gibt es aber nicht. Bei schlechter Stimmung im Team stellt sich mir schon die Frage: Liegt es am Trainer oder der Kaderplanung? Rapid läuft Gefahr, ein kurzsichtiger Verein zu werden. Zu langfristigen Projekten gehört ein Auf und Ab. Wenn man jetzt die falschen Schlüsse zieht, stehen wir in einem oder zwei Jahren mit einem anderen Trainer vor ähnlichen Fragen.
These: Ein Neustart bei Rapid im Sommer wäre für Robert Klauß verdient gewesen.
Daniel Sauer: Bis tief in den November blieb Rapid so gut wie ungeschlagen (die einzige Niederlage kam ironischerweise gegen Blau-Weiß Linz) - Klauß hat bewiesen, dass er erfolgreich Fußball spielen lassen kann. Die Gründe für den Abwärtstrend verteilen sich auf mehrere Schultern, auch Sportchef Katzer muss sich in den Spiegel schauen. Im Winter hätte es Verstärkungen gebraucht, die sofort helfen. Man hätte aus dieser Saison lernen und Unruheherde beseitigen können. Ich bin mir sicher, dass eine Weiterentwicklung - mit Klauß - im Sommer möglich gewesen wäre. Das schreibe ich in der Annahme, dass der Trainer sich hinter den Kulissen nichts hat zu Schulden kommen lassen.
Michael Fiala: Ich bin bei Daniel, dass Klauß bewiesen hat, dass Rapid erfolgreich Fußball spielen kann. Ich stimme ebenso mit Daniel überein, dass man die aktuelle Misere nicht allein am Trainer festmachen kann. Natürlich ist hier auch Markus Katzer - Stichwort Transfers im Winter - in die Pflicht zu nehmen. Man hat allerdings schon den Eindruck, dass es einen gewissen Bruch zwischen Mannschaft und Trainer gegeben hat und nicht jeder Spieler zu jedem Zeitpunkt im Kopf bereit ist, das Allerletzte aus sich herauszuholen. Es gab viele Spiele, bei denen die Hütteldorfer in Rückstand geraten sind, und die dann mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen wurden. Das sind bedenkliche Signale, die eine weitere, erfolgreiche Arbeit mit Klauß gefährdet haben. Dieser Eindruck hat sich wohl auch bei Katzer erhärtet, und somit ist man zu dem Schluss gekommen, sofort zu handeln.
These: Nach dem bitteren Europacup-Aus war klar, dass sich Rapid nicht so schnell wieder erholt.
Daniel Sauer: Das Europacup-Aus war eher Symptom als Auslöser der Krise. Die Erfolge in der Conference League haben sich nicht positiv auf die Bundesliga-Leistungen ausgewirkt, wo es sowieso schon länger schlecht läuft. Ich sehe da also kaum eine Verbindung. Bitter war das Aus vor allem für den Trainer: Man kann vom Bewerb halten, was man möchte, aber auch die ECL-Spiele muss man erst einmal gewinnen. Rapid hat das geschafft und genug Geld verdient, um jetzt nicht in Panik verfallen zu müssen. Das ist eine Leistung, an der Klauß seinen Anteil hat. Ohne Sangaré-Aussetzer und Rote Karte hätte Rapid kommende Woche vielleicht ein Saisonhighlight gegen Chelsea vor sich, Robert Klauß wäre wohl noch Rapid-Trainer.
Michael Fiala: Das Aus im Europacup-Viertelfinale war sicherlich sehr bitter, weil der Gegner Djurgården wirklich keine Übermacht war, im Gegenteil. Umso ärgerlicher ist es, dass die Schweden das Ende der so euphorischen internationalen Saison waren. Vielleicht war die durchaus erfolgreiche Conference-League-Saison auch ein wenig der Sargnagel für die nationale Meisterschaft. Viele Problemfelder wurden durch die Euphorie zugedeckt, die Entwicklung der Mannschaft stagniert seit November. Insofern glaube ich, dass nicht das Ausscheiden an sich das Problem für Rapid war, sondern eben das Ignorieren der Misere in der Meisterschaft.
These: Dieser Verein ist einfach zu emotional, um jemals zur Ruhe zu kommen.
Michael Fiala: Dass Rapid ein besonders emotionaler Verein ist, ist kein Geheimnis. Der Klub schafft es immer wieder, auch abseits des sportlichen Geschehens viel Unruhe zu erzeugen. Dass dies natürlich auch immer wieder auf den Sport abfärbt, liegt auf der Hand. Zudem ist der Klub natürlich auch in der endlosen Spirale zwischen Anspruch und Realität gefangen. Allein die Anzahl der Trainer in den vergangenen Jahren zeigt, dass die Hütteldorfer keine konstante Arbeit möglich machen. Und genau diese braucht es, um auch endlich mal aus sportlicher Sicht einen Schritt zu machen. Andere Klubs in Österreich haben es ja vorgemacht. Und es ist sicher kein Zufall, dass Rapid und LASK in der Tabelle keine Rolle spielen und jene Klubs sind, die einen großen Trainerfriedhof ihr Eigen nennen können.
Daniel Sauer: Was Michael beschreibt, zeichnet Rapid ja ein Stück weit aus - große Emotionen, ein hoher Anspruch, der sich mit einer erfolgreichen Geschichte erklären lässt. Was mir derzeit fehlt, ist ein Mechanismus oder eine Person, die Unruhe - egal ob sie im Fanblock, der Mannschaft oder der Geschäftsstelle entsteht - wieder einfängt. Markus Katzer moderiert Krisen in der Öffentlichkeit nicht schlecht, steckt selbst aber zu tief im Tagesgeschäft. Vom Präsidium hört man wenig, obwohl es gerade jetzt wieder einmal wichtig wäre, auch in der Kommunikation nach außen eine Linie vorzugeben, um im Verein für Ruhe zu sorgen. Solange sich daran nichts ändert, stimme ich der These zu. Rapid kann derzeit nicht nachhaltig zur Ruhe kommen.