These: Das ÖFB-Team holt mindestens einen Punkt gegen Frankreich! Österreich hat seit den letzten Aufeinandertreffen in der Nations League große Fortschritte gemacht, auf die Frankreich nicht vorbereitet sein wird.
Michael Fiala: Eines ist kein Geheimnis: Österreich hat die Karten in den letzten beiden Vorbereitungsspielen gegen Serbien und die Schweiz nicht offen auf den Tisch gelegt. Wer Ralf Rangnick und sein Trainerteam kennt, weiß, dass die Herren seit Wochen an taktischen Varianten für die drei Gruppenspiele tüfteln.
Einen Kylian Mbappé im 1:1 zu stoppen, ist eine Mammutaufgabe, wenn nicht sogar eine der schwersten im Profifußball. Wenn es mal so weit kommt, ist es oft schon zu spät. Aber ich bin davon überzeugt, dass die taktische Ausrichtung von Rangnick & Co. so gewählt sein wird, dass der Superstürmer womöglich gar nicht so oft die Bälle bekommen wird, die er so gerne hat.
Und ja, natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu. Oder wie Mario Haas im Interview mit 90minuten es vor wenigen Tagen formuliert hat: "Ich glaube schon, dass es ein kleiner Vorteil sein kann, weil die Franzosen möglicherweise noch nicht so im Rhythmus sind, wie sie es dann im Laufe des Turniers sicher sein werden. Wenn dem so ist, dann könnten wir ihnen schon ein bisschen weh tun – dazu hat das österreichische Team auf jeden Fall die Möglichkeiten, um das umzusetzen, was Ralf Rangnick will."
Und genau da sind wir beim Punkt: "Ein bisschen weh tun" – das ist genau das Ziel und damit ein Punkt im Spiel gegen Frankreich.
Harald Prantl: Ich hake gleich mal beim Thema Mbappé ein. Wenn es um die direkten Gegenspieler geht, wäre eine Teilnahme von David Alaba ein riesengroßer Vorteil gewesen. Und auch die Qualitäten von Xaver Schlager werden diesbezüglich fehlen.
Aber wir sind ja nicht zum Raunzen hier. Insgesamt bin ich nämlich überzeugt, dass Rangnicks Truppe im Vergleich zu den letzten Aufeinandertreffen mit den Franzosen große Fortschritte gemacht hat.
Ob die Fortschritte aber so groß sind, dass es bei einer Endrunde zu einem Punkt, oder sogar drei, gegen die Franzosen reicht, da bin ich mir nicht sicher. Ja, möglich ist es gewiss.
Wir müssen uns aber dennoch vor Augen halten, dass ein Punktgewinn gegen die Franzosen eine Sensation wäre. Das hat nichts mit Understatement zu tun oder gar mit Schwarzmalerei, das ist schlicht und ergreifend eine realistische Betrachtung der Ausgangsposition. Umso mehr dürfen wir uns dann freuen, wenn es doch klapp.
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These: Kein Ende in Sicht: Christoph Baumgartners Tor-Serie wird sich auch gegen Frankreich fortsetzen.
Harald Prantl: In fünf Länderspielen in Folge hat Baumgartner getroffen, das ist Hans Krankl 1976 auch gelungen. Mit einem Treffer gegen Frankreich wäre der "Baumi" alleiniger österrechischer Rekordhalter. Dass er darauf "0,0 Fokus" legt, darf man ihm getrost abkaufen.
Fakt ist, dass der Leipzig-Legionär derzeit eine ordentlich breite Brust hat, wenn er das ÖFB-Trikot anzieht. Seine Tempodribblings werden auch die französischen Verteidiger in Verlegenheit bringen. Hoffentlich schon in den ersten Spielsekunden.
Ich gehe davon aus, dass dem ÖFB-Team gegen Frankreich ein Tor gelingt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es Baumgartner erzielt, ist hoch. Wer es schießt, ist aber egal. Nicht nur mir und euch, sondern auch allen im ÖFB-Team. Und das ist gut so.
Michael Fiala: Nein, sorry, da muss ich widersprechen. Leider (oder zum Glück – dazu gleich weiter unten mehr) wird die Serie von Christoph Baumgartner gegen Fankreich reißen. Die Franzosen werden den Bundesliga-Legionär genau analysiert haben und einen Fokus auf ihn richten. Das wird auch für Baumgartner in diesem Match nicht zu stemmen sein.
Doch Baumgartners Pech ist Gregoritsch‘ Glück: Während sich die Équipe Tricolore voll und ganz (und daher auch zu viel) auf das Ausschalten von Baumgartner konzentriert, bekommt Gregoritsch ein bisschen mehr Freiraum als erhofft.
Ich sehe es schon kommen, dass er in der 64. Minute zum 1:0 für Österreich einköpfeln wird. Ein Kopfball, der noch von einem Bein eines französischen Verteidigers abgefälscht wird. Uns wird es egal sein, Hauptsache 1:0-Führung für Österreich und auch Baumgartner wird es verkraften, dass er keinen neuen Rekord aufgestellt hat.
These: Die Stimmung im ÖFB-Team ist gut wie lange nicht. Aber nur wenn das Teamgefüge auch im Laufe des Turniers aufrecht erhalten werden kann, wird Österreich erfolgreich sein.
Michael Fiala: Die Stimmung im österreichischen Nationalteam ist sehr gut, wie mir auch Harald persönlich versichert hat, der ja seit einigen Tagen in Berlin vor Ort ist. Eine gute Stimmung ist natürlich wichtig bei so einem Turnier. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass es eine Art Lagerkoller gibt, kleinere Unstimmigkeiten dadurch entstehen und das Teamgefüge darunter leidet.
Die große Kunst ist es, diese gute Stimmung über mehrere Wochen aufrecht zu erhalten. Ich bin da sehr zuversichtlich, da das Quartier in Berlin den Kickern auch ein wenig Ablenkung in der Stadt bietet. Das war bei den vergangenen Turnieren wie etwa in Frankreich 2016 nicht so.
Und dann wäre noch Ralf Rangnick: Er versteht es nur allzu gut, die Stimmung im Team hochzuhalten. Jeder Kicker hat hoffentlich seinen Karabiner mit, den er zu Beginn der Qualifikation bekommen hat. Dieses Symbol wird auch dabei helfen, sich jeden Tag das Ziel vor Augen zu halten und eigene Befindlichkeiten hinten anzustellen.
Harald Prantl: Ja, die Stimmung ist ausgezeichnet. Das hat vor allem mit dem Mannschaftsgefüge zu tun. In diesem Team gibt es – und das ist im heutigen Profigeschäft eher unüblich – viele Freundschaften, die weit über die klassische Kollegialität hinaus gehen.
Dass nicht jeder mit jedem bestens befreundet ist, ist auch klar. Tatsache ist aber, dass sich die Spieler gegenseitig zumindest wertschätzen und in ihren Eigenheiten tolerieren. Das ist Gold wert.
Damit kein Lagerkoller aufkommt, dürfen die Spieler im Rahmen der freien Stunden jederzeit das Schlosshotel verlassen, ihnen werden von Rangnick keine Grenzen gesetzt. Überhaupt legt der Teamchef großen Wert darauf, dass sich die Kicker als Individuen wohlfühlen, wenig Zwang, viele freie Entscheidungsmöglichkeiten. Das ist moderne Teamführung.
Kurzum, die Sorge, dass das Teamgefüge im Laufe des Turniers ins Wanken geraten könnte, ist völlig unbegründet.
These: Alle lieben Rangnick: Dass er sich gegen die Bayern und für den ÖFB entschieden hat, ist das Beste, was Fußball-Österreich passieren konnte.
Harald Prantl: Ja! Weil es so kurz vor der EURO für das gesamte ÖFB-Team ein riesiger Vertrauensbeweis war und die sowieso schon engen Bande zwischen Mannschaft und Trainerteam noch einmal verstärkt hat.
Ja! Weil es noch jede Menge Wunden gibt, in die er den Finger legen muss, um den ÖFB weiterhin nachhaltig zu professionalisieren.
Ja! Weil es einen Leader mit seiner Aura braucht, um im ÖFB-Präsidium auch unbeliebte Entscheidungen durchzubringen bzw. um ÖFB-Boss Klaus Mitterdorfer die nötige Autorität zu verleihen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und zu ändern.
Ja! Weil das ÖFB-Team unter ihm in kurzer Zeit riesige Schritte nach vorne gemacht hat und spannend zu sehen sein wird, wohin das noch führen kann.
Michael Fiala: Dieser These kann man nur schwer widersprechen. Die Tage vor dieser wegweisenden Entscheidung von Ralf Rangnick habe ich im Gedanken schon alle Möglichkeiten durchgespielt. Was passiert, wenn Rangnick zu den Bayern geht, kann er dann die EURO trotzdem noch machen? Diese und viele andere Fragen schwirrten mir im Kopf herum.
Mit dem „Ja zu A“ ist Österreichs Fußball vermutlich ein Ritterschlag gelungen. Denn Ralf Rangnick ist nicht nur der Teamchef des österreichischen Nationalteams. Er ist ein Stratege, der den Verband (nicht zur Freude aller dort) genauso weiter entwickeln möchte, wie den österreichischen Fußball als Gesamtes.
Denn sein Wort hat Gewicht, und wenn Rangnick zum Beispiel der Meinung ist, dass es relativ sinnlos ist, das alte Ernst-Happel-Stadion zu renovieren, dann gibt es durchaus auch Hoffnung, dass irgendwer, der sich dafür zuständig fühlt, diese Worte auch hört und in Folgeentscheidungen einfließen lässt.
Man muss bei der EURO ja mit allem rechnen: Auch ein Ausscheiden in der Gruppenphase ist bei dieser Auslosung möglich. Aber selbst dann haben wir mit Rangnick jemanden, der unseren Fußball nachhaltig verbessern kann.