Unter strikten Auflagen sollte man in Österreich über das Ende der 50+1-Regel nachdenken.
Die Redaktion konfrontiert 90minuten-Gründer Michael Fiala und Chefredakteur Harald Prantl im Rahmen des Themen-Schwerpunkts Investoren mit vier Thesen zum Thema.
These: 1. In England hat man aus Fehlern gelernt und Kontrollmechanismen für Investoren eingeführt. Unter strikten Auflagen sollte man auch in Österreich über das Ende der 50+1-Regel nachdenken.
Harald Prantl: Machen wir uns nichts vor: Sollte in Österreich die 50+1-Regel fallen, wird binnen kürzester Zeit die Klub-Hierarchie, wie wir sie kennen, komplett über den Haufen geworfen. Die traditionsbewussten Mitgliedervereine werden (zurecht) zögern, so manch anderer Klub wird keine Hemmungen haben, sich von Investoren Geld in den Schlund werfen zu lassen und aufrüsten, was das Zeug hält. In weiterer Folge bricht das blanke Chaos aus, weil natürlich nicht jeder Investor seriös sein wird.
Die Hoffnung, das hierzulande aus den Fehlern in England gelernt wurde, ist zwar nett, aber eher realitätsfern. Wie immer wird’s auf eine österreichische Lösung hinauslaufen, also ein bisschen Gewurschtel, ein bisschen Augenzudrücken. 50+1 ja oder nein? Die große Frage ist, wie sich der österreichische Fußball positionieren will. Aber dazu bei These 3 mehr.
Michael Fiala: Ich bin der Meinung, dass man in Österreich früher oder später auch über den Sinn oder Unsinn der 50+1-Regel wird sprechen müssen. Und zwar unter den Klubs und der Liga selbst. Doch aktuell ist es noch zu früh. Warum? Allein die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie zum Teil verantwortungslos die österreichischen Klubs mit dem eigenen Verein und ihrer Tradition umgegangen sind.
Oder anders formuliert: Kaum hat jemand mit den Geldscheinen gewackelt, ist man schon mit dem Vertragspapier gekommen und hat sich dem Investor ausgeliefert. Das ist natürlich der falsche Weg. Insgesamt bin ich aber davon überzeugt, dass die internationale Entwicklung auch an Österreich keinen Bogen machen wird.
These: Sportsponsoring ist in Österreich oftmals Liebhaberei, die Klubs sollten aktiv auf die zahlreichen großen Unternehmen zugehen und die entstandenen Risse kitten.
Michael Fiala: Womit wir gleich beim ersten Problem sind: Die wirklich ganz großen Unternehmen haben in Österreich meist gar kein Büro (mehr). Internationale Konzerne haben meist keinen emotionalen Bezug zu Österreich, weshalb auch Sportsponsorings auf "lokaler" Ebene kein Thema sind. Oftmals bekommt man bei diesen Marken nicht einmal einen Termin. Und die großen österreichischen Unternehmen? Die sind oftmals sowieso im Sportsponsoring aktiv.
Harald Prantl: Ich verstehe die These nicht ganz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die österreichischen Klubs nicht alles nur erdenkliche versuchen, um große wie kleine Unternehmen von einem Sponsoring zu überzeugen. Den Rest zu diesem Thema hat Kollege Fiala schon bestens ausgeführt.
Kommerz ist ein wesentliches Element des heimischen Fußballs, Tradition ist (leider) nicht viel mehr als ein Verkaufsargument. Damit müssen sich Kritiker abfinden.
Harald Prantl: Tradition gut, Kommerz böse. Wenn das Leben doch nur so einfach wäre... In Wahrheit geht es bei der Frage um Investoren-Einstiege bzw. das potenzielle Fallen von 50+1 doch um eine andere Frage: Wie soll sich der österreichische Fußball positionieren? Ist das Ziel, international wettbewerbsfähig zu sein, dort möglichst große Erfolge einzufahren? Dann muss 50+1 fallen.
Ist das Ziel, Menschen zu erreichen, sie in Stadien zu bringen, sie an Entscheidungen zumindest teilweise partizipieren zu lassen? Dann kann 50+1 ohne weiteres beibehalten werden. Nur die wenigsten sind per se gegen die kommerziellen Interessen eines Fußball-Klubs. Ohne kommerzielle Interessen keine neuen Stadien (oder zumindest Verbesserung bestehender), kein Mitspielen um nationale Titel.
Worauf sich aber die meisten einigen können, ist, dass kommerzielle Bestrebungen Grenzen haben müssen. Wo genau diese im Bezug auf Vereinsfarben und -namen, Stadionnamen, etc. zu ziehen sind, gilt es zu verhandeln, im Idealfall in Mitgliederversammlungen. Wenn letztere Dinge unter Tradition verstanden werden, dann ist das ein ausgezeichnetes Verkaufsargument, nämlich am Markt der Zuneigung und Hingabe für ein Hobby, dem letztlich viel Zeit und Geld geopfert wird. Das wiederum hilft den kommerziellen Bestrebungen.
Michael Fiala: Kommerz an sich ist schon ein eher unschönes Wort. Kommerz in Verbindung mit Fußball ist dann meist ein sehr negativ behafteter Ausdruck. Ich stimme der These jedoch zu, dass Tradition ein sehr gutes Verkaufsargument für Sponsoren ist. Wenn man sieht, wie viele Unternehmen und ihre Geschäftsführer:innen beispielsweise von Rapid-Spielen ihre Erfahrungen in diversen sozialen Medien posten, dann ist das wohl das beste Beispiel dafür.
In so einer Atmosphäre lässt sich dann schon womöglich das eine oder andere Geschäft abschließen. Bei einem möchte ich jedoch widersprechen: Tradition ist aber zum Teil auch eine Lebensversicherung. Nicht zuletzt die Austria kann aktuell davon ein Lied singen. Ein Lied, das auch Rapid übrigens kennt.
Der ÖFB muss endlich eine sinnvolle Lösung für die Regionalligen finden und diese auch kontrollieren, weil dort viel Geld versickert.
Michael Fiala: Prinzipiell stimme ich dieser These zu. Überall, wo es die Regeln nicht so genau nehmen, findet man kreative Wege zum Ziel. Die Regionalliga ist sicherlich so eine Liga, wo man nie so genau weiß, welcher Verein gerade auf einem seriösen Weg ist, und welcher Klub eher den kreativen Ansatz gewählt hat.
Für den Wettbewerb ist dies natürlich alles andere als optimal. Insofern wäre es gut für die dritte Leistungsstufe, wenn die Lizenzierung Light in dieser Liga eine wichtigere Rolle spielt als bisher. Eines muss uns aber dann auch klar sein: Wenn die dritte Liga schärfere Regeln bekommt, wie sieht es dann in der vierten Liga aus?
Harald Prantl: Dass wir alle ganz dringend auf eine Reform der dritten, und eventuell auch vierten, Leistungsstufe warten, wurde oft genug kundgetan. Wie man hört, ist in den vergangenen Wochen tatsächlich auch Bewegung in die Sache gekommen, nur zwei (westliche) Bundesländer sollen sich noch sträuben.
Sollte wirklich – nennen wir es mal – eine gemeinsame, landesweite Aufstiegsrunde der 3. Liga gespielt werden, wäre eine Lizenzierung Light definitiv sinnvoll. Nicht zuletzt, um die Klubs selbst auf die Herausforderung Zulassung zur 2. Liga vorzubereiten, und freilich auch, um sicherzustellen, dass die potenziellen Aufsteiger auch entsprechend aufgestellt sind.